Die Tourismusbranche hat infolge der Corona-Pandemie wahrscheinlich Umsatzausfälle in Milliardenhöhe erlitten. Dies geht aus dem sogenannten Tourismusbarometer hervor, das der Sparkassen- und der Tourismusverband am Donnerstag in Kiel vorstellten. Demzufolge betrugen die Einbußen allein in den Monaten März und April etwa 880 Millionen Euro. Davon entfielen 510 Millionen Euro auf den Übernachtungstourismus und 370 Millionen auf den Tagestourismus. Mitte März war der Tourismus wegen der Pandemie faktisch zum Erliegen gekommen.
Dennoch steuere die Branche im Norden besser durch die Corona-Krise als andere Bundesländer und könne mit einem «blauen Auge» davonkommen, sagte Marktforschungsexperte Karsten Heinsohn vom wirtschaftswissenschaftlichen Fremdenverkehrsinstitut dwif. Bis August habe das Minus etwa 20 Prozent betragen, bis zum Jahresende könnten es 10 bis 15 Prozent sein.
Minister Bernd Buchholz hob das große Gewicht des Tourismus mit seinen gut 160 000 Beschäftigten als Wirtschaftsfaktor im Land hervor: Mit einer Wertschöpfung von rund 5 Milliarden Euro bei einem Bruttoumsatz von 9,7 Milliarden trage der Sektor 5 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Dessen Rückgang im ersten Halbjahr um 3,8 Prozent sei der geringste aller Bundesländer gewesen, sagte der FDP-Politiker. Dazu habe auch der Tourismus schon im ersten Halbjahr beigetragen.
Dessen Wiederanfahren im Mai sei gerade zur rechten Zeit gekommen, sagte dwif-Experte Heinsohn. An Nord- und Ostsee sei im Hochsommer schon fast wieder das Vorjahresniveau erreicht worden. Auch für den August sei mit positiven Zahlen zu rechnen. Die Vorbuchungen deuteten für Herbst und Winter ebenfalls auf eine gute Auslastung hin. Die Branche habe im übrigen Preissteigerungen von zehn Prozent am Markt durchsetzen können, sagte Heinsohn. Dies helfe den Betrieben, Verluste abzufedern und Investitionen zu tätigen.
In den ersten sieben Monaten war die Zahl der Übernachtungsgäste im Norden im Vorjahresvergleich um 36,2 Prozent auf gut 3,3 Millionen gesunken. Bei den Übernachtungen gab es einen Rückgang um 28,4 Prozent auf 14,7 Millionen. Diese Angaben des Statistikamtes Nord erfassen nur Beherbergungsbetriebe mit mindestens zehn Betten.
Für die nächsten Monate schloss Buchholz speziell im Blick auf Landgasthöfe - ihnen fehlen viele Einnahmen aus für sie oft existenziellen Familienfeiern - eine Insolvenzwelle nicht aus. Der Tourismus werde eine stattliche Zahl von Insolvenzen verkraften müssen, sagte auch Sparkassenverbandspräsident Reinhard Boll. Hier sei es auch nicht gut, künstlich etwas hinauszuzögern. Die Sparkassen bemühten sich, als Finanzierungspartner weiterhin zur Verfügung zu stehen. «Man kann aber nicht aufrechterhalten, was auf Sicht nicht überlebensfähig ist.» Dies sei ein starker Satz, aber leider die Wahrheit, sagte Boll.
Buchholz forderte die Betriebe auf, in den Bemühungen um eine hohe Qualität nicht nachzulassen. «Der Gast ist kritisch», sagte er. Qualität sei das Zauberwort für die Branche. Die neue Regelung, wonach sich Urlauber aus Risikogebieten «freitesten» können, sei weit praktikabler als die alte mit grundsätzlicher Quarantänepflicht von 14 Tagen. Damit könnten die Beherbergungsbetriebe auch umgehen. Die Menschen müssten das Gefühl haben, im Land sicher Urlaub machen zu können. Buchholz appellierte angesichts der gestiegenen Neuinfektionen an die Urlauber, die Corona-Regeln samt Kontaktangaben in Gaststätten strikt einzuhalten. «Wir sind super durch den Sommer gekommen», sagte er. Es habe bisher keine Corona-Ausbrüche in Tourismuszentren gegeben. Aber Schleswig-Holstein wolle auch am Ende des Jahres sagen können, dass es besser durch die Pandemie gekommen ist als andere Länder. (dpa)