Nestlé-Allensbach-Studie: So geteilt is(s)t Deutschland

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Das Ernährungsverhalten der Menschen in Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert. Deutschland is(s)t immer geteilter. Viele sind hin- und hergerissen zwischen Anspruch und Alltagsstress. Männer essen anders als Frauen und zwischen den sozialen Schichten öffnet sich eine immer größere Schere. Diese und viele weitere Erkenntnisse stammen aus der Nestlé Studie „So is(st) Deutschland 2019“, die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach entstanden ist. Dafür wurden insgesamt 1.636 Bundesbürger zwischen 14 und 84 Jahren befragt. So entstand ein repräsentatives Bild der Ernährungspräferenzen in Deutschland.

Veränderungen zeigen sich in vielen Details. In deutschen Haushalten steht das Essen zum Beispiel immer seltener dampfend auf dem Tisch. Vor zehn Jahren legten noch 55 Prozent der Befragten Wert auf mindestens eine warme Mahlzeit am Tag. Heute sind es nur noch 45 Prozent. Ähnlich stark verliert der Mittag als wichtigste Mahlzeit des Tages. 2009 sagten noch 47 Prozent der Menschen in Deutschland, dass ihre Hauptmahlzeit mittags auf den Tisch kommt. Heute sind es nur noch 39 Prozent. Damit liegt das Mittagessen in der Bedeutung fast gleichauf mit dem Abendessen, das 38 Prozent erreicht.

Besonders spannend sind diese Zahlen im Vergleich zu einer Nestlé Studie, die vor zehn Jahren veröffentlicht wurde. Denn in vielen Bereichen driftet das Essverhalten der Menschen immer weiter auseinander.

 

 

Immer weniger Menschen kochen jeden Tag

Vor zehn Jahren aßen 54 Prozent der Befragten mittags zuhause. Und heute? Da sind es nur noch 42 Prozent. Insgesamt ist der Essensrhythmus nicht mehr so starr wie noch vor zehn Jahren. Achteten seiner Zeit noch 62 Prozent der Befragten auf feste Essenszeiten, sind es heute 52 Prozent. Gleichzeitig stieg die Zahl derer, die dann essen, wenn sie gerade Zeit oder Hunger haben von 24 auf 34 Prozent. Das macht sich auch in der Küche bemerkbar. Nur knapp die Hälfte der Bevölkerung (52 Prozent) kocht jeden Tag. 2009 waren das noch 62 Prozent.

Zerrissen zwischen hohen Ansprüchen und Alltagsstress

Gesund essen und trinken – aber mit möglichst wenig Aufwand. Das ist die Herausforderung, vor der die Menschen in Deutschland heute zunehmend stehen. Denn auf der einen Seite wachsen die Ansprüche an das Essen. Es soll gesund, frisch und von hoher Qualität sein. Auf der anderen Seite bleibt im Alltag immer weniger Zeit fürs Kochen und Genießen.

Der Wunsch, „sich gesund zu ernähren“, ist in den letzten zehn Jahren von 52 auf 55 Prozent gestiegen. Doch wie schafft man es, sich gesund zu ernähren? Für immer mehr Menschen lautet eine Antwort darauf, dass Essen frisch zubereitet wird. Ihr Anteil ist innerhalb von zehn Jahren um 13 Prozent gestiegen. Bei Müttern sind es sogar 33 Prozent mehr. Jeder Zweite in Deutschland kocht, „um zu wissen, was im Essen drin ist“. 2009 waren das noch 41 Prozent.

Doch wie passen diese Ansprüche mit einem Alltag zusammen, der von Zeitmangel und wenigen festen Strukturen geprägt ist? Statt in Ruhe zu Hause zu kochen und zu essen, ernähren sich die Menschen heute spontaner, impuls- und gelegenheitsgetriebener. Jeder Dritte sagt, dass er isst, wenn er gerade Zeit oder Hunger hat. Man entscheidet auch gerne spontan, was gegessen wird.

 

 

Immer mehr Menschen essen allein

Bei Mahlzeiten geht es häufig um mehr als die reine Nahrungsaufnahme. Sie sind wichtige soziale Momente, in denen sich die Menschen miteinander austauschen. 77 Prozent der Bevölkerung empfinden das gemeinsame Essen im Kreis der Familie deshalb auch als wichtig. Doch genau für diese gemeinsamen Momente bleibt im Alltag immer weniger Zeit.

Die Zahl derer, die wochentags gemeinsam mit anderen frühstücken oder zu Abend essen, ist in den letzten zehn Jahren um fünf Prozent zurückgegangen. Beim Mittagessen sind es minus neun Prozent. Die Konsequenz daraus? Montags bis freitags verbringt nur noch jeder Zweite sein Mittagessen in Gesellschaft und nur 39 Prozent der Befragten frühstücken gemeinsam mit anderen.

Die sozialen Schichten essen immer unterschiedlicher

Wohin man schaut, Ernährung ist ein Top-Thema. Ob in Magazinen, im TV oder bei Instagram: Es hat den Anschein, dass sich alle möglichst gesund ernähren wollen. Tatsächlich sagen 65 Prozent der Menschen in Deutschland, dass Ernährung für sie eine große oder sehr große Rolle spielt. Damit hat das Thema sogar leicht an Bedutung gewonnen. 2009 waren es 63 Prozent.

Zugleich zeigt die Nestlé Studie: Die Menschen aus höheren und die aus niedrigeren sozialen Schichten blicken zunehmend unterschiedlich auf das Thema Ernährung. In den höheren sozialen Schichten ist eine gute Ernährung in den letzten zehn Jahren wichtiger geworden. Der Wert stieg von 75 auf 81 Prozent. Bei den niedrigeren sozialen Schichten ist er allerdings gesunken: von 53 auf 49 Prozent. Damit haben sich die Schichten deutlich auseinanderentwickelt. Diese Entwicklung zeigt sich auch in der Ablehnung der öffentlichen Diskussion zum Thema Ernährung. In der Gesamtbevölkerung steigt der Wert derer die finden, dass generell „zu viel Wirbel“ um Ernährung gemacht wird, von 48 auf 52 Prozent. Bei den sozial schwächeren Schichten erhöhte sich dieser Wert in den letzten zehn Jahren überproportional stark von 54 auf 66 Prozent.

Und wie sieht die Situation bei Detailfragen wie der artgerechten Tierhaltung, der Regionalität, Saisonalität, den Bio- und Ökoprodukten oder dem fairen Handel aus? Auch bei diesen Themen liegen die Ansichten der Menschen aus höheren und niedrigeren sozialen Schichten weiter auseinander als noch 2009.

 

Frauen essen gesünder, Männer essen Fleisch

Frauen schnippeln Gemüse, Männer brutzeln Fleisch – mehr als ein Klischee. Denn nicht nur die sozialen Schichten ernähren sich unterschiedlich, sondern auch die Geschlechter. So sagen 72 Prozent der Frauen, dass gute Ernährung für sie eine wichtige Rolle spielt. Bei den Männern sind es nur 58 Prozent. Die unterschiedlichen Speisepläne bestätigen das.

Zum Beispiel gehören für 48 Prozent der Frauen Obst und Gemüse zur Ernährung einfach dazu. Aber nur jeder vierte Mann, also 27 Prozent, sieht das genauso. Männer sind dagegen Fleischesser. 57 Prozent genießen mindestens viermal pro Woche Mahlzeiten mit Fleisch. Bei den Frauen sind das nur 30 Prozent. Wo sich Männer und Frauen noch unterscheiden, lesen Sie hier.

Neben dem Geschlecht beeinflusst auch das Alter das Ernährungsverhalten. Das zeigt sich unter anderem an der Generation Z, den Jugendlichen die 2019 zwischen 14 und 19 Jahren alt sind. Sie essen insgesamt gerne und sind spontaner als der Rest der Gesellschaft. 51 Prozent der Jugendlichen haben zum Beispiel keine festen Essenszeiten. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung liegt dieser Wert bei 34 Prozent. Und was kommt bei den Jugendlichen auf den Teller? Eher Pasta statt Gemüse. 62 Prozent von ihnen orientieren sich stärker an dem, was sie mögen, als an dem, was gesund ist. In der Gesamtbevölkerung sagen das nur 39 Prozent.

Ernährung wird immer zielgerichteter – nur bei der Umsetzung hapert es

Einfach nur essen, um satt zu werden? Dem würden 90 Prozent der Menschen in Deutschland widersprechen. Denn fast alle möchten mit ihrer Ernährung auch übergeordnete Ziele erreichen. 60 Prozent wollen etwa fit und 57 Prozent gesund werden oder bleiben. 51 Prozent möchten mit dem, was sie essen und trinken, ihr Wohlbefinden steigern. 35 Prozent wollen sich selbst optimieren und 24 Prozent etwas für ihr Aussehen tun. Doch obwohl die Menschen bei der Gestaltung ihrer Ernährung ein genaues Ziel vor Augen haben, ist der Frust in der Bevölkerung groß. Denn 85 Prozent sind mit dem eigenen Ernährungsverhalten nicht rundum zufrieden. Damit sind genauso viele Menschen unzufrieden wie 2009 – und das, obwohl sich Angebot und Auswahl verbessert haben.

Doch was genau bemängeln die Unzufriedenen? Im Schnitt nehmen die Deutschen vier Ernährungsdefizite wahr. 33 Prozent erleben abendliche Heißhungerattacken, 31 Prozent wissen, dass sie zu wenig Obst und Gemüse essen und 28 Prozent ernähren sich ihrer Meinung nach zu fettig. Auch zu wenig Zeit zum Essen wird von 25 Prozent der Bevölkerung beklagt.

Dabei sind die Menschen überraschend selbstkritisch: Sie sehen die Verantwortung für die Mängel bei sich selbst. Die Details lesen Sie hier.

Das Restaurant als Flucht aus dem Alltag

Pizza beim Italiener nebenan oder zur Abwechslung mal asiatisch: Auswärts essen ist beliebt. Das hat viele Gründe, aber zwei fallen besonders ins Gewicht. Es sind die steigende Erwerbsquote der Frauen und die Suche nach sozialen Erlebnissen. Immer mehr Frauen arbeiten in Teil- oder Vollzeit. Entsprechend hat sich ihr Alltag verändert. Am Beispiel der Mütter lässt sich das gut ablesen. Für sie zählen in der Küche vor allem Schnelligkeit und Einfachheit. Zwei von drei Frauen mit Kindern versuchen, während der Woche möglichst wenig Zeit für das Kochen aufzuwenden. Das sind 18 Prozent mehr als 2009. Damals waren es 47 Prozent. Stattdessen geht es lieber in ein Restaurant. 59 Prozent der Frauen erklären, dass sie gerne auswärts essen, weil es „weniger Aufwand bedeutet und sie es genießen, sich um nichts kümmern zu müssen“. Ein Trend, der sich in der gesamten Bevölkerung wiederfindet. Essen außerhaus ist beliebt. Dabei geht es nicht einfach nur um das Essen an sich. Im Fokus steht Geselligkeit: Jeder Zweite geht gerne ins Restaurant, weil es eine gute Möglichkeit ist, sich mit anderen zu treffen. 42 Prozent wollen sich gut und entspannt unterhalten.

In Zukunft: Wunsch nach Erleichterung und Zeitersparnis

Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass sich die Ernährung konstant weiterentwickelt. Was wohl die Zukunft noch bringt? Ob Klimaschutz, individualisierte Lebensmittel, intelligente Kühlschränke – die Möglichkeiten sind zahlreich und spannend. Doch tatsächlich können sich nur wenige Menschen in Deutschland für die futuristischen Ideen begeistern.

Die Nestlé Studie fand heraus, dass gerade mal fünf Prozent Insekten als Fleischersatz akzeptieren würden. Und nur wenige Menschen möchten Lebensmittel im Internet bestellen. Aber ein Küchenroboter, der einem die Arbeit abnimmt, kann doch sicher überzeugen, oder? Eher nicht. Gerade einmal jeder Fünfte würde sich darüber freuen. Genauso sieht es bei einer automatischen Erfassung des Einkaufs an der Kasse und bei intelligenten Kühlschränken aus. Aber es gibt auch Innovationen, die ankommen Neun Prozent wünschen sich Nahrungsmittel, die individuell auf das eigene Genom abgestimmt sind. Und 15 Prozent können sich für Nahrungsmittel begeistern, die die geistige Leistungsfähigkeit steigern. Darüber hinaus wären intelligente Verpackungen für 43 Prozent der Bevölkerung der Renner. Was bedeutet hier intelligent? Die Verpackungen könnten Auskunft über den Zustand und die Frische des Lebensmittels geben – und so den Einkauf erleichtern. Außerdem gefragt: im Supermarkt Zeit sparen zu können. Das ist den Menschen wichtiger als die Weiterentwicklung des Nahrungsmittels an sich.


 

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