Bar zu Hause, Lieferdienste, Büro im Hotel - Wie Gastronomen ums Überleben kämpfen und helfen

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Keine Urlaubsreise, kein Kneipenabend, kein Restaurantbesuch - die neuen Regeln zur Eindämmung des Coronavirus lähmen das öffentliche Leben. Das macht vor allem den Unternehmen und Mitarbeitern der Gastronomie zu schaffen. Wie kann eine Branche, die so aufs Zusammensein angewiesen ist, derzeit überleben?

RESTAURANTS

Für Restaurants bleibt inzwischen nur noch das Außer-Haus-Geschäft: Am Sonntag haben Bund und Länder beschlossen, dass Restaurants und Cafés bundesweit ganztägig schließen müssen. Viele Betriebe halten einen Teil des Kerngeschäfts aufrecht, indem sie Gerichte nach Hause liefern oder auf Bestellung abholen lassen.

Die Folgen der Schließungen seien «verheerend», warnt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Existenzen seien mehr als akut gefährdet, Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Die Politik müsse nun schnell, umfassend und zielgerichtet helfen.

Die Betriebe seien zurückgeworfen auf das reine Außer-Haus-Geschäft, sagt auch der niedersächsische Dehoga-Chef Rainer Balke. «Das kann aber natürlich in der Regel nicht in größerem Umfang Ersatz leisten.» Für viele Betriebe sei es schon schwierig gewesen, zuletzt nur noch von 6.00 bis 18.00 Uhr öffnen zu dürfen.

Deshalb müssen nach Ansicht der Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges schnell und unbürokratisch Hilfen fließen. «Selbst gut aufgestellte Firmen sagen, dass sie das vielleicht zwei Monate durchhalten, länger nicht», sagte sie der dpa. Die meisten Betriebe hätten so gut wie keine Reserven.

Das Bundeskabinett hat am Montag umfassende Gesetzespakete auf den Weg gebracht, um die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzufedern. So soll es direkte Zuschüsse für kleine Firmen geben. «Zwei Drittel der Betriebe in unserer Branche haben weniger als 10 Beschäftigte. Es muss zu so wenig Bürokratie kommen wie möglich», sagte Hartges. Da es den Anschein hat, dass viele Unternehmer der Branche aber durch das Raster des Schirmes fallen, fordern Deutschlands Restaurants und Hotels ein Corona-Nothilfeprogramm für das Gastgewerbe. Die bislang von der Bundesregierung vorgesehenen Rettungsmaßnahmen würden den Besonderheiten im mittelständisch geprägten Gastgewerbe nicht hinreichend Rechnung, warnen die Verbände. (Tageskarte berichtete). 

HOTELS

Selbst einige Hotels richten sich in der Krise an die, die eigentlich daheim bleiben müssen. «Wenn es Ihnen zu Hause zu eng wird» - so warb etwa am Wochenende ein Hotel in Bayern um Menschen, die im Home Office arbeiten müssen und zu Hause nicht die nötige Ruhe oder den Platz finden. Auch andernorts boten Hotels Zimmer für die Arbeit im Home Office an. Denn Hotels dürfen nur noch für notwendige Übernachtungen öffnen, nicht mehr für touristische.

Dirk Iserlohe, Eigentümer der Hotelgruppe Dorint, schrieb am Montag einen offenen Brief an unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, der dpa vorliegt. Darin warnt er, die aktuelle Krise stehe für die Hotellerie in keinem Vergleich zu vorigen Krisen, etwa dem 11. September 2001, der Sars-Epidemie 2002/2003 oder der Finanzkrise 2008. Anhand seiner Hotelgruppe rechnet er vor: «Damals lag der negative Einfluss auf die Hotel-Industrie in einem Belegungsrückgang von circa 25 Prozent bezogen auf die jeweils relevante Periode. Heute liegt die negative Wirkung bei fast 100 Prozent des geplanten Umsatzvolumens.»

In dem Brief kritisiert Iserlohe die Hilfsmaßnahmen von Bund und Ländern als nicht weitgehend genug. Teil des jüngsten Hilfspakets ist ein Kündigungsausschluss für Gewerbemieter. Vermieter sollen ihnen nicht mehr kündigen dürfen, wenn sie wegen der Corona-Krise ihre Miete nicht zahlen können. Der bloße «Kündigungsausschluss wird zu einer Insolvenzwelle der Hoteliers und Gastronomen führen», fürchtet Iserlohe. Mieter und Vermieter sollten sich aus seiner Sicht vielmehr den Pachtzins teilen.

In einer gemeinsamen Initiative setzen sich Unternehmerverbände und die Immobilienwirtschaft für einen fairen Ausgleich bei den Gewerbemieten ein. Mieter und Vermieter sollten an einen Tisch gebracht werden, um «über eine befristete Anpassung der Mietverträge zu sprechen», heißt es in einem gemeinsamen Appell der beteiligten Dachorganisationen, wie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag und dem Zentralen Immobilienausschuss. Der Dialog solle Lösungen zum dauerhaften Erhalt der Mietverhältnisse bringen.

Auch muss laut Iserlohe das Insolvenzrecht noch stärker gelockert werden als nun vom Kabinett beschlossen. Denn gerade in der Hotellerie ist aus seiner Sicht die Krise nicht im Herbst vorüber. «Bis die Menschen wieder tagen, reisen, Messen besuchen oder touristische Aufenthalte planen, wird eine lange Zeit vergehen. Das Jahr 2020 kann für die Touristik-Industrie nur als massives Verlustjahr verbucht werden.»

Auch Alexander Winter, Geschäftsführer der arcona Hotels & Resort, prangerte am Montag in der Ostseezeitung an, dass die Anträge für Soforthilfe bei der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern erst ab dem 1. April heruntergeladen werden könnten „und bis die Anträge dann bewilligt sind und das Geld fließt, haben wir Mitte April und viele kleine Unternehmen sind weg“, sagte der Hotelier, der sechs Ferienhotels in Deutschland betreibt. Deshalb unterzeichnete Winter nun den Brandbrief eines Rostocker Anwalts, der mehrere kleinere und mittelständische Unternehmen vertritt. Zudem sei der Bürokratie-Aufwand, die Anträge auch auf Darlehen wie bei der KfW zu stellen, enorm hoch und für viele kleine Unternehmen nur schwer zu leisten.

Anlässlich der Umstände auch im Krankenhausbereich und die stetig steigenden Zahlen an Corona-Infizierten, führen die Betreiber der Gorgeous Smiling Hotels GmbH derzeit Gespräche, vereinzelte Hotels zu provisorischen Stationen um zu funktionieren. 

„Die Krankenhäuser sollen genug Kapazitäten für Intensivpatienten bereithalten können, und wir als Hoteliers möchten gerne unseren Beitrag leisten und Betten für leichtere Fälle zur Verfügung stellen. Es ist wichtig in solch´ einer Zeit, zusammen zu halten und zu helfen. Eine Entlastung der Krankenhäuser wäre dann wenigstens gewährleistet“, so Heiko Grote, Geschäftsführer der Gorgeous Smiling Hotels.

BARS

Bars und Kneipen sind zum Teil bereits länger geschlossen als Restaurants. Selbst für sie sei das Außer-Haus-Geschäft die Maßnahme der Stunde, sagt Nils Wrage, Chefredakteur des Fachmagazins «Mixology». Es gebe keine Möglichkeit mehr, die Bar als Raum zu betreiben. Deshalb verschicken oder bringen einige Betreiber fertig gemixte Cocktails in Flaschen und Tüten zum Gast nach Hause. «Aber das ist nur ein kleines Kompensationsgeschäft.» Häufig deckten die Einnahmen daraus nicht einmal die Fixkosten.

Dazu kämen rechtliche Einschränkungen: Wer liefere, müsse besondere lebensmittelrechtliche Auflagen erfüllen. Und wer eine Betriebsschließungsversicherung in Anspruch nehme, dürfe keinen Umsatz erwirtschaften.

Für die festen Ausgaben seien bei den Bars die Miet- und Pachtkosten entscheidend. Und die sind gerade in den Metropolen hoch: «Vor allem die jüngeren Bars haben die taufrischen hohen Mieten. Die kleinen, jungen Betriebe wird es jetzt sehr schnell treffen.» In der Branche sprächen viele eher von Wochen als von Monaten, bis sie Insolvenz anmelden müssten.

Beispiele für Restaurants, die helfen.

Max Strohe und Ilona Scholl vom Berliner Sternerestaurant tulus lotrek haben die Aktion „Kochen für Helden“ gestartet. Die Gastgeber aus Kreuzberg räumen ihre Lage und Kühlhäuser leer und kochen kostenfrei für Ärzte und Pfleger, für Supermarktangestellte und Feuerwehrmänner. Inzwischen beteiligen sich auch Lieferanten und prominente Gastronomen in anderen Städten. Eine Crowdfunding-Kampagne läuft.

Köche aus Berlin, Hamburg, Wernigerode, Mainz und Freiburg folgen seinem Vorbild und kochen ebenso für Menschen in Funktionsberufen. Inzwischen ist eine Internetseite freigeschaltet, die die teilnehmenden Restaurants auflistet. Promiente Unterstützung kommt aus Hamburg. Dort nimmt das Team von die Bullerei von Tim Mälzer an der Aktion teil, genau, wie das Horvath in der Hauptstadt.

Beispiele für prominente Restaurants mit Liederdiensten

Viele Restaurants haben frühzeitig auf das Lieferdienste und Abholservices umgestellt und dürfen dies auch weiterhin tun. Andere bieten jetzt Verpflegung für Wanderer in der Region an. Aktion, die die Kreativität der Branche zeigen, aber nicht im Ansatz den Umsatzverlust

Tobias Bätz im Zwei-Sterne-Restaurant von Alexander Herrmann, ist auf Rouladen umgestiegen und freut sich über die große Anzahl an Vorbestellungen.

Im Spielweg in Münstertal kommt nichts in die Tüte. Hier werden Weck-Gläser genutzt, um das neue To-Go-Programm auszuliefern.

Auch der Dachgarten von Engelhorn in Mannheim ist aufgrund der aktuellen Lage von der bundesweiten Schließung aller Gastronomiebetriebe betroffen. „Wir haben uns im Team zusammengesetzt und gemeinsam überlegt, wie wir unser Angebot auf die neue Situation anpassen könnten. Wenn unsere Gäste nicht in den Dachgarten kommen können, dann bringen wir den Dachgarten eben zu ihnen“, so Tristan Brandt, Geschäftsführer der Engelhorn Gastro GmbH. „Herausgekommen ist ein kulinarischer Abhol- und Lieferservice, der unsere Gäste ab sofort mit gesunden und ausgewogenen Speisen sowie vielem mehr versorgt.

Tranchier-Challenge: Damit seine Mitarbeiter aus dem Service in Übung bleiben hat sich Schauenstein-Sommelier Marco Franzelin für seine Azubis eine besondere Aufgabe. Ein kompletter Obsalat soll mit Besteck zubereitet werden.

Auch das Nobelhart & Schmutzig in Berlin liefert in der Krise Essen nach Hause. Unter dem Motto „Nobelhart & Daheim“ kommt das Restaurant zu den Gästen. Die Speisen sind soweit vorbereitet, dass nur noch ein Herd und ein paar Töpfe benötigt werden, wie das Restaurant auf der eigenen Webseite schreibt.

Ebenfalls in der Hauptstadt bietet auch das Restaurant „ernst“ einen Lieferservice sowie Abholung an. Angeboten werden unterschiedliche Boxen, die laut der Webseite jedoch bereits ausverkauft sind. Interessierte können sich aber auf einer Warteliste eintragen.  

In Dortmund setzt zum Beispiel Schürmanns Hafenkantine auf den Fensterverkauf. Die Speisen können entweder über den Fensterverkauf der einzelnen Standorte erworben oder alternativ über die Website bestellt werden. Eine Lieferung bis an die Haustür wird ebenfalls angeboten. 

Bayerische Heimatküche und regionale Zutaten – dafür steht die Küche des Restaurants Dichterstub‘n im Relais & Châteaux Park-Hotel Egerner Höfe. Damit Gäste auch daheim und ohne Restaurantbesuch in den Genuss der Kulinarik von Sternekoch Thomas Kellermann kommen, veröffentlicht dieser Rezepte auf dem Instagram-Account des Hotels zum Nachkochen. 

Die Schnitzel aus dem Borchardt in Berlin schmecken nicht nur Promis wie Jack Nicholson und Leonardo DiCaprio. In Zeiten von Corona ist das Restaurant in der Französischen Straße natürlich geschlossen, die Schnitzel kommen trotzdem zu den Gästen im gesamten Stadtgebiet. Eine Abholung ist ebenfalls möglich.

Kostenlose Pizza für Bedürftige: Wiesbadener startet Hilfsaktion

Der Wiesbadener Gastronom Vincenzo Ingenito backt in der Corona-Krise für jeden, der sich in finanzieller Not befindet, eine kostenlose Pizza. «Man sollte Hilfe anbieten, bevor jemand darum bittet», sagte er am Mittwoch. «Mit meiner Aktion will ich ein Gefühl von Mitmenschlichkeit und Zusammengehörigkeit wecken.» Bislang kämen nur eine Handvoll Menschen am Tag und fragten in der kleinen To-Go-Pizzeria in der Altstadt nach dem Angebot. «Wir organisieren gerade einen Lieferservice, um Hilfsbedürftigen auch eine Pizza nach Hause bringen zu können», sagte Ingenito.


 

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