Erstes Oberlandesgericht halbiert Gewerbemiete wegen Corona

| Politik Politik

Im Dezember hatten Bundestag und Bundesrat gewerblichen Mietern und Pächtern den Rücken gestärkt und beschlossen, dass staatlich angeordnete Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für Gewerbemieter künftig eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ bedeuten. Daraus  ergab sich kein Minderungsrecht, doch erfuhren die Pächter eine deutlich bessere Verhandlungsposition. Nun urteilte das OLG Dresden als erstes Oberlandesgericht und halbierte die Kaltmiete einer Gewerbemieterin.

„Die gesetzliche Klarstellung war überfällig. In den letzten Monaten hatte sich leider gezeigt, dass bei Weitem nicht alle Vermieter willens sind, ihren Mietern in Krisenzeiten bei diesem für viele Betriebe immensen Kostenblock freiwillig entgegenzukommen“, kommentierte DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges die Entscheidung im Dezember. „Unzählige Schreiben und Gespräche waren notwendig, um diese Klarstellung zu erreichen. Wir drücken jetzt allen Pachtbetrieben die Daumen für die Verhandlungen.“

OLG Dresden halbiert Kaltmiete

Nun hat das Oberlandesgericht Dresden in einem aktuellen Urteil entschieden, dass für ein von staatlicher Schließungsanordnung aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen betroffenes Ladenlokal ein angepasster Mietzins zu zahlen ist.

Die Frau hatte die Miete für den Monat April 2020 nicht gezahlt, weil sie in der Zeit vom 19. März 2020 bis einschließlich 19. April 2020 ihr Geschäft wegen der sächsischen Corona-Schutzverordnung nicht öffnen konnte. Sie war der Ansicht, die Miete müsse für den Zeitraum der Schließung auf Null reduziert werden und berief sich dabei vor allem auf einen Mangel des Mietobjektes. Dagegen klagte die Zehnder Grundstücksverwaltungs GmbH & Co. KG als Eigentümer. Das Landgericht Chemnitz hatte die Frau zur Zahlung der vollständigen Miete verurteilt. Dagegen ging sie am OLG in Berufung.

Das Oberlandesgericht geht davon aus, dass es auf das Vorliegen eines  Mangels des Mietobjekts nicht ankomme und die Vorschriften der Unmöglichkeit keine Anwendung fänden. Allerdings sei infolge des Auftretens der Corona-Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung aus den Allgemeinverfügungen eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten.

Eine Reduzierung der Kaltmiete um 50 Prozent sei gerechtfertigt, weil keine der Parteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen habe. Es sei daher im vorliegenden Fall angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen.  Gegen das Urteil kann nun Revision eingelegt werden.

Erstmals hat kürzlich ein Landgericht einem Einzelhändler die Minderung der Miete wegen der Corona-bedingten Schließung gestattet. In Hotellerie und Gastronomie wächst die Hoffnung, dass nun auch andere Gerichte so urteilen könnten. Es gibt aber auch schon konträre Urteile. (Tageskarte berichtete)

Das Oberlandesgericht in Karlsruhe dagegen bejahte in einem anderen Fall die Pflicht zur Mietzahlung im „Corona-Lockdown“, schließt aber die „Störung der Geschäftsgrundlage“ nicht aus.

Ein Einzelhändler, dessen Ladenlokal im „Corona-Lockdown“ für den Publikumsverkehr geschlossen werden musste, kann demnach seine Mietzahlung nicht ohne Weiteres aussetzen oder reduzieren. Mit diesem Urteil vom 24. Februar 2021 hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Heidelberg bestätigt. Die Berufung einer Einzelhandelskette, deren Filiale aufgrund einer behördlichen Anordnung im „ersten Corona-Lockdown“ vom 18. März bis zum 19. April 2020 geschlossen bleiben musste und die daher die vereinbarte Miete für ihr Ladenlokal im April 2020 nicht an ihre Vermieter bezahlte, hatte keinen Erfolg.

Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass eine allgemeine coronabedingte Schließungsanordnung keinen Sachmangel des Mietobjekts begründet, der einen Mieter zur Minderung der Miete berechtigt. Der Zustand der Mieträume als solcher erlaubte die vertraglich vorgesehene Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts weiterhin, so dass auch unter diesem Aspekt die Mietzahlungspflicht nicht in Wegfall geriet.

Der Senat hat allerdings darauf hingewiesen, dass eine Unzumutbarkeit der vollständigen Mietzahlung in solchen Fällen unter dem Gesichtspunkt eines „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ grundsätzlich in Betracht kommen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass die Inanspruchnahme des Mieters zu einer Vernichtung seiner Existenz führen oder sein wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigen würde und auch die Interessenlage des Vermieters eine Vertragsanpassung erlaubt.

Hierfür seine eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls erforderlich, bei der unter anderem der Rückgang der Umsätze, mögliche Kompensationen durch Onlinehandel oder durch öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen zum Beispiel durch Kurzarbeit sowie fortbestehende Vermögenswerte durch weiterhin verkaufbare Ware zu berücksichtigen sind. Solche besonderen Umstände, die zu einer Unzumutbarkeit der Mietzahlung führen könnten, hatte die berufungsführende Einzelhandelskette im jetzt entschiedenen Einzelfall nicht in ausreichender Weise geltend gemacht.
Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Die Entscheidung ist daher noch nicht rechtskräftig.


 


Zurück

Vielleicht auch interessant

Zur Europawahl hat die Branche ihre Positionen und Erwartungen für ein starkes Gastgewerbe in einer leistungsfähigen Europäischen Union an die Politik adressiert. Jetzt liegen die Antworten der Parteien auf den Fragenkatalog des DEHOGA und des Hotelverbandes vor.

Deutsche Bahn und S-Bahn München sprechen mit einer Recruiting-Kampagne gezielt Mitarbeiter aus der Gastronomie an. Das bringt den DEHOGA Bayern auf die Zinne. „Unverschämt“ und „hoch unanständig“ sei das, schimpft DEHOGA-Bayern-Chef Geppert und fordert Konsequenzen.

Kaum ein Thema treibt die gastgewerblichen Unternehmer so um wie die wachsende Bürokratie. In seiner neuen Broschüre „Rezepte für den Bürokratieabbau“ zeigt der DEHOGA Bundesverband die bürokratischen Pflichten für Gastronomie und Hotellerie im Detail auf und benennt seine Empfehlungen für den Bürokratieabbau.

„Die von der EU geplanten neuen Regelungen für die Pauschalreiserichtlinie kosten nicht nur Geld, sie verzerren auch den Wettbewerb weiter – zu Lasten der organisierten Reise“, kritisierte der DRV-Präsident bei einer Anhörung im Bundestag.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat den Vorstoß von Bundeskanzler Olaf Scholz für eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro zurückgewiesen. Auf Dauer würde es für Arbeitsplätze gefährlich, wenn sich die Politik hier einmische.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich für eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro ausgesprochen. Gleichzeitig übte er Kritik an der Mindestlohnkommission.

Der DEHOGA Bayern sowie die Gewerkschaft NGG konnten sich in München nicht auf einen neuen Entgelttarifvertrag für Bayerns Hotellerie und Gastronomie einigen. Die Gewerkschaft NGG brach die Gespräche am Montag ab. Nun plane man Aktionen bis hin zum Warnstreik. Die Arbeitgeber hatten die NGG-Forderungen als unrealistisch zurückgewiesen.

Die Europäische Kommission hat heute Booking Holdings, die Muttergesellschaft von Booking.com, als Gatekeeper-Plattform im Sinne des Digital Markets Act benannt. Booking.com hat nun sechs Monate Zeit, um alle Gebote und Verbote als Gatekeeper zu erfüllen.

Der DEHOGA Bundesverband macht noch einmal auf die Frist für die Schlussabrechnungen der Corona-Wirtschaftshilfen (Überbrückungs-, November- und Dezemberhilfen) aufmerksam: Diese können nach der letztmaligen Fristverlängerung vom März noch bis zum 30. September 2024 eingereicht werden.

Mit Blick auf die Europawahl am 9. Juni starten die in der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand zusammengeschlossenen Verbände einen gemeinsamen Wahlaufruf mit Reformvorschlägen.