„Schattenwebseiten“: Wie sich Lieferando das große Geschäft sichert

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Die Lieferando-Mutter Just Eat Takeaway hat im Corona-Jahr 2020 deutlich vom Trend hin zu Online-Essensbestellungen profitiert. Der Umsatz stieg verglichen mit dem Vorjahr um mehr als die Hälfte auf rund 2,4 Milliarden Euro. Auch die Restaurants, die in der Corona-Krise keine Gäste bewirten dürfen, profitieren natürlich davon.

Ohne die Plattform hätte er seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen, erklärte beispielsweise der Betreiber des Restaurants "Jack Glockenbach" nun dem Bayerischen Rundfunk. Rund um zufrieden ist er jedoch nicht, Lieferando habe sich in den Vordergrund gedrängt. 

Dazu erstellte die Lieferplattform eine Internetadresse, die mit der des Restaurants bis auf die Endung identisch ist. Suchen nun Gäste das Restaurant über die Suchmaschine Google, wird den Nutzern an prominenter Stelle die von Lieferando erstellte Webseite angezeigt. Die eigentliche Seite des Restaurants findet sich erst weiter unten in den Ergebnissen. Er habe in 17 Jahren den Laden und den Namen aufgebaut, kritisierte der Gastronom gegenüber dem BR. Nun landen Stammgäste nicht bei ihnen, sondern woanders. Das sei schon sehr unfair. 

Wie der BR und viele weitere Medien nun öffentlichkeitswirksam berichten, ist das Restautant kein Einzelfall. Den Recherchen zufolge hat sich die Lieferando-Mutter Just Eat Takeaway europaweit mehr als 120.000 derartiger Webseiten gesichert, allein in Deutschland sind es 50.000, die den Namen bestehender Restaurants ähneln. Und die Schattenwebsites, die Lieferando baut, sorgen dafür, dass die organische Auffindbarkeit der Restaurants bei Google leidet. Oftmals besser SEO-optimiert als die eigentliche Website des Restaurants, erscheinen sie sogar weiter oben in den Google-Suchergebnissen. Für Lieferando ist das natürlich ein lukratives Geschäft. Für Bestellungen über die Plattform müssen Gastronomen Provision bezahlen, bei direkten Bestellungen ginge das Unternehmen leer aus. 

Methode läuft bereits seit zehn Jahren

Der Lieferando Gründer Christoph Gerber, der mittlerweile nicht mehr an dem Unternehmen beteiligt ist schreibt auf Linked-In: „Schon witzig, dass hier eine grosse Welle gemacht wird über eine Methode die ich mir 2011! ausgedacht habe und schon 10 Jahre läuft. Kurzer Hintergrund: Lieferheld und Pizza.de hatte beide massiv Geld, wir waren aber im SEO besser und mussten irgendwie mit "Growth Hacking" gegen die beiden anstinken... Das Projekt hatte den Namen "Satelliten" und ich musste noch im Boardmeeting mit Elmar Broscheit dafür kämpfen - jedem Restaurant wurde automatisch eine Domain erstellt - nach Name und eventuell Foodtype, es gab 10 Farbtemplates, Rich Snippets waren automatisch und die geschrieben Bewertungen waren der Unique Content. Ziemlich schnell kamen über 10% der Orders über diese Satelliten und die Conversionrate lag bei 76%... Kleiner Nachtrag: Ende 2013 kamen 15% der Neukunden über diesen Kanal - und damals hatten die Restos die Möglichkeit gehabt die Domain "zu claimen". Wie das jetzt gemacht wird weiss ich nicht. Mein kleines Satelliten Projekt nach 10 Jahren als die journalistische Entdeckung zu feiern: bisschen lächerlich."

Illegal ist das Ganze nicht. Auf BR-Anfrage erklärte Lieferando, dass die Erstellung der Webseiten vertraglich geregelt sei. So ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (PDF) auch ein entsprechender Absatz zu finden. Rechtsexperte Rupprecht Podszun bezeichnete das Verhalten der Liefer-Plattform im BR-Artikel dennoch als unfair, da es ein Verlust des direkten Zugangs zum Kunden sei. 

Lieferando selbst erklärt, diese Websites seien ein Bestandteil des Vertrags und ein Service für die Restaurants, den insbesondere kleinere Anbieter schätzen würden. „Unsere Mini-Sites helfen insbesondere unseren kleinen Restaurantpartnern im Wettbewerb und verschaffen ihnen zusätzliche Umsätze. Die meisten Gastronomen freuen sich über diesen inbegriffenen Zusatzservice“, erklärt ein Lieferando-Sprecher. „Wir erstellen Mini-Sites ausschließlich für unsere Restaurantpartner, und diese können die Erstellung ihrer Mini-Site ablehnen oder auch später bereits erstellte Mini-Sites offline nehmen lassen.“ Auch die Google-Werbung spare dem Restaurant ja Mediabudget. Offenbar ist diese Opt-out-Möglichkeit aber nicht jedem der Gastronomen klar.

Pandemie-Profiteure: DEHOGA kritisiert Provisionshöhen bei Lieferdiensten

er Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) nimmt die Provisionen von Lieferando und Wolt ins Visier. Im Tagesspiegel kritisierte Geschäftsführerin Hartges die von Gastronomen verlangten Beträge und rät zu eigenen Lösungen. Die Zeitung hatte zuvor über den Unmut über die Lieferdienste unter Berliner Gastronomen berichtet.

Laut Tagesspiegel rät Hartges Restaurants von einer Zusammenarbeit mit Lieferdiensten wie Lieferando und Wolt ab. „30 Prozent - da kann der Gastronom nicht existieren. Das geht gar nicht“, sagte Hartges und bezieht sich damit auf die Provision, die Lieferdienste von den Restaurants erheben. Diese beträgt bei einer Lieferung 30 Prozent des Bons. „Wer ein Geschäft in guter Lage und mit Stammkunden hat, sollte immer versuchen, den Abholservice selbst anzubieten“, so Hartges.


 

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