Scharfe Kritik und ein wenig Lob für strengen Oster-Lockdown

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Gut 11 Stunden haben Vertreter von Bund und Ländern miteinander verhandelt, um der dritten Welle der Corona-Pandemie Einhalt zu gebieten. Das Ergebnis stundenlanger Gespräche ist seit den Morgenstunden Stoff für Diskussionen. So sprach beispielsweise die Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion im Bundestag, Alice Weidel (AfD), in Zusammenhang mit den Maßnahmen und Beschlüssen von «Willkür», «Kopflosigkeit» und «Unsinnigkeit». FDP-Chef Christian Lindner nannte die Ergebnisse gegenüber dem Radiosender WDR 5 eine «erschütternde Konzeptlosigkeit».

Nach Einschätzung der Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sind die erneuten Verschärfungen das Ergebnis von Versäumnissen von Bund und Ländern. «Schnelltests dürfen nicht nur in der Theorie verfügbar sein, sondern müssen in den Schulen tatsächlich ankommen», forderte sie im Gespräch mit der «Funke Mediengruppe». Auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch ist überzeugt, dass die angekündigten Maßnahmen vermeidbar gewesen wären. Im Interview mit der «Welt» sagte er, die Beschlüsse seien ein Ergebnis des Versagens sowohl beim Impfen als auch beim Testen.

Laut Beschluss von Bund und Ländern soll von Gründonnerstag bis Ostermontag (1. bis 5. April) deutschlandweit das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben weitgehend heruntergefahren werden. Nur am Karsamstag (3. April) soll den Angaben zufolge der Lebensmittelhandel geöffnet bleiben. Zudem wurde der allgemeine Lockdown bis Mitte April verlängert. Der seit mehr als drei Monaten geltende harte Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wird insgesamt um drei Wochen bis zum 18. April verlängert. Am 12. April soll darüber beraten werden, wie es danach weitergeht.

«Es wäre aber fatal, auf der Schlussgeraden bis zu einer ausreichenden Immunisierung zuzulassen, dass die Pandemie noch aus dem Ruder läuft», verteidigte der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans den Beschluss im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Für die Zeit nach Ostern stellte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) deutlich mehr Schnelltests und mehr Impfdosen auch für die Hausärzte in Aussicht. «Mitte Mai und im Juni werden wir eine hohe Geschwindigkeit beim Impfen haben, deshalb ist ja unser Ziel, im Sommer soll jeder sein Impfangebot gehabt haben, und dann können wir zur Normalität zurückkehren», sagte er dem Radiosender Bayern 2.

«Wir haben sehr deutlich gesagt, dass wir auch die Auslandsurlaube nicht billigen werden», sagte Braun. Für Reisende aus Risikogebieten solle deshalb auch weiter eine Quarantänepflicht gelten. Das könne auch Mallorca wieder treffen, wenn dort die Inzidenzen erneut steigen würden.

Für offene Schulen und Kitas trotz steigender Infektionszahlen plädierte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nach den Verhandlungen. «Schule und Kita ist herausragend wichtig, weil wir wissen, dass gerade die Kinder nicht nur am stärksten unter der Krise leiden, sondern auch die größten Spätfolgen zu befürchten haben», sagte Woidke im ZDF-«Morgenmagazin». Der Plan sei, dass im April «möglichst oft, möglichst schnell» getestet wird und Lehrerinnen und Lehrer zügig geimpft werden.

Über den besonders scharfen Lockdown über Ostern sagte Woidke, dass es noch Klärungsbedarf gebe. «Dann treffen sich heute noch mal die Chefs der Staatskanzleien und eventuell noch mal die Ministerpräsidenten heute Abend, um das Ganze noch mal auszudefinieren». Im Beschluss sind der Gründonnerstag und Karsamstag als Ruhetage definiert und mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen verbunden.

Weitestgehend Lob gab es wiederum von einigen Wissenschaftlern und Medizinern für die Ergebnisse der Beratungen zwischen Bund und Ländern. «Die Politik hat erkannt, dass wir in einer schwierigen Phase der Pandemie sind und die Impferfolge nicht gefährden dürfen», erklärte der Präsident der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx. Auch der Epidemiologe Dirk Brockmann vom Robert Koch-Institut (RKI) hält die Verschärfung der Corona-Maßnahmen über Ostern für sinnvoll. «Das könnte nach meiner Ansicht einen sehr positiven Effekt haben, weil eine ganze Reihe von Tagen dann quasi Ruhetage sind, also Sonntage», sagte er im Deutschlandfunk.

Aus Sicht des Mobilitätsforschers Kai Nagel von der TU Berlin sind im Kampf gegen das Coronavirus vor allem ungeschützte Kontakte in Innenräumen ein Problem. Dass diese vermieden werden sollten, komme im Beschluss von Bund und Ländern seiner Einschätzung nach zu kurz. Auch seien Zwangsmaßnahmen im Sinne der Infektionsbekämpfung effektiver als auf die persönliche Verantwortung der Bevölkerung und der Unternehmen zu setzen, wie es die Politik macht. «Wir haben aber Verständnis dafür, dass Zwang vermieden wurde», so Nagel.

Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Dienstag haben die Gesundheitsämter in Deutschland binnen eines Tages 7485 Neuinfektionen gemeldet, rund 2000 mehr als vor einer Woche. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 250 neue Todesfälle verzeichnet, auch das waren nun mehr als vor einer Woche, nämlich ein Plus von 12. Der Inzidenzwert der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner stieg weiter und lag laut RKI am Dienstagmorgen bundesweit bei 108,1 - etwas höher als am Vortag (107,3). (dpa)


 

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