Overtourism in Spanien: Initiativen gegen Gedränge und hohe Preise

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Antonio Pérez lebt mittendrin. Im angesagten Viertel Malasaña in der spanischen Hauptstadt Madrid gibt der 47-jährige das Digitalmagazin «Somos Malasaña» heraus. Die Freude über seinen attraktiven Arbeitsplatz ist an manchen Tagen allerdings deutlich getrübt. «Für viele ist Madrid nichts weiter als ein thematischer Vergnügungspark», sagt der Journalist.

Als Einheimischer bekommt er die negativen Seiten des Massentourismus zu spüren. «In manche Straßen wie die Corredera de San Pablo und die Fuencarral gehe ich gar nicht mehr», sagt er resigniert. Der Grund: Wegen der Besucher, die sich dort oftmals stauen, kommt man zu manchen Zeiten kaum mehr durch. Auch für Touristen trübt sich angesichts der Menschenmassen das Shopping-Vergnügen ein.

Identität der Orte geht verloren

Billigflieger und bezahlbare Privatunterkünfte haben dazu beigetragen, dass attraktive Orte von Besuchern förmlich überrannt werden. Einwohner wie Pérez sehen das inzwischen eher kritisch. Für den Journalisten bedeutet der Besucher-Boom «den Verlust der Identität». Alte Nachbarn ziehen weg, die Mieten steigen. Das Viertel verwandele sich rasant. Sogenannten «Degustations-Bars» gaukelten Authentizität vor, seien aber im Grunde nur künstliches Gastro-Theater.

Pérez beobachtet auch, wie sich mehr Anwohner organisieren. Mit Slogans wie «Unsere Wohnungen sind keine Hotels» macht die Nachbarschaftsvereinigung der Kernviertel Sol und Letras Front gegen touristische Vermietungen. Und in Pérez' Viertel heißt eine neuere Initiative «SOS Malasaña». Deren Appelle richten sich an Öffentlichkeit und Politik: «Die Plätze sind keine Kneipen, die Straßen keine Mülleimer, die Ecken keine Toiletten!»

Dass die eigene Attraktivität auch zum Verhängnis werden kann, erleben europaweit Städte wie Amsterdam, Venedig oder Dubrovnik. Auch Spanien zieht immer mehr Besucher aus dem Ausland an. Allein 2018 kamen 82,6 Millionen Menschen. Für Reisende kann das bedeuten: Sie müssen an den Sehenswürdigkeiten Schlange stehen und in manchen Bars oder Restaurants mit mittelmäßiger Kost leben.

Das überflutete Topziel Barcelona

Besonders anziehend auf Gäste wirkt Barcelona. Der Kreuzfahrthafen sorgt für Zusatzschübe an Besuchern. Daniel Pardo, hauptberuflich Kinovorführer und nebenher ein Sprecher der «Versammlung der Stadtviertel für einen Nachhaltigen Tourismus» (Assemblea de Barris per un Turisme Sostenible), brandmarkt «die Überlastung des öffentlichen Raums». Sich ruhig auf einem Platz oder Bänkchen niederzulassen, sei mitunter ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Davon sind auch die Urlauber selber betroffen.

Ihm geht es «um die Ausbeutung der Stadt und ihrer Bevölkerung durch die wirtschaftlichen Kräfte». Genau die will er finanziell stärker in die Verantwortung gezogen sehen, indem sie sich an den Kosten «für die Reinigung, die Sicherheit, den öffentlichen Nahverkehr» beteiligen und im Tourismus «gerechte Gehälter» bezahlen. Die «hohe Rentabilität» in diesem Business müsse «reduziert werden», so Pardo.

Eine Mitschuld gibt er auch den Tourismusbehörden, die Barcelona umfassend promoten. Dann versucht er, eher in einem Akt der Verzweiflung, Touristen vom Besuch abzuhalten: «Es ist keine gute Idee, nach Barcelona zu kommen», sagt der 42-Jährige. «Ihr werdet eine komplett überfüllte Stadt vorfinden. Die touristische Erfahrung in Barcelona ist komplett banal.»

Auch wenn viele das anders sehen: Gerade Barcelona ist für Besucher nicht immer preiswert. Die Preise haben kräftig angezogen. Allein für Besichtigungen mancher Bauten des Architekten Antoni Gaudí werden 25 Euro Eintritt pro Person fällig.

Auswüchse auch in kleineren Städten

Erfasst von unkontrollierten Touristenströmen werden inzwischen aber auch kleinere Städte. Das nordspanische Pamplona am Jakobsweg verzeichnet derzeit einen Anstieg deutscher Touristen. Führerin Cristina Doria ist es «manchmal fast unangenehm», wenn sie mit Fünfzigergruppen durch die Altstadtgassen zieht. Denn sie ist gleichzeitig Anwohnerin und weiß: «Soviel Platz gibt's da nicht.»

Im katalanischen Girona kennt Führer Quim Puerto das Gedränge zur Genüge. Einen Ansatz beim Ausweg aus dem Dilemma sieht Puerto in der Begrenzung von Gruppengrößen «auf 20, maximal 25 Personen.» Ihm ist allerdings klar, dass dies die Agenturen oder Veranstalter nicht wollen: Dann müssten sie bei Großgruppen zwei Guides unter Vertrag nehmen. Das hebt den Reisepreis an.

Eine lokale Maßnahme in Girona hat bereits gegriffen: die Verbannung von Touristenbussen aus dem Einzugsbereich der Altstadt. In normalem Tempo müssen Besucher nun fünfzehn Gehminuten vom nächsten Busparkplatz einplanen, bis sie dort sind.

Ob dieses Modell das richtige ist? Puerto gibt zu bedenken, dass auch ältere, weniger mobile Gäste gerne Girona besuchen. Zuletzt musste er zwei schwer übergewichtige Gäste mit seinem Privatauto näher an die City bringen. Von Andreas Drouve, dpa


 

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