Neue Corona-Vorgaben in NRW erwartet: Gastgewerbe „Opfer einer verfehlten Corona-Politik“

| Politik Politik

Nach der Ankündigung von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die Bund-Länder-Corona-Beschlüsse schnell umzusetzen, werden mit Spannung Details der schärferen Corona-Schutzmaßnahmen im bevölkerungsreichsten Bundesland erwartet. Bund und Länder hatten sich am Donnerstag auf eine Reihe von bundesweit einheitlichen Maßnahmen wie eine 2G-Regelung im Einzelhandel verständigt. Mit Ausnahme der Geschäfte für den täglichen Bedarf - wie Supermärkte - dürfen dann nur noch Geimpfte oder Genesene in Läden. Bei einigen Regelungen haben die Bundesländer einen Entscheidungsspielraum.

«Wir haben ein umfangreiches Paket beschlossen, um die vierte Welle zu brechen. #NRW wird es zeitnah & konsequent umsetzen», kündigte Wüst (CDU) in einem Tweet am Donnerstagabend an. Ab wann genau die neuen verschärften Maßnahmen gelten werden, blieb zunächst noch unklar. An der neuen Corona-Schutzverordnung wurde am Donnerstagnachmittag laut NRW-Gesundheitsministerium noch gearbeitet. Sie wird Startpunkt und Details wichtiger Punkte regeln.

VERANSTALTUNGEN: Die Bund-Länder-Runde mit Wüst hat eine deutliche Reduzierung der Zuschauerzahl für überregionale Sport-, Kultur- und ähnliche Großveranstaltungen beschlossen. Künftig sollen maximal 30 bis 50 Prozent der Platzkapazität genutzt werden dürfen. In Innenräumen dürfen es aber höchstens 5000 Besucher und im Freien höchstens 15 000 sein. Volle Fußballstadien wie am vergangenen Wochenende beim Spiel des 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach wird es damit vorerst nicht mehr geben. Das hatte Wüst schon deutlich gemacht. Am Wochenende könnte die neue Vorgabe das Spitzenspiel Dortmund-Bayern betreffen. Der Tabellenzweite der Bundesliga teilte bereits mit, dass für die Partie in Dortmund an diesem Samstag nur die maximal erlaubten 15 000 Eintrittskarten verkauft würden.

SPD-Landeschef Thomas Kutschaty gehen die Beschlüsse von Bund und Ländern zur Auslastung von Fußballstadien nicht weit genug. «In der aktuellen Situation sollten wir alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen treffen. Und da sind mir 15 000 Zuschauer bei einem Spiel zwischen Dortmund und Bayern, die in U-Bahnen und Straßenbahnen anreisen, einfach noch zu viel», sagte Kutschaty dem «Kölner Stadt-Anzeiger».

Städtetagsvorsitzender Pit Clausen (SPD) sagte der «Rheinischen Post» (Freitag): «Wir können uns auch die komplette Absage von Veranstaltungen im Karneval vorstellen. Auch Bundesligaspiele ohne Publikum im Stadion sind eine Option.»

KONTAKTE: Private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum, an denen nicht geimpfte und nicht genesene Menschen teilnehmen, sind dem Beschluss zufolge auf den eigenen Haushalt sowie höchstens zwei Menschen eines weiteren Haushaltes zu beschränken. Kinder bis zum Ende des 14. Lebensjahres sind ausgenommen. Ehegatten, Lebenspartner und Partnerinnen beziehungsweise Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelten auch ohne gemeinsamen Wohnsitz als ein Haushalt. Die Regelung gilt nicht für private Zusammenkünfte, an denen ausschließlich Geimpfte und Genesene teilnehmen.

REGIONALE MASSNAHMEN MÖGLICH: In Kreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 350 soll bei privaten Feiern und Zusammenkünften eine Teilnehmergrenze von 50 Personen (Geimpfte und Genesene) in Innenräumen und 200 Personen (Geimpfte und Genesene) im Außenbereich gelten. Vereinbart wurde ferner, dass Clubs und Diskotheken bei hohen Corona-Infektionszahlen wegen des Ansteckungsrisikos geschlossen werden müssen. Dies gilt spätestens ab einer Inzidenz von 350 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen.

SILVESTER: Der Verkauf von Böllern und Feuerwerk zu Silvester wird in diesem Jahr - wie schon im vergangenen - verboten sein. Auf besonders publikumsträchtigen Plätzen soll es zudem ein Feuerwerksverbot geben. Einige Städte in Nordrhein-Westfalen wie Düsseldorf hatten bereits ein Böllerverbot für bestimmte Bereiche verkündet.

IMPFEN: Um das Impfen zu beschleunigen, dürfen künftig auch Zahnärzte, Apotheker und Pflegefachkräfte den Corona-Impfstoff spritzen. Viele Apotheken starten nach Verbandsangaben mit den Vorbereitungen. Es gebe erste Hinweise, dass die Apotheken ab Januar in das reguläre Impfgeschehen mit einbezogen werden sollen - zunächst begrenzt bis zum Jahresende 2022, sagte der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, Thomas Preis. Im Rheinland gebe es 500 Apotheken mit über 1000 geschulten Apothekerinnen und Apothekern, die impfberechtigt seien. Mehr als 200 Apotheken in Westfalen-Lippe wären laut ihrem Verband in der Lage, zeitnah Auffrischungsimpfungen vorzunehmen.

DEHOGA: Wir sind das Opfer einer verfehlten Corona-Politik

Der Unmut über die unzureichende Strategie der Pandemiebekämpfung ist auch nach den neuerlichen Bund-Länder-Beschlüssen außerordentlich groß im nordrhein-westfälischen Gastgewerbe. Jetzt entzündet er sich besonders an der angekündigten flächendeckenden Schließung von Clubs- und Diskotheken: „Clubs und Diskotheken sollen geschlossen und Beschäftigte nach Hause geschickt werden, ohne dass es belastbare Daten und Fakten über ein besonderes Infektionsrisiko gibt. Das ist unverhältnismäßig“, kritisiert Haakon Herbst, Regionalpräsident im DEHOGA Nordrhein-Westfalen und verweist zudem auf ein anderes Problem geschlossener Clubs und Diskotheken. „Im Ergebnis wird die Zahl der unkontrollierten Privatpartys nach oben schießen. Dann doch lieber kontrolliert und mit guter Belüftung bei uns als Zuhause im Keller. Der Pandemiebekämpfung ist damit jedenfalls kein Gefallen getan.“

Aber unabhängig von den jetzt getroffenen Entscheidungen von Bund und Ländern begannen die Versäumnisse aus Sicht der Branche viel früher. „Die Verunsicherung vieler Gäste wegen der pandemischen Entwicklung und die zahllosen, auch von Politikern angestoßenen „Schließungs-Diskussionen“ haben dazu geführt, dass Weihnachtsfeiern oder andere Veranstaltungen kaum mehr stattfinden, Hotelzimmer leer bleiben. Seriöse Planungen in den Betrieben sind fast nicht mehr möglich. Von 20 Reservierungen, für die man Personal eingeplant und Ware eingekauft hat, bleiben am nächsten Abend noch vier übrig, von 100 Veranstaltungen vielleicht fünf. Ich stelle mir die Frage, wo wir heute stehen könnten, wenn die Impfkampagne eher mit demselben Engagement angegangen worden wäre wie in den letzten Tagen. Wir sind das Opfer einer verfehlten Corona-Politik“, so Herbst.

Hatten sich die Umsätze Vor-Corona-Niveau in Teilen wieder angenähert, lagen sie im November im Vergleich zum November 2019 laut einer aktuellen bundesweiten DEHOGA-Umfrage, an der sich auch über 1.200 Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem nordrhein-westfälischen Gastgewerbe beteiligten, durchschnittlich 25 Prozent darunter.

„Wir werden uns auf jeden Fall die genaue Umsetzung der Beschlüsse in die nordrhein-westfälische Coronaschutzverordnung anschauen. Vor allen Dingen Veranstaltungen und private Feiern haben wir im Blick. Darüber hinaus darf auf keinen Fall von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, 2G+ einzuführen, was einen „Quasi-Lockdown“ für viele Betriebe bedeuten würde“, so Herbst. Erleichterung herrsche darüber, dass zumindest ein weiterer allgemeiner Lockdown abgewendet wurde, auch wenn das verheerende Ausmaß an Stornierungen und Absagen das Jahresendgeschäft und die Einführung von 2G gerade zum Desaster macht und wirtschaftliches Arbeiten in vielen Betrieben unmöglich ist.

„Wir wollen keine staatliche Unterstützung, aber wir brauchen sie weiterhin! Und zwar angepasst an die jetzige Situation, also mehr als einen Fixkostenzuschuss. Aufgrund der bereits massiven Umsatzeinbrüche und Stornierungen in unserer Branche erwarten wir für dieses erneute Sonderopfer einen angemessen Schadensausgleich. Im Rahmen des Kurzarbeitergeldes müssen die Sozialversicherungsbeiträge weiterhin zu 100 Prozent übernommen werden. Genauso wichtig ist der Beibehalt der erhöhten Leistungssätze für Beschäftigte in Kurzarbeit. Wir sind trotz Pandemie bis hierhin gekommen. Jetzt darf uns der Staat nicht im Stich lassen.“


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Der Haushalt für das laufende Jahr hat die Ampel-Koalition an ihre Grenzen gebracht. Jetzt ist das Budget im Bundestag endlich beschlossen. Die Opposition meint: Sparen sieht anders aus.

Ab dem 1. Februar erhöht die Stadt Wiesbaden die Kurtaxe auf den Rekordwert von fünf Euro erhöht. Auch Geschäftsreisende müssen zahlen. Nun schlagen Hoteliers und Gastronomen Alarm.

Der Hamburger Musikclub Molotow kann vorerst bis Ende 2024 an seinem aktuellen Standort weiterbetrieben werden. Eigentlich soll anstelle des Musikclubs ein Hotel entstehen. Mehr als tausend Menschen hatten Ende letzten Jahres gegen die Pläne demonstriert.

Was bislang schon für unverpacktes Rindfleisch sowie verpacktes Fleisch aller Tierarten galt, ist jetzt auch generell für unverpacktes Fleisch vorgeschrieben. Noch gilt die Regelung nicht für die Gastronomie. Der DEHOGA setzt auf freiwillige Lösungen.

In rund 80 Städten kommen am Freitag erhebliche Einschränkungen auf Fahrgäste zu: Busse, U- und Straßenbahnen sollen an dem Tag dort meist ganztägig im Depot bleiben. Die Gewerkschaft Verdi erhöht den Druck im Tarifstreit. Nur Bayern ist nicht betroffen.

Das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium unterstützt Restaurants, Campingplätze und Hotels beim Ausbau oder der Erweiterung ihres touristischen Angebots. Rund acht Millionen Euro stehen im Haushaltsjahr 2024 bereit. Derr Dehoga freut sich über diese Entwicklung.

Die Bundesregierung diskutiert erneut die Einführung einer Tierwohlabgabe. Ein sogenannter „Tierwohlcent“ löse nicht die Probleme, sagt jetzt der DEHOGA Bundesverband. Originäre Aufgabe der Politik wäre es jetzt, die Rahmenbedingungen für den Mittelstand zu verbessern.

Seit Jahresbeginn wird für Speisen in Gaststätten wieder eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent erhoben. Alle Bestrebungen des Tourismuslandes MV, dauerhaft 7 Prozent festzuschreiben, waren erfolglos. Doch die rot-rote Koalition gibt nicht auf.

Mit einem in diesem Jahr mit bis zu rund acht Millionen ausgestatteten Programm will die rheinland-pfälzische Landesregierung Betreibern von Restaurants, Hotels und Campingplätzen unter die Arme greifen. Es solle beim Ausbau touristischer Angebote unterstützen, teilte das Wirtschaftsministerium mit.

 

Mecklenburg-Vorpommern hält an seiner Forderung fest, den Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie dauerhaft von 19 auf 7 Prozent zu senken. Bei einer Debatte im Landtag kam es zuvor zu gegenseitigen Schuldzuweisungen.