Wiesn-Wald und Currywurst in Waffel - Oktoberfest ringt um Nachhaltigkeit

| Gastronomie Gastronomie

Fahrgeschäfte katapultieren die Gäste in den hell erleuchteten Nachthimmel. Sechs Millionen Besucher, teils von weit angereist, feiern in den Zelten. Sie trinken Millionen Maß Bier, verspeisen Hunderttausende Hendl und tonnenweise gebrannte Mandeln. Das Oktoberfest ist nicht gerade ein Energiespar-Event. Seit Jahrzehnten feilt die Stadt München am Öko-Image des Festes. Bei der Zulassung von Wirten und Schaustellern schaut sie auf Punkte wie die Verwendung biologisch abbaubaren Hydrauliköls, schadstoffarme Zugmaschinen und Nahrungsmittel aus der Region und aus Öko-Anbau. Schon 1997 bekam das Fest für das Umweltkonzept den Bundesprojektpreis. Es gibt inzwischen viele Projekte.

Bio-Hendl

Nach einem hitzigen Disput, ob die Wiesn nur mit Bio-Essen oder einer Bio-Quote möglich wäre, gehen zwei Zelte voran: Im Paulaner-Festzelt und in der Fischer-Vroni gibt es heuer nur Bio-Hendl. «Das ist ein Versuch, wenn unsere Gäste ihn nicht akzeptieren, müssen wir im nächsten Jahr eventuell umdenken», sagte Paulaner-Wirtin Arabella Schörghuber. Nur in zwei Zelten auf der Oidn Wiesn gibt es neben dem normalen Hendl auch die teurere Bio-Version. Manche Wirte führen an: Bio-Hendl leben länger - und werden größer. Die Portion fordert auch gute Esser heraus. Was übrig bleibt, landet im Müll. Und die Hendl nach Größe müssen sortiert werden, damit sie am Grill richtig garen.

Fleisch oder Tofu?

Die Debatte um mehr Tierwohl ist angesichts des fleischlastigen kulinarischen Angebots nicht neu. Wirte und Imbissbesitzer bieten zunehmend vegetarische und vegane Gerichte an. Nach veganer Weißwurst gibt es nun vegane Fleischpflanzerl, veganen Leberkäs und vegane Currywurst. Allerdings schleppen die Bedienungen weiter tablettweise Hendl und Haxn heran, was eben als typisch bayerisch gilt. Wer extra von weit zur Wiesn anreist, will nicht nur eine Tofu-Wurst kauen.

Wiesn-Wald

Die Wirte haben ein ehrgeiziges Ziel ausgerufen: Die großen Festzelte sollen bis 2028 klimaneutral werden, möglichst aber 2026. «Wir wollen schauen, dass wir das in den nächsten fünf Jahren hinbekommen», sagt Wirtesprecher Peter Inselkammer. Es sei aber eine «größere Aufgabe». Nun ermitteln die Wirte ihren CO2-Verbrauch, um den CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Mehrere Zelte sind schon klimaneutral: Sie kompensieren ihren Kohlendioxid-Ausstoß mit Aufforstungsprojekten. Ziel ist auf einer eigenen Aufforstungsfläche ein «Wiesn-Wald» aller Wirte. Das Holz könnte, so eine Vision, wieder auf der Wiesn verbaut werden.

Ökostrom und Solarzelt

Rund drei Millionen Kilowattstunden Strom schluckt das Fest, der Jahresbedarf von rund 1000 Haushalten. Seit Jahren verwenden Wirte, Schausteller und Marktkaufleute LED-Lampen und Ökostrom. Zwei Drittel unterstützen laut Stadtwerken München (SWM) mit einem Aufpreis den Ausbau regenerativer Stromerzeugung. Mit Ökostrom und Ökogas spart die Wiesn laut SWM rund 1000 Tonnen CO2. Manche Zelte haben auch Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen. Man wolle ein Zeichen setzen, so hört man, aber auch: «Es lohnt sich auf der Wiesn nicht wirklich.» Denn die Anlagen sind gerade einmal gut zwei Wochen im Einsatz - und müssen den Rest des Jahres aufwendig verpackt und eingelagert werden.

Gas im Biergarten

Alle Gastronomie-Betriebe nutzten laut SWM Ökogas zum Kochen, für Warmwasser und Biergartenheizung. 2022 hatten die Wirte angesichts der Energiekrise auf Heizstrahler außen verzichtet. Der Gasverbrauch lag - bei allerdings weniger Besuchern - mit knapp 130 000 Kubikmetern unter dem sonstigen Verbrauch von eher 200 000 Kubikmetern. Heuer stehen die Strahler wieder. Schilder werben: «Beheizter Biergarten».

Methan liegt in der Luft

Forscher der Technischen Universität München (TUM) zeigten, dass während der Wiesn der Methanausstoß am Gelände steigt; sie stellten 2018 deutlich erhöhte Werte fest. Sie vermuteten, dass das Gas zum Kochen und Grillen wesentlich dazu beiträgt. Allerdings, so argumentierte Festleiter Clemens Baumgärtner im vergangenen Jahr: Weil an einem Grill viele Hendl garen, sei das Wiesn-Hendl viel umweltfreundlicher als das Hendl aus dem heimischen Ofen.

Nicht von Pappe

Der Restmüll 2022: knapp 840 Tonnen. Speisereste und Knochen: 610 Tonnen. Glasbruch: 67 Tonnen. Klingt viel, aber für das Fest mit seinem Millionenpublikum überschaubar: Laut Wirtschaftsreferat fallen in München sonst täglich rund 80 Tonnen Glasmüll an. Seit 1991 sind Pappbecher, Einweg-Plastikgeschirr und Getränkedosen verboten. Das hat laut Stadt viel gebracht: Seitdem wurde der Restmüll von mehr als 8000 Tonnen auf um die 900 Tonnen reduziert. Das sind pro Besucher statt früher etwa 1,3 Kilogramm Müll noch um die 150 Gramm.

Currywurst auf Waffel

Mitessen statt wegwerfen: Auf der Wiesn sind Schupfnudeln mit Sauerkraut in der Waffel zu haben - und auch die Currywurst in der Waffel ist im Kommen. Die gebe es bei ihr auf Anfrage, sagt Melanie Monet, die in der Matthias-Pschorr-Straße gleich unter der Bavaria ihren Imbiss hat. Das komme gut an - und auf der Straße sehe es ordentlicher aus. «Früher haben die Leute alles auf die Straße geworfen, jetzt essen sie es mit.» Manche - wie Bodo's Cafézelt - verwenden Schüsseln aus Zuckerrohr. Sie sind ebenso wie Teller aus ungebleichter Pappe komplett biologisch abbaubar.

Gabel-Fahrten

Kein Plastikbesteck, keine Teller aus Pappe - gut so. Dafür werden täglich Zehntausende Teller gespült. Und Nacht für Nacht 28 Tonnen frisches Besteck herangekarrt. Lkw bringen ebenso viel schmutziges Besteck über 180 Kilometer zur Firma Gastro Gast Gruber nach Passau. Sie spült und poliert Messer, Gabeln und Löffel fast für alle Zelte. Inklusive Einwickeln in Servietten. Die «Süddeutsche Zeitung» hatte zuerst darüber berichtet. Trotz der Fahrtwege versichert Unternehmer Hannes Gruber: «Wir sind zehn Mal umweltfreundlicher als wie es früher gelaufen ist.» Er brauche für 60 000 Besteckteile 300 Liter Wasser, so viel wie Spülmaschinen sonst für 4000 bis 5000 Teile.

Zu viel Knödel?

Wird dieses Jahr nicht aufgegessen, gibt's nächstes Jahr weniger auf dem Teller. Mit diesem - so stark verkürzt zusammengefassten - Konzept sagen Wirte der Lebensmittelverschwendung den Kampf an. In Kufflers Weinzelt analysiert der Verein United Against Waste Lebensmittel-Abfälle. «Wir messen neben dem Rücklauf auf dem Teller auch verdorbene Lebensmittel im Lager, die Küchenabfälle, aber auch, was zu viel produziert und nicht verkauft wurde», sagt Geschäftsführer Torsten von Borstel. Daraus sollen fürs nächste Jahr Konsequenzen gezogen werden, erläuterte Wirt Sebastian Kuffler.

Klospülung

Das Nachspülwasser der Bierkrüge wird in acht Zelten zweitverwertet - für die Klospülung. Dafür sind extra Anlagen nötig, um den Rücklauf von den Spülmaschinen aufzufangen. Kufflers Weinzelt wiederum sammelt Regenwasser vom Dach für die Toiletten. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Nach dem Weggang des Spitzen-Duos Christian und Nathalie Scharrer in die Schweiz hat das Zwei-Sterne-Restaurant Courtier im Resort Weissenhaus an der Ostsee den Betrieb eingestellt. Eine Nachfolgebesetzung ist nicht vorgesehen, wie das Gourmet-Portal Restaurant Ranglisten berichtet.

VOX startet am 4. November 2025 ein neues Koch-Format mit Tim Mälzer als Mentor. Spitzenkoch Jan Hartwig entscheidet über das Ausscheiden. Der Gewinner erhält ein Preisgeld von 50.000 Euro und ein Duell bei "Kitchen Impossible".

Subway zählt nach eigenen Angaben aktuell 666 Restaurants in Deutschland und treibt die Expansion sowie die Modernisierung des Filialnetzes voran. Im Jahr 2025 wurden bisher rund 25 neue Standorte eröffnet.

Das "Alex" stellt den Betrieb im Alsterpavillon nach rund 25 Jahren Ende Oktober ein. Die Präsenz in Hamburg wird jedoch aufrechterhalten: Das Unternehmen plant die Eröffnung eines neuen Standorts an der Rothenbaumchaussee.

Ed Ladino Samboni, Auszubildender im Restaurant Carls an der Elbphilharmonie, wurde mit dem Genuss-Kultur-Preis der Josef Laufer Stiftung ausgezeichnet. Er überzeugte mit einem Menü, das die Reise der Kartoffel von seiner Heimat Kolumbien nach Europa nachzeichnete.

Nach einer längeren Pause öffnet das Gourmet Restaurant im Hotel Kronenschlösschen in Hattenheim wieder für Gäste. Das Haus kündigte an, den Fine-Dining-Betrieb in den kommenden Wochen an ausgewählten Terminen wieder aufzunehmen.

In der gehobenen Gastronomie wird derzeit über die grünen Sterne des Michelin-Führers diskutiert. Eine Spekulation über das angebliche Ende der Auszeichnung löste eine Debatte aus, doch der Guide Michelin klärt auf: Die Anerkennung für Nachhaltigkeit besteht aktuell fort, wird aber neu präsentiert.

Das Gourmetrestaurant Staderer im Designhotel Das Altmühltal präsentiert unter der Leitung von Chefkoch Florian Vogel eine Küche, die sich auf Präzision, Produktfokussierung und Nachhaltigkeit konzentriert. Das Haus, errichtet von der Firmengruppe Martin Meier, versteht sich als architektonische und kulinarische Hommage an den Naturpark Altmühltal.

Mit einem Investitionsvolumen von rund 1,3 Millionen Euro modernisiert die Burgerkette Jim Block aktuell ein denkmalgeschütztes Haus in Rostock. Wo derzeit noch Handwerker tätig sind, entsteht das neue Restaurant, dessen Eröffnung für Mitte November 2025 geplant ist. Die Filiale dient auch als Testlabor für neue Design- und Serviceelemente.

Die Weihnachtszeit ist für Hotellerie und Gastronomie eine der umsatzstärksten Phasen. Um Umsatz und Gästebindung zu maximieren, empfiehlt die DEHOGA Beratung gezielte Aktionen und strategische Planung. Kreativität, festliche Atmosphäre und gezielte Kommunikation stehen dabei im Zentrum.