Nutrias im Restaurant: Sumpfbiber erobert jetzt auch Speisekarten

| Gastronomie Gastronomie

Dampfendes Gulasch, Geschnetzeltes in Kirsch-Pfeffer-Sauce, Spieße, Frikadellen, Frühlingsrollen - es wird geschnitten, gehackt, gebrutzelt in einem Kochkurs in Meerbusch bei Düsseldorf. Die Hauptzutat ist etwas ganz Besonderes. In allen Gerichten steckt Nutria, ein vor langer Zeit aus Südamerika eingewandertes Nagetier. Dass man das Fleisch essen kann, hat sich hierzulande noch längst nicht überall herumgesprochen. Und: Nutria wird auch Sumpfbiber oder häufiger «Biberratte» genannt - und das lässt so manchen Verbraucher erst mal auf Abstand gehen.

Jägerin und Naturpädagogin Birgit Jansen stellt zu Beginn des Kochseminars klar: «Nutria hat gar nichts mit Ratte zu tun.» In Holland sage man «Waterkanin» - also Wasserkaninchen. «Das trifft es besser und klingt doch gleich viel appetitlicher.» Und los gehts. Im Schlachtraum liegen neun komplette Nutrias, die vom Fell befreit und zerlegt werden müssen. Werner Steinweck - Jäger und Hobbykoch - trennt geschickt den Schwanz ab, die erste Keule liegt schnell bereit: «Das ist ein Superfleisch, ganz rot, ganz mager.»

In der Restaurantküche des Strümper Hofs werden die ersten Teile derweil schon durch den Fleischwolf gedreht - für Frikadellen mit Thymian und Johannisbeergelee. Die einen marinieren, die anderen braten oder rühren das Kesselgulasch. Koch Johannes Siemes geht durch die Reihen, erläutert: «Nutria ist ein mineralreiches hochwertiges Lebensmittel mit wenig und leicht verdaulichem Fett, praktisch cholesterinfrei und auch gut geeignet für die Diätküche.»

Nina Dohmen ist am Schneidebrett zugange: «Die Tiere einfach wegzuwerfen tut mir im Herzen weh.» Als Ernährungswissenschaftlerin weiß sie: «Das Fleisch ist zart und hat ein sehr gutes Fettsäuremuster.» Wen wird man damit locken können? «Alle, die offen sind für Neues und die sich im Sinne der Nachhaltigkeit ernähren wollen.» Biologe Klaus van der Weyer, an diesem Abend für die Saté-Spieße zuständig, findet es «großartig», Nutrias kulinarisch zu verwerten. «Für mich als Verbraucher ist es wichtig, wo die Tiere, die ich esse, gelebt haben und was die fressen.» Die Nager ernähren sich pflanzlich und leben an langsam fließenden Gewässern. Passt also aus Sicht des Gewässer-Ökologen.

Nutrias vermehren sich rasant in Deutschland, sind auf dem Teller aber noch selten. In Statistiken taucht Fleisch von Exoten wie Reptilien, Schlangen oder Kamelen laut Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie zumindest als Importware auf. Die Nager sind aber nirgends gelistet. Die aus Südamerika stammenden Tiere sind biologisch mit Meerschweinchen verwandt und waren hierzulande einst wegen ihres Fells in Farmen gehalten worden. Die invasive Art hat kaum Fressfeinde, der Klimawandel begünstigt ihre Ausbreitung.

Laut Jagdverband bereiten die Nager Probleme für den Deich- und den Artenschutz. Ihre Höhlensysteme gefährden die Stabilität von Deichen und Dämmen. Ihr Appetit auf Grünzeug ist so gewaltig, dass es anderen Arten wie bestimmten Vögeln an Lebensraum fehlt und manche Fischbestände leiden. Eine Rekordzahl von gut 101 000 Tieren wurde zuletzt in einer Jagdsaison erlegt. Nutrias dürfen in Deutschland dort gejagt werden, wo sie Schäden verursachen. In manchen Regionen gibt es Abschussprämien.

In der DDR sei Nutria-Fleisch im Supermarkt zu kaufen gewesen, erzählt Jäger Jürgen Jansen. «In Südamerika essen sie das Fleisch sehr gerne.» Derzeit werde es in Deutschland oft weggeworfen oder als Köder für die Fuchsjagd genutzt. Wer Nutrias in den Verkehr bringen will, muss Auflagen beachten. Wann und wie welches Wildbret vermarktet werden darf, unterliege Regeln, die Bestandteil der Jagdausbildung seien, berichtet Birgit Jansen. Man muss «Sachkundige Person» sein, was seit einigen Jahren gleich mit dem Jagdschein nachgewiesen werde. Es gibt Nationale Vorgaben und EU-Vorschriften zur Lebensmittelhygiene.

Auch das Berliner Restaurant Holycrab, das auf «invasive Delikatessen» spezialisiert ist, hat neben eingewanderten Krebsarten oder Waschbär auch schon mal Nutria-Tacos mit Kürbis aufgetischt. Das Tier ist keine Schönheit mit seinen langen gelben Zähnen. Aber: «Es schmeckt einfach nur lecker», schwärmt Ingrid van der Weyer. Zu Beginn des Kurses hatte sie sich noch etwas gegruselt: «Man muss schon den Kopf ausschalten.» Werner Steinweck meint: «Das Fleisch schmeckt ganz mild. Ein bisschen wie Kaninchen oder Geflügel.» Elke Platen-Büchle bedauert, «dass man das nicht überall beim Metzger kaufen kann.»

In Essen verkauft Jäger Jürgen Bickert Nutria-Wurst, Dosen-Ragout oder auch Keule und Nacken fürs Barbecue in seiner Metzgerei. «Für mich ist der Gedanke, ein Tier zu jagen und dann wegzuwerfen, unerträglich und unethisch.» Das Fleisch, das er veräußert, stammt auch von Tieren, die er selbst erlegt hat. Er hofft, dass weitere Metzgereien folgen und berichtet von wachsender Neugier: «Gerade junge Leute kommen und fragen mich: Kann man das essen?» Er sieht Potenzial für Nutria. «Es mag Verbraucher erst mal etwas Überwindung kosten, aber es ist eine Delikatesse aus der Natur.» Aufklärung sei wichtig.

Im Internet kursiert das ein oder andere Angebot zu horrenden Preisen von rund 50 Euro pro Kilo. Im Strümper Hof gibt es das Fleisch für 10 Euro pro Kilogramm von der Theke, und Koch Siemes serviert Nutria auch im Restaurant - auf Vorbestellung.


Zurück

Vielleicht auch interessant

Wegen IT-Problemen haben Kunden bei McDonalds auch in deutschen Filialen am Freitag mit Problemen rechnen müssen. Eine Sprecherin betonte, dass es sich nicht um ein «Cybersecurity-Ereignis» gehandelt habe. Die Ursache der Störung blieb zunächst unklar.

Ab Ostern 2025 heißt das Drehrestaurant auf dem Berliner Fernsehturm Sphere by Tim Raue. Auf 207 Metern Höhe wird der Spitzenkoch dann für das kulinarische Wohl der Gäste in luftiger Höhe sorgen – mit regionalen Produkten und von ihm interpretierten Berliner Gerichten.

Ab Sommer leitet Cornelia Fischer, die in den vergangenen drei Jahren im fränkischen Volkach die Löffel schwang, den Neustart im Restaurant Überfahrt ein. Das Restaurant im Althoff Seehotel Überfahrt empfängt die Gäste ab dem 6. September wieder im regulären Betrieb.

In den Jahren 2020 bis 2023 haben in der Gastronomie bundesweit rund 48.000 Betriebe geschlossen. Für 6.100 Betriebe kam in dieser Zeit das Aus durch eine Insolvenz. Allein 2023 hat etwa jedes zehnte Gastronomieunternehmen aufgegeben.

In den Jahren 2020 bis 2023 haben in der Gastronomie bundesweit rund 48.000 Betriebe geschlossen. Für 6.100 Betriebe kam in dieser Zeit das Aus durch eine Insolvenz. Allein 2023 hat etwa jedes zehnte Gastro-Unternehmen aufgegeben.

Gastronomie auf Festivals bedeutet unterschiedliche Herausforderungen mit hoher Eigenverantwortung. Der neue Handlungsleitfaden der BGN für den Gastronomiebetrieb auf Festivalveranstaltungen hilft dabei.

Pressemitteilung

METRO und der renommierte internationale Kochwettbewerb Bocuse d´Or​​​​​​​ haben eine mehrjährige Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit vereinbart. So wird sich METRO in den kommenden vier Jahren unter anderem als Hauptsponsor engagieren.

Sodexo und GoodBytz bringen die erste gemeinsame Roboterküche am Universitätsklinikum Tübingen (UKT) an den Start. Der Roboter wird im Laufe des Frühjahrs den Betrieb aufnehmen und alle Gerichte eigenständig zubereiten.

Das Atlantic Hotel Sail City in Bremerhaven feiert nicht nur seinen 15. Geburtstag. Es setzt sich auch seit 10 Jahren für konsequente Nachhaltigkeit ein. Diesen Anlass feierte das Hotel mit einem besonderen Jubiläumsdinner und lud seine Gäste zum Resteessen ein.

Während in der modernen Arbeitswelt die Vor- und Nachteile der Vier-Tage-Woche diskutiert wird, geht die Gastro-Kette Yorma’s noch einen Schritt weiter. Ab diesem Jahr möchte das Unternehmen aus Plattling die Drei-Tage-Woche bei vollem Gehalt in der Zentrale einführen.