Globalisierung, Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz: Auch wenn die langfristigen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nicht vollends absehbar sind, werden in den kommenden Jahren neue Jobs mit neuen Anforderungen entstehen. Deutsche Arbeitnehmer sind im globalen Vergleich jedoch zögerlicher bei Umschulungen, auch Reskilling genannt. Das zeigt die internationale Arbeitsmarktstudie Decoding Global Trends in Upskilling and Reskilling, für die die Online-Jobplattform StepStone, die Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) und das globale Jobbörsen-Netzwerk The Network 366.000 Menschen aus 197 Nationen befragt haben, davon mehr als 17.000 aus Deutschland.
„Ein Teil der Arbeitnehmer in Deutschland ist offen dafür, sich beruflich komplett neu zu orientieren – das ist ein gutes Zeichen“, sagt Rainer Strack, Senior Partner bei BCG. „Dass es aber nur 53 Prozent sind, ist alarmierend. Weltweit sind im Schnitt zwei Drittel bereit, neue Fähigkeiten für einen komplett anderen Job zu erlernen. Damit liegt Deutschland unter den letzten zehn Prozent der Länder.“ Allerdings gibt es in Deutschland teils große Unterschiede zwischen den einzelnen Berufsgruppen: So sind besonders Arbeitnehmer aus dem Dienstleistungssektor (62 Prozent) offen für einen neuen Job und einer damit verbundenen Umschulung. Zum Vergleich: Im Gesundheitssektor zeigt diese Bereitschaft nicht einmal jeder Zweite (45 Prozent). „Die Digitalisierung wird viele standardisierte Tätigkeiten ersetzen, schafft aber gleichzeitig neue, oft anspruchsvolle Jobprofile, deren Anforderungen sich stetig weiter verändern werden“, sagt StepStone-Geschäftsführer Dr. Sebastian Dettmers. „Der Bedarf an Fachkräften kann nicht allein durch die Rekrutierung von Spezialisten gedeckt werden. Dieser Veränderungsprozess wird nur gelingen, wenn Mitarbeiter bereit sind, Neues zu lernen und von Unternehmen darin aktiv unterstützt werden.“
Deutschlands Arbeitnehmer erwarten große Job-Veränderungen
Geht es um die aktuell absolvierten fachlichen Weiterbildungen, liegen die Deutschen deutlich hinter ihren globalen Kollegen. Während weltweit 65 Prozent regelmäßig Zeit in Weiterbildungen investieren, sind es in Deutschland gerade einmal 38 Prozent. „Lebenslanges Lernen ist für jeden Mitarbeiter, ob 20 oder 60 Jahre alt, zwingend notwendig“, konstatiert Rainer Strack. Dabei erwarten im internationalen Vergleich ausgerechnet die Deutschen angesichts der zunehmenden Globalisierung und Automatisierung große Veränderungen für ihren aktuellen Job. Während weltweit im Schnitt 49 Prozent aller Befragten durch die neuen Technologien große Veränderungen für ihren Job prognostizieren, sind es in Deutschland sogar 55 Prozent.
Damit gehören deutsche Arbeitnehmer zur Gruppe der „Zögernden“, also derjenigen, die große Auswirkungen erwarten, aber noch nicht viel tun, um sich darauf vorzubereiten. Daneben identifiziert die Studie „Beobachter“ (aktuell wenig Weiterbildung, aber auch geringe erwartete Auswirkungen der Megatrends), die „intrinsisch Lernenden“ (viel Weiterbildung, geringe Auswirkungen) und die „proaktiven Veränderer“ (viel Weiterbildung, große Auswirkungen), zu denen Länder wie Japan gehören.
Welche Fähigkeiten künftig gefragt sind
In einem Punkt sind sich alle Arbeitnehmer länderübergreifend einig: Um die Anforderungen der zunehmenden Globalisierung und Automatisierung erfolgreich meistern zu können, sind Kommunikationsfähigkeiten die wichtigsten Kompetenzen, die Fachkräfte künftig besitzen müssen. Nach Einschätzung der Deutschen werden sich diejenigen behaupten können, die zudem Problemlösungsfähigkeiten, Führungskompetenz und analytische Fähigkeiten besitzen.
„Wir sehen, dass deutsche Arbeitnehmer durchaus große Veränderungen erwarten, sich aktuell aber im internationalen Vergleich noch wenig darauf vorbereiten. Gleichzeitig erkennen wir eine vergleichsweise geringe Bereitschaft, sich zu verändern“, resümiert Rainer Strack die Studienergebnisse. Dr. Sebastian Dettmers sagt: „Genau in dieser Bereitschaft zum Re- und Upskilling liegt großes Potenzial, das es von Unternehmen und Politik zu fördern gilt. So kann die Weiterbildung zu einer wesentlichen Antwort auf den Fachkräftemangel werden.“