Mehrwegpflicht für Gastronomie von Bundesregierung beschlossen

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Restaurants, Bistros und Cafés sollen ab 2023 dazu verpflichtet werden, allen Kunden auch Mehrwegbehälter anzubieten. Das sieht die Änderung des Verpackungsgesetzes vor, die das Bundeskabinett an diesem Mittwoch auf den Weg gebracht hat. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nannte die Neuerungen einen «weiteren Meilenstein».

Neben der Pflicht für Händler, Mehrwegoptionen anzubieten, sieht die Novelle eine Erweiterung der Pfandpflicht auf alle Getränkeflaschen und erstmals einen vorgeschriebenen Mindestrecyclingplastik-Anteil von 25 Prozent bis 2025 vor. Umweltschutzverbänden gehen die Pläne nicht weit genug. In der Kritik steht vor allem die Ausnahme von der Mehrwegpflicht, von der kleinere Unternehmen Gebrauch machen können.

«Händler, die Kaffee zum Mitnehmen verkaufen, sollen ihren Kunden sowohl einen Einweg- als auch einen Mehrwegbecher anbieten müssen», sagte Schulze. Das Gleiche gelte für das Essen zum Mitnehmen im Restaurant und für Lieferdienste. Die Regel soll ab 2023 greifen, enthält aber die besagte Ausnahme für Betriebe, die kleiner als 80 Quadratmeter sind und nicht mehr als fünf Beschäftigte haben. Wie viele Betriebe unter die Ausnahmeregel fallen, könne das Ministerium derzeit nicht beziffern, heißt es auf dpa-Anfrage.

Schon früher, zum 1. Januar 2022, soll die erweiterte Pfandpflicht in Kraft treten. Bislang gibt es immer noch Getränke, etwa Fruchtsäfte ohne Kohlensäure, auf deren Verpackung kein Pfand erhoben wird. Damit soll Schluss sein, die Pfandpflicht gilt demnach dann auch für Getränkedosen. Eine Ausnahme gibt es aber auch hier, und zwar für Milch und Milcherzeugnisse. Für diese Produkte greift die Pfandpflicht erst ab dem Jahr 2024.

Die Mindestrezyklatquote, die eingeführt wird, soll ab 2030 von 25 Prozent auf mindestens 30 Prozent steigen. Ziel ist es, dass Flaschen künftig einen hohen Anteil an altem Plastik enthalten und so die Müllmenge abnimmt.

Die geplanten Maßnahmen, die der Bundestag noch verabschieden muss, stießen unter Verbänden auf ein geteiltes Echo. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der Verband der Kunststofferzeuger PlasticsEurope Deutschland (PED) etwa befürworten die Neuerungen. Deutliche Kritik kam dagegen von Umweltverbänden, den Verbraucherzentralen und der Deutschen Umwelthilfe. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland beklagen vor allem die Ausnahmen für kleinere Betriebe.

«Nach dem aktuellen Entwurf der Novelle würde es vielen Unternehmen weiterhin freigestellt sein, ob sie Mehrwegalternativen überhaupt anbieten», kritisierte der BUND.

Der Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Klaus Müller, befürchtet, dass mit der Ausnahme das Ziel verfehlt werde, weniger Einwegmüll zu produzieren. Anbieter könnten außerdem auf andere Materialien wie Verpackungen aus Pappe oder Aluminium ausweichen, «die nicht umweltfreundlicher» seien, sagte Müller.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband befürchtet dagegen Mehrbelastungen durch strengere Vorgaben. Schulzes Vorstoß komme «zur Unzeit», sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der Deutschen Presse-Agentur. «Wir befinden uns in einer Situation, in der unsere Branche ums Überleben kämpft», ergänzte Hartges mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht die Neuerungen insgesamt positiv, fordert aber, den Unternehmen genug Zeit einzuräumen, um Mehrwegsysteme zu schaffen. Darüber hinaus lehnt der Verband in einer Stellungnahme die Ausweitung der Pfandpflicht auf Milch und Milcherzeugnisse ab 2024 ab. Diese Produkte müssten dauerhaft ohne Pfand bleiben, weil sonst «Fäulnis- und Gärungsprozesse» bei der Rücknahme auftreten könnten und dies unhygienisch wäre, schreibt der Verband. Genau gegen solche Ausnahmen wehren sich aber Umweltschützer wie der WWF Deutschland. Sie befürchten einen Flickenteppich und weiterhin zu viel Müll.

Umweltministerin Schulze geht trotz aller Bedenken davon aus, dass die Änderungen gemeinsam mit anderen bereits beschlossenen Maßnahmen Wirkung entfalten werden. Als Beispiele nannte sie unter anderen das Plastiktütenverbot ab Januar 2022 und das Verkaufsverbot für Plastik-Wegwerfartikel wie Besteck, Wattestäbchen oder Teller ab Juli 2021.

Nach Zahlen des Umweltbundesamtes lag das Verpackungsmüllaufkommen in Deutschland im Jahr 2018 bei 18,9 Millionen Tonnen. Pro Kopf seien das etwa 238 Kilogramm Verpackungsabfälle, sagte Schulze. «Das sind rund zwei Badewannen voll.»

Die Zahl sei seit 2010 kontinuierlich gestiegen. Durch die Corona-Krise stehe zu befürchten, dass diese Menge nun vorübergehend weiter steigen werde, sagte Schulze. Deshalb sei es wichtig, jetzt gegenzusteuern.

Was ist geplant?

Die beiden wichtigsten Maßnahmen betreffen Mehrwegbehälter und die Pfandpflicht. Restaurants, Bistros und Cafés sollen ab 2023 gezwungen sein, neben Einwegbehältern auch Mehrwegoptionen anzubieten. Konkret bedeutet das: Der Verbraucher soll sich zwischen einem Kaffee «to go» im Pfandbecher und einem im Wegwerfbecher entscheiden können.

Eine weitere Änderung soll schon ab kommendem Jahr gelten: Auf jeden Getränkebehälter aus Plastik soll es künftig Pfand geben. Bislang waren etwa Fruchtsaftschorlen mit Kohlensäure pfandpflichtig, ein Fruchtsaft ohne Kohlensäure hingegen nicht. Das soll sich nun ändern. Für Milch oder Milcherzeugnisse gilt die Pfandpflicht erst ab 2024.

Welchen Effekt hätte die Pfandpflicht?

Plastikflaschen sind nach wie vor beliebt, noch längst nicht alle sind Teil des Pfandsystems. Nach einer Untersuchung der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung im Auftrag des Forums PET wurden im Jahr 2019 deutschlandweit knapp 450 Kilotonnen Einweg-PET-Getränkeflaschen verbraucht. PET ist die Plastikart, aus der die meisten Getränkeflaschen hergestellt werden. Zehn Prozent der benutzten Behälter, also 44,2 Kilotonnen waren Flaschen ohne Pfand. Eine Kilotonne entspricht 1000 Tonnen.

Werden Produkte zum Mitnehmen durch die geplanten Änderungen teurer?

Für den Verbraucher sollen grundsätzlich keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die neuen Pfandregeln machen einzelne Produkte zwar teurer, bei der Rückgabe der Verpackung erhalten Verbraucher ihr Geld aber wieder zurück. Für Wirtschaft und Verwaltung entstehen bei der Einführung zusätzliche Kosten.

Müssen alle Restaurants und Bistros künftig Mehrwegbehälter anbieten?

Nein. Eine Ausnahme gilt für Betriebe mit weniger als 80 Quadratmetern Fläche und maximal fünf Mitarbeitern. Dort soll es künftig reichen, wenn die Anbieter von Speisen und Getränken diese in vom Kunden mitgebrachte Mehrwegbehälter füllen und Informationen zu Mehrwegoptionen sichtbar anbieten. Für Filialen großer Ketten soll diese Ausnahme aber nicht gelten. Sie müssen auch dann, wenn sie kleiner sind als 80 Quadratmeter, zusätzlich zu den Einwegoptionen auch Mehrwegbehälter anbieten.

Was ist darüber hinaus geplant?

Erstmals soll eine Mindestrezyklatquote für bestimmte Verpackungen vorgeschrieben werden. Das heißt: Mindestens 25 Prozent Altplastik sollen ab 2025 in einer Getränkeplastikflasche verarbeitet sein. Ab dem 1. Januar 2030 dürfen Hersteller von sämtlichen Einwegkunststoff-Getränkeflaschen diese nur noch dann verkaufen, wenn sie zu mindestens 30 Prozent aus Kunststoffrezyklaten bestehen. Diese Regel soll EU-weit gelten. Bei der Mindesrezyklatquote können Hersteller allerdings selbst entscheiden, ob sie die Quote pro Flasche erfüllen oder über das Jahr verteilt und auf die gesamte Flaschenproduktion angewendet erfüllen wollen.

Was ist mit Online-Angeboten?

Gerade in der Corona-Pandemie bestellen viele Menschen im Internet. Betreiberinnen und Betreiber von Online-Marktplätzen sowie ihre Dienstleister müssen künftig prüfen, dass die Hersteller von verpackten Waren auf ihrer Plattform im Verpackungsregister der Zentralen Stelle verzeichnet sind und sich an das Verpackungsgesetz halten. Das gilt beispielsweise auch für Online-Anbieter wie Amazon. Bislang gelten die Regelungen im Verpackungsgesetz nur für den stationären Handel.

Wie geht es nach dem Kabinettsbeschluss weiter?

Mit dem geplanten Gesetz setzt Deutschland nach und nach eine im Jahr 2019 in Kraft getretene EU-Richtlinie in nationales Recht um. Ziel ist es, die negativen Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt zu verringern. Nach dem Kabinettsbeschluss muss noch der Bundestag die Änderung im Verpackungsgesetz verabschieden.

Wie sind die Reaktionen auf die Pläne?

Mehrere Verbände wie der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) oder der Verband der Kunststofferzeuger Plastics Europe Deutschland (PED) befürworten die Maßnahmen. Die Deutsche Umwelthilfe findet den Entwurf nicht ambitioniert genug. Sie fordert eine zusätzliche Lenkungsabgabe von mindestens 20 Cent für Becher «to go» und Essensboxen aus Einwegplastik, die zur Förderung von Mehrwegsystemen eingesetzt werden soll. Außerdem müsse es auch Pfand auf Getränkekartons geben, da von ihnen viele achtlos in der Umwelt entsorgt und zu wenige recycelt würden.

Kritik kommt vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). «Wir befinden uns in einer Situation, in der unsere Branche ums Überleben kämpft», sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der dpa. «Ich bitte um Verständnis, dass neue Dokumentationspflichten für die Gaststätten und zusätzliche Kosten durch die Einführung der Mehrwegsysteme inmitten einer Pandemie nicht mit Begeisterung aufgenommen werden.» Eine nachhaltige Unternehmensführung sei für die Branche ungeachtet dessen «elementar wichtig».

Wollen Verbraucher ihren Müll reduzieren?

Laut einer repräsentativen Umfrage der Umweltschutzorganisation WWF und des Deutschen Verpackungsinstituts e.V. (dvi) ist das der Fall. «Die Menschen sind bereit, nachhaltigere Lösungen aktiv zu unterstützen und ihren Teil zur Kreislaufwirtschaft beizutragen, indem sie Verpackungen nach Gebrauch zum Pfandautomaten bringen oder über den Gelben Sack ins Recycling schicken», sagt dvi-Geschäftsführerin Kim Cheng.

Während der Corona-Pandemie habe sich die allgemeine Pfandbereitschaft in der Bevölkerung erhöht. Inzwischen liege der Anteil der Menschen, die grundsätzlich auch weitere Verpackungen gegen Pfand zurückgeben würden, bei 85 Prozent. Rund acht Prozent aller Befragten lehnen demnach eine Ausweitung ab, da es ihnen entweder zu unhygienisch oder zu aufwendig ist. Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) rät von einer Ausweitung der Pfandpflicht auf Milch und Milcherzeugnisse ab und begründet dies mit Hygienebedenken. (dpa)


 

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