Ifo-Prognose: "Die Konjunktur ist gespalten"

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Das Ifo-Institut hat seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft wegen der anhaltenden Lieferengpässe in der Industrie deutlich gesenkt. In diesem Jahr dürfte die Wirtschaftsleistung nur um 2,5 Prozent zulegen - 0,8 Prozentpunkte weniger als noch im Juni vorhergesagt: «Die ursprünglich für den Sommer erwartete kräftige Erholung nach Corona verschiebt sich weiter», sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser am Mittwoch.

Obwohl die Auftragsbücher voll seien, «schrumpft die Produktion der Industrie als Folge von Lieferengpässen bei wichtigen Vorprodukten», sagte Wollmershäuser. Die weltweite Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern und elektronischen Artikeln habe viele Hersteller von Vorprodukten an ihre Kapazitätsgrenzen gebracht. Veränderte Warenströme stellten die globalen Lieferketten vor enorme Herausforderungen. Der Rückgang der Industrieproduktion dürfte sich bis Jahresende fortsetzen. Erst «nächstes Jahr ist dann mit einer kräftigen Erholung der Industrie zu rechnen».

2020 war die Wirtschaftsleistung Deutschlands um 4,9 Prozent zum Vorjahr eingebrochen. Tragende Säule der Erholung sei derzeit der private Konsum, sagte Wollmershäuser. Nach dem Wegfall vieler Corona-Beschränkungen liefen Handel und Dienstleistungen wieder besser. «Die Konjunktur ist gespalten.» Die Zahl der Arbeitslosen dürfte von 2,7 Millionen dieses Jahr auf 2,6 Millionen und nächstes Jahr auf 2,4 Millionen sinken. «Auch die Kurzarbeit wurde spürbar abgebaut und wird im kommenden Jahr ihr Vorkrisenniveau erreichen», sagten die Wirtschaftsforscher voraus.

Die Inflationsrate dürfte in diesem Jahr auf 3,0 Prozent steigen, für das kommende Jahr erwartet das Institut eine Teuerung von 2,3 Prozent. Derzeit stiegen die Preise für Energie, in der Gastronomie und in einigen Dienstleistungsbereichen. Sollten die Lieferengpässe andauern und höhere Preise für Vorprodukte auf die Verbraucherpreise überwälzt werden, könnte die Inflation auch etwas höher ausfallen. Das Staatsdefizit - die Neuverschuldung von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen - dürfte dieses Jahr 157 Milliarden Euro erreichen.

Für 2022 rechnen die Münchner Wirtschaftsforscher mit 5,1 Prozent Wirtschaftswachstum - sofern die nächste Bundesregierung die derzeit beschlossenen Wirtschafts- und Finanzpakete umsetze. Eine andere Steuer- und Abgabenlast hätte natürlich Einfluss auf die Konjunktur, sagte Wollmershäuser.

Für das laufende Jahr hatte das ifo-Institut im März noch 3,7 Prozent, im Juni noch 3,3 Prozent Zuwachs vorhergesagt. Auch andere Forschungsinstitute hatten ihre Prognosen jüngst gesenkt. Das RWI in Essen erwartet in diesem Jahr 3,5 Prozent Wachstum, das IWH in Halle 2,2 Prozent, das DIW in Berlin 2,1 Prozent. Eine gemeinsame Herbstprognose wollen die führenden Institute Mitte Oktober vorlegen.

Die Chefvolkswirte der privaten Banken in Deutschland sehen die deutsche Wirtschaft auf «Erholungskurs mit Stolpersteinen». Mit 3,3 Prozent Wachstum dürfte sie «bis Ende des Jahres ihr Vorkrisenniveau wieder erreichen», sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands BdB, Christan Ossig. Treiber sei neben dem belebten Welthandel vor allem der private Konsum. «Das Zwangssparen durch Corona scheint vorbei zu sein, die Nachholeffekte werden bis ins nächste Jahr hinein tragen.» Größte Risiken seien die Liefer- und Produktionsengpässe der Industrie sowie Corona. Damit die Wirtschaft nach der Wahl nicht an Fahrt verliere, brauche es rasch eine «Koalition mit der Kraft zum Aufbruch». (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Trotz Elternstolz: Gehören Kinder in den Lebenslauf? Manche Mütter und Väter befürchten Nachteile im Bewerbungsprozess. Wann sollte man rechtlich gesehen beim Arbeitgeber Kinder erwähnen?

Der Pro-Kopf-Verbrauch von Eiern in Deutschland hat 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Gleichzeitig ist auch der Konsum von Geflügelfleisch im Vergleich zu den Vorjahren merklich gestiegen. Diese Daten stehen im Kontext einer stabilen heimischen Produktion, die jedoch weiterhin durch die sich ausbreitende Geflügelpest beeinflusst wird.

Obwohl fast die Hälfte aller Erwerbstätigen in Deutschland Frauen sind, sind nur 29,1 Prozent der Führungspositionen weiblich besetzt. Warum hinkt Deutschland hinterher?

Verlangen Arbeitnehmende beim Ausscheiden aus dem Job ein Arbeitszeugnis, kann es sein, dass es heißt: «Schreiben Sie doch bitte selbst etwas!» Ist das erlaubt - und wie geht man vor?

Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im deutschen Gastgewerbe hat im August 2025 einen historischen Höchststand erreicht. Laut den jüngsten, von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Daten, sind nun 1.122.500 Menschen in diesem Sektor sozialversicherungspflichtig tätig.

Die Bundesregierung hat eine unbürokratische Verlängerung der Aufenthaltstitel für Geflüchtete aus der Ukraine beschlossen. Die entsprechende „Zweite Verordnung zur Änderung der Ukraine-Aufenthaltserlaubnis“ wurde am 27. Oktober 2025 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Die Zahl der jungen Menschen, die eine Ausbildung im Gastgewerbe anstreben, ist erneut gestiegen. Bis Ende September 2025 meldeten sich 3,5 Prozent mehr Bewerberinnen und Bewerber bei den Arbeitsagenturen als im Vorjahreszeitraum. Dies geht aus den kürzlich veröffentlichten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervor.

Der Mindestlohn steigt zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro und anschließend zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro. Der DEHOGA Bundesverband hat die daraus resultierenden Effekte, insbesondere auf die Arbeitsverhältnisse im Gastgewerbe, analysiert und bewertet.

Softwareplattformen und Finanzexperten schlagen Alarm: Die Nutzung Künstlicher Intelligenz hat zu einem signifikanten Anstieg ultrarealistischer, gefälschter Spesenbelege in Unternehmen geführt. Während Spesenbetrug kein neues Phänomen ist, ermöglichen es aktuelle KI-Modelle, täuschend echte Fälschungen ohne technische Vorkenntnisse zu erstellen.

Die neuesten Daten der Bundesagentur für Arbeit zum Oktober 2025 zeigen eine saisonale Entspannung der Arbeitslosenzahlen. Dennoch deuten die anhaltend schwache Beschäftigungsentwicklung und eine geringe Nachfrage nach neuem Personal auf eine fortgesetzte wirtschaftliche Zurückhaltung hin.