Weingebiete in Südafrika: «Wir müssen uns beschäftigt halten»

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Gesäumt von Weingütern führt die Landstraße R45 von Kapstadt kommend ostwärts nach Franschhoek. Es ist ein frischer Februarmorgen im südafrikanischen Sommer. Die Weinbauer nutzen die kühlen Temperaturen in der Frühe, um die Ernte einzubringen.

Der Sauvignon Blanc kam bereits zu Monatsbeginn von den Rebstöcken, nun folgen Chardonnay, Merlot und Grenache. In normalen Jahren lockt die Weinlese Besucher aus aller Welt nach Franschhoek. Nahezu alles in dem kleinen Städtchen gut 100 Kilometer landeinwärts vom Kap der Guten Hoffnung dreht sich um den Weintourismus.

Doch normal ist in Zeiten von Corona wenig. Die Besucher bleiben größtenteils aus. Und die gute Hoffnung hat Kratzer abbekommen.

Kulinarisch in Bewegung bleiben

«An einem Tag wie heute sollte der Laden hier eigentlich brummen, mit 250 Gästen», sagt Eric Bulpitt, Küchenchef des Restaurants Pierneef auf dem Weingut La Motte. Der Südafrikaner hat die Küchen der Welt gesehen, in Londoner Gourmet-Tempeln gekocht und im Kopenhagener Noma hospitiert. Nun sitzt er auf der Terrasse des eleganten Restaurants, in dessen Innerem nicht ein Tisch belegt ist. Exakt drei Paare haben es sich im Schatten der Bäume im weitläufigen Gartenbereich bei einem Glas Wein bequem gemacht. Fünf bis sechs Meter stehen die Tische hier auseinander. Die größte Gefahr droht von herabfallenden Eicheln.

Bulpitt serviert werktags nun Schlachtplatten statt der üblichen Gourmet-Menüs. Mehr lassen die Gästezahlen nicht zu. «Das generelle Gefühl ist eines der Ungewissheit», sagt er. «Die Situation dämpft die Stimmung, deine Kreativität kommt zum Stillstand, du kannst kein Geld für Experimente verschwenden, kein Geld für Essen ausgeben, denn es kommt ja keiner, dem du es servieren kannst.»

Doch unterkriegen lassen will der Gourmetkoch sich nicht, möchte «keine Schwarzmalerei betreiben, sondern den Fokus neu schärfen und positiv nach vorne sehen». Sein Angebot richtet sich nun verstärkt auf die Bedürfnisse der einheimischen Gäste. Das neue Menü soll mehr auf das zugeschnitten sein, was auf den Farmen der Umgebung wächst. Oder bestenfalls sogar im Gemüsegarten hinter dem Restaurant.

«Ich will die Geschichte südafrikanischer Gerichte erzählen, wie sie unsere Großmütter auf einer Farm in der Karoo zubereitet haben», sagt Eric Bulpitt. Bei dem Gedanken findet er seinen Enthusiasmus wieder und springt spontan vom Stuhl auf. «Komm, ich zeig dir meine Welt», sagt er und führt durch eine nahezu verwaiste Küche in eine kleine Speisekammer mit allerlei Köstlichkeiten: fermentierter schwarzer Knoblauch, selbstgemachter Kimchi, Erbsen-Miso. In der Reifekammer hängen hauseigene Schinken und Salamis.

«Ich habe eigentlich immer irgendein Projekt», sagt Bulpitt. «Es ist momentan eine traurige Zeit für die Branche, aber wir müssen uns einfach beschäftigt halten.»

Wenn der Stromzähler die Einnahmen auffrisst

Zwar dürfen die Restaurants in Franschhoek wieder öffnen und seit Anfang Februar auch wieder alkoholische Getränke ausschenken. Doch entlang der im Sommer sonst bestens besuchten Hauptstraße, die durch Franschhoek in die Berge führt, bleiben die meisten Stühle leer. Lichtblicke bieten Tagesbesucher aus Kapstadt an den Wochenenden.

So hält sich auch Archie Maclean, Küchenchef und Inhaber des neuen Restaurants Entrée an der Hauptstraße, über Wasser. Nachdem der Schotte infolge des ersten Lockdowns die Räumlichkeiten seines vorherigen Restaurants auf einer nahe gelegenen Weinfarm verloren hatte, wagte er mit dem Entrée einen neuen Versuch.

Von September bis Dezember lief der auch ganz gut an, dann kam die zweite Infektionswelle. Zusammen mit verschärften Restriktionen wie einer Ausgangssperre ab 21.00 Uhr führte diese zu neuerlichen Umsatzeinbrüchen. Das wenige Geld, das noch reinkam, sei direkt in den Stromzähler gegangen, erzählt Maclean.

Zum Mittag zaubert er ein fantastisches Erbsen-Trüffel-Rissotto und Rinderrippchen, ehe er sich zum Gespräch mit an den Tisch setzt. Er hat Zeit, nicht ein weiterer Gast ist im Restaurant. Doch der Vermieter sei verständnisvoll, da er weiß: «Wenn das hier weg ist und wir weg sind, dann kommt auch keiner mehr nach», sagt Maclean.

Die Krise hat die Region hart getroffen, insbesondere aufgrund der zeitweisen Alkoholverkaufsverbote in Südafrika. Vor allem Güter, die ihren Wein unter eigenem Label direkt verkaufen, mussten neue Vertriebswege finden. «Dass Touristen reinkommen, eine Weinprobe machen und dann Wein kaufen, das ist größtenteils weggefallen», sagt Jan van Huyssteen, Geschäftsführender Direktor bei Rickety Bridge.

Beholfen hat sich das Gut damit, frühzeitig möglichst viel eingelagerten Wein zu verkaufen, auch über Auktionsseiten, direkt über die eigene Website und mit Rabatten. Rickety Bridge ist damit alles andere als eine Ausnahme, allerorten werben Winzer dieser Tage mit teils deutlichen Preissenkungen. Es gilt, Platz zu schaffen für die nächste Ernte, die dieser Tage hereinkommt.

Der Duft frisch geernteter Trauben liegt in der Luft - und auch eine Prise Optimismus. «In etlichen unserer wichtigsten Reisemarktländer sind die Impfungen angelaufen und die Leute wollen sehr gerne wieder reisen», sagt van Huyssteen. «Licht am Ende des Tunnels.»

Ausflüge in die Natur statt Wein-Festivals

Hein Koegelenberg, Geschäftsführer vom Weingut La Motte, glaubt dennoch, dass sich in Zukunft vieles ändern wird. «Franschhoek ist seit jeher bekannt für guten Wein und gutes Essen, das haben wir immer vermarktet, mit Festivals und Übernachtungen», sagt er. Die Tage des «gemütlichen engen Zusammenseins im Restaurant» gehören seiner Meinung nach aber ebenso der Vergangenheit an wie die alte Normalität. Der Ausweg für den vom Tourismus geprägten Ort soll nun in Outdoor-Aktivitäten liegen. Eine Zipline und Wassersportangebote auf dem nahen Berg-River-Stausee seien bereits in Planung.

Schon jetzt führt auf La Motte ein fünf Kilometer langer Wanderweg durch die Weinberge hinauf in die Fynbos-Landschaft mit ihrer einzigartigen Flora. Einige endemische Pflanzen wachsen hier. Das Gebiet kann geführt oder auf eigene Faust erkundet werden.

Einst hätten im Talkessel Elefanten ihre Jungen großgezogen, erzählt Wander-Guide Jacques Johannisen. Die Dickhäuter sind lange verschwunden, doch noch immer leben Leoparden in der Bergwildnis. Die Großkatzen haben sich perfekt an den Lebensraum angepasst, bleiben am Kap wesentlich kleiner als im Rest Südafrikas und lassen sich nur höchst selten blicken. Stattdessen huschen Klippschliefer über die Felsen, kaninchengroße Pelztiere. Von einer Klippe aus überblickt ein großes Bärenpavianmännchen die Szenerie.

Auf dem Bergpass, der Franschhoek mit dem Hinterland verbindet, geben sich die Paviane weniger scheu. Vor tiefen Gebirgsschluchten stehen insbesondere die Jungtiere so bereitwillig Modell, dass es fast so aussieht, als sehnten sie sich ebenfalls nach Touristen.

Ausflug ins Elgin Valley

Über eine Brücke an der engsten Stelle des Theewaterskloof-Stausees, Kapstadts wichtigstem Trinkwasser-Reservoir, geht es weiter durch die Berge bis ins Elgin-Tal. Bis zur Jahrtausendwende war die Region vor allem ein Obstanbaugebiet. Mehr und mehr wurden seitdem aber auch Reben angepflanzt. Vor allem Chardonnay und Pinot Noir gedeihen in Südafrikas kühlstem Weinbaugebiet prächtig. Touristisch erschlossen ist die Region ebenfalls, aber wesentlich weniger stark auf internationale Gäste angewiesen als Franschhoek.

Fabio Turilli ist beim Weingut Oak Valley für Verkauf und Logistik von Wein zuständig. Über mangelnde Arbeit kann er sich nicht beklagen: Gerade erst hat er einem Kunden geholfen, einen üppigen Vorrat edler Tropfen im Kofferraum zu verpacken. Auf Gedeih und Verderb angewiesen ist Oak Valley darauf nicht: Die 1800 Hektar große Farm ist der größte Schnittblumenproduzent im Westkap, zudem wachsen auf 500 Hektar Äpfel und Birnen. Ein Vorteil in der Krise.

Mit einem Restaurant und einer Probierstube hat sich die Farm für Besucher geöffnet, die das weite Areal auch auf ausgewiesenen Mountainbike-Routen erkunden können. «Der Tourismus bringt Geld rein und hilft bei der Vermarktung des Weins», sagt Turilli. Die Idee: Aktive sollen sich auf den Pisten austoben, anschließend im Restaurant einkehren und schließlich mit einer Kiste Wein im Gepäck wieder nach Hause fahren. Der Plan geht momentan auf.

Trotzdem würde sich auf Oak Valley wohl niemand beschweren, wenn bald auch wieder mehr Urlauber aus anderen Ländern kommen könnten. (dpa)


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