Viele Köchinnen, wenig Sterne: Warum die deutsche Spitzengastronomie eine Männerdomäne ist

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Frauen gehören an den Herd, Männer in den gastronomischen Sterne-Himmel. Ein Klischee? Zwei Spitzenköchinnen aus dem Südwesten zeigen, dass es auch ganz anders sein kann: Douce Steiner (52) aus dem badischen Sulzburg und Alina Meissner-Bebrout (33) aus Ulm. Doch noch zählen die beiden zu den Exoten.

Claus-Peter Lumpp, Torsten Michel, Jan Hartwig oder Christian Bau - die zehn besten Restaurants, die von Michelin-Testern in diesem Jahr mit drei Sternen ausgezeichnet wurden, werden von Chefs geführt. In den insgesamt 334 Sterne-Küchen haben nur 12 Frauen das Sagen. Und der Restaurantführer "Gault&Millau" hat neulich mit Douce Steiner zum ersten Mal eine "Köchin des Jahres" prämiert. Sehr verdient für eine "großartige Köchin, sagt ihre Ulmer Kollegin Meissner-Bebrout. Dass erst im 40. Jahr des Erscheinens des Führers in Deutschland eine Frau geehrt wurde, ist für sie aber auch "traurig und bitter".

Das Geschlecht beim Kochen: Es kochen mehr Frauen als Männer in Deutschland

Und das, obwohl Köchinnen rein zahlenmäßig in der Überzahl sind. Laut Statistischem Bundesamt wurden beim Mikrozensus 2022 in Deutschland 285.000 Köchinnen gezählt - gegenüber 246.000 Köchen. Der Verband der Köche Deutschlands (VKD) verweist hingegen darauf, dass viele Beschäftigte in Profiküchen keine Ausbildung zum Koch/zur Köchin haben - in Statistiken aber dennoch als solche bezeichnet werden.

Abseits der Zahlen ist sich Verbandsvizepräsidentin Marketa Schellenberg sicher: Am Kochen und Können liege es nicht, wenn Frauen in der Spitzengastronomie selten sind. "Ich denke, Frauen können genauso fantastisch kochen, fein abschmecken, toll anrichten und auch bei Wettbewerben strahlen."

Meissner-Bebrout ist eine der wenigen Frauen in der Spitzengastronomie, die mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist.

Dass sieht Douce Steiner ebenso. Die Küchenchefin des "Hirschen" in Sulzburg im Markgräflerland ist eine von bundesweit nur zwei Zwei-Sterne-Köchinnen. Alina Meissner-Bebrout, die von Michelin mit ihrem Ulmer Restaurant "bi:braud" einen Stern bekam und als talentierte Küchenchefin mit dem "Young Chef Award" geehrt wurde, ist gleichfalls überzeugt: "Männer kochen nicht besser als Frauen. Absolut nicht. Im Haushalt kocht ja auch meist die Frau - und das sehr gut."

Doch Kochen auf Sterne-Niveau ist ein hartes Brot. "Nicht jede oder jeder kann und will auf diesem Niveau kochen, sich täglich neu aufreiben, manchmal auch ausbrennen, finanziell an der Kante stehen oder privat Partnerschaften und Freundschaften gefährden", weiß Marketa Schellenberg vom Kochverband. Weil das Hauptgeschäft in der Spitzengastronomie zudem abends ist, entscheiden sich Köchinnen mit Familie möglicherweise auch bewusst für die Tagesgastronomie oder gehen in die Lebensmittelberatung, vermutet Meissner-Bebrout.

Sterne-Köchin und Familie? Meissner-Bebrout kann sich das vorstellen

Die 33-Jährige kann sich trotz des anspruchsvollen Jobs Familie vorstellen: "Wenn ein Kind da sein sollte, wird es im Restaurant eben dabei sein." Wer einen eigenen Betrieb führt, kann das. Douce Steiner hat dies vorgelebt: Ihre 24 Jahre alte Tochter ist - wie sie selbst - im Familienbetrieb groß geworden. Die Eltern haben das Restaurant in Sulzburg (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) auf- und zum Sterne-Lokal ausgebaut. "Es ist unser Zuhause. Wir wohnen und arbeiten hier. So läuft das hier", sagt Steiner.

Die 52-Jährige will Vorbild sein. Sie hat neben geregelten Arbeitszeiten die Vier-Tage-Woche eingeführt und nur abends offen. Das macht es auch für Familienfrauen leichter. Doch gute Arbeitsstandards und anständige Löhne haben ihren Preis, betont Douce Steiner: "Es ist ganz wichtig zu wissen: Man kann nicht für zehn Euro ein Tellergericht haben, wenn es frisch angerichtet und gekocht wird. Das ist ein enormer Aufwand."

Vier-Tage-Woche im Restaurant "bi:braud" von Ulms Sterne-Köchin Alina Meissner-Bebrout

Auch Alina Meissner-Bebrout hat in ihrem Ulmer Lokal die Vier-Tage-Woche eingeführt. Die Teams sind an fünf Öffnungstagen im Wechsel da. "Eine 60- bis 80-Stunden-Woche wie früher, das funktioniert nicht mehr."

Lange Arbeitszeiten, aber auch die Arbeitsbedingungen in der Branche schrecken viele Frauen noch immer ab. "Der Ton ist etwas rauer als in anderen Berufen, ein bisschen direkter. Man kämpft immer mit dem Zeitdruck", sagt Meissner-Bebrout. Sie beobachtet aber einen Wandel. Der Umgangston habe sich in den letzten 15 Jahren sehr verändert. Auch geht die Ulmer Sterne-Köchin davon aus, dass die Atmosphäre mit einer Küchenchefin anders ist. Sie selbst achtet darauf, dass ruhig miteinander kommuniziert wird. Schon ein "Bitte" kann durchaus motivierend sein.

Douce Steiner in Sulzburg schätzt absolute Stille und Konzentration. "Wenn man Qualität bieten will, kann man nicht mit Angst arbeiten", sagte sie kürzlich in einem Zeit-Interview, angesprochen auf die Vorstellung von Spitzenküchen, in denen Souschefs die Köche zusammenbrüllen.

Nach Überzeugung der beiden Küchenchefinnen spielt beim Kochen das Geschlecht keine Rolle. "Man muss sich den Respekt erkochen und einfach gut sein in dem, was macht. Am Ende muss man die Zähne zusammenbeißen, egal ob als Mann oder als Frau", sagt Meissner-Bebrout. Wichtig sei jedenfalls ein funktionierendes Team.

Und doch sind es Geschlechterstereotypen, die es noch heute Frauen in der Spitzengastronomie schwer machen. Trotz Verbesserungen hätten viele weibliche Fachkräfte weiterhin mit strukturellen Ungerechtigkeiten zu kämpfen, beobachten die Michelin-Tester.

"Jahrzehntelang", so Gault&Millau-Chefredakteur Christoph Wirtz bei der Ehrung von Douce Steiner, "war die Spitzenküche ein Umfeld, das Frauen mehr duldete als förderte." Dies habe sich geändert. "Zu langsam und lange noch nicht überall, aber doch deutlich."

Auch Steiner und Meissner-Bebrout sind überzeugt: Spitzenköchinnen sind im Kommen. Doch an sich waren sie schon immer da. Schon unter den ersten Drei-Sterne-Restaurants, erinnert man sich bei Michelin, waren zwei, die von Frauen geführt wurden. (dpa)


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