Aus leerstehendem Gut Finowfurt soll Natur-Kultur-Herberge werden

| Hotellerie Hotellerie

Frühestens in zweieinhalb Jahren wird Marc Lorenz erfahren, ob er sich auf sein Bauchgefühl verlassen kann. Dieses «Kribbeln in der Magengegend» hatte den erfahrenen Hotelmanager im Februar vergangenen Jahres beschlichen, als er erstmals auf dem Hof des früheren Herrenhauses Finowfurt (Kreis Barnim) stand. «Das Anwesen hat Potenzial», schwärmt Lorenz. Ein Umstand, den ein Außenstehender zunächst nicht unbedingt nachvollziehen kann.

Denn das dreistöckige Haupthaus wirkt mit seiner schmutzig-grünen Fassade nicht unbedingt einladend. Auch der frühere Stall und die alte Scheune machen einen heruntergekommenen Eindruck. Für Lorenz waren es nicht die Gebäude, die sein positives Bauchgefühl verursachten, sondern die Lage und die Natur. Denn die Häuser sind umgeben von einem alten, verwilderten Park mit riesigen Erlen, Ulmen und Kastanien sowie einem Teich. Das Grundstück in Hanglage endet unmittelbar am Treidel-Radweg entlang des malerischen Finowkanals, Deutschlands ältester künstlicher Wasserstraße.

Schnell war bei Lorenz die Idee einer Natur-Kultur-Herberge vor den Toren Berlins geboren. Das einstige Herrenhaus, dessen schmückender Stuck zu DDR-Zeiten abgeschlagen worden war, wird zum Hotel mit 27 Zimmern. Im Seitenanbau entsteht ein Restaurant mit großer Terrasse. Der frühere Stall wird zum zweistöckigen Appartementhaus, ein alter Bunker am Teich zur Sauna. Das Gelände mit Anlegestelle am Finowkanal soll nicht etwa gut betuchten Gästen vorbehalten sein. Drei Neubauten sind auf dem Gelände für generationsübergreifendes Wohnen geplant. «Im Vordergrund steht eine hier lebende Gemeinschaft, die gut funktioniert», betont Lorenz.

Jahrelang war der gebürtige Schweizer für eine bekannte Hotelkette um die Welt gereist. In Malaysia hat er seine Frau, eine Kanadierin, kennengelernt und mit ihr eine Familie gegründet. «Vor fünf Jahren entschieden wir uns, mit den beiden Kindern sesshaft zu werden», erinnert sich der 56-Jährige. In Berlin etablierten sie für eine dänische Hotelfirma deren erstes nachhaltiges Boutiquehotel. Nebenbei suchten sie im Umland der Hauptstadt nach etwas Eigenem. Durch Zufall lernte Lorenz den in der Immobilienbranche tätigen Uwe Tietz kennen, dem das 3,5 Hektar große Areal in Finowfurt gehört.

«Ihm war sein damaliger Geschäftspartner abgesprungen. Meine Frau und ich stiegen vor einem Jahr ein. Gemeinsam begründeten wir das Schlossgut Finowfurt und investieren nun insgesamt rund 25 Millionen Euro in unsere Natur-Kultur-Herberge», erklärt Lorenz.

Er freue sich über Investoren «mit Erfahrung und Ideen», sagt Wilhelm Westerkamp (Bündnis Schorfheide), Bürgermeister der Gemeinde Schorfheide, zu der Finowfurt gehört. Hotel und Restaurant seien eine gute touristische Ergänzung. «Wir wolle mit den Schlossgut-Machern zusammenarbeiten. Vorstellbar sind künftig ein Oster- und ein Weihnachtsmarkt der Gemende auf dem Gelände», sagt Westerkamp.

Auch bei den Finowfurtern kamen die «Neuen» auf dem jahrelang brach liegenden Anwesen gut an, was wohl vor allem daran liegt, dass Lorenz die Tore weit auflässt und auf Transparenz und Offenheit setzt. Die Nachbarn kennen das Areal gut.

Als die sowjetischen Streitkräfte, die zum Kriegsende 1945 einzogen, nach zehn Jahren wieder verschwunden waren, wurde das Gelände bis zur Wende zum Verwaltungssitz eines landwirtschaftlichen Volkseigenen Gutes, auf dem viele Finowfurter arbeiteten. Im Mai dieses Jahres begannen Lorenz und Tietz auf dem Hof mit ihrem Treidelmarkt, einer Mischung aus Kultur, Kunsthandwerk und Kulinarischem. «Wir hatten eine riesige Resonanz, vor allem von Einheimischen», freut sich Lorenz, der zur nächsten Ausgabe am 7. August einlädt.

An der künftigen Seminar- und Veranstaltungsscheune haben die Sanierungsarbeiten begonnen. Ein Bioladen und eine Arztpraxis sollen darin ebenfalls Platz finden. Direkt neben dem Eingangstor ist eine Fahrradstation geplant – Lastenräder und E-Bikes können hier später ausgeliehen werden. Das Schlossgut liegt zwar verkehrsgünstig nahe der Autobahn 11. Lorenz hofft aber, dass Gäste überwiegend per Zug anreisen. Vom Bahnhof Eberswalde (Barnim) will er eine Shuttleverbindung einrichten.

Die Mischung aus Hotellerie und Wohnen sei eine tolle Kombination, sagt Sabine Grassow von der Wirtschafts- und Tourismusgesellschaft (WITO) Barnim. «So ein offenes Haus, bei dem Wert gelegt wird, auch Angebote für die Nachbarschaft zu machen, gibt es bisher in unserer Region nicht.»

Mit dem Umbau des Haupthauses soll in zwei Jahren begonnen werden. Lorenz hofft, bis dahin alte Baupläne und weitere historische Dokumente zu finden. Der Ursprung des Anwesens gibt ihm noch immer Rätsel auf. «Die Anfänge reichen laut Archiv bis ins 16. Jahrhundert zurück. Die heutigen Gebäude entstanden zwischen 1860 und 1870», erzählt der Investor. Ein Anbau gehe auf die von Arnims zurück, die das Gut 1916 erweitert haben sollen. «Das stand so in einer alten Zeitung, die wir beim Freilegen des Parketts in einem Zimmer entdeckten.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die britische Hotelmarke Premier Inn hat ihren Markteintritt in Duisburg vollzogen. Mit dem Premier Inn Duisburg City Altstadt nahm das Unternehmen den Betrieb an seinem 65. Standort in Deutschland auf.

Die Online Birds haben die Trendberichte ausgewertet, die derzeit von Hotelgesellschaften oder Beratern veröffentlich werden. Demnach zeichnet sich für die DACH-Region ein überraschend klares Bild ab: Gäste suchen vermehrt nach Substanz statt Überfluss, nach Gefühl statt Ablenkung.

Stayery erweitert das Portfolio in der Hauptstadt mit einem neuen Haus am Kurfürstendamm. Das ehemalige Hotel „Ku’Damm 101“ wird bis 2027 zu 198 Serviced Apartments umgebaut und soll künftig Geschäfts- und Freizeitreisende ansprechen.

Das Amtsgericht Cottbus hat die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Nena Hospitality GmbH angeordnet. Die Gesellschaft hatte zuvor selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Nena führt derzeit acht Apartmenthäuser. Jetzt wird ein Investor gesucht.

Hilton startet im kommenden Jahr mit dem ersten Haus der Marke LXR Hotels & Resorts in Griechenland. Das Resort mit 66 Zimmern, Suiten und Villen entsteht an der Ostküste Santorins in Kamari, am Fuße des antiken Thira.

Das Jahresende gilt vielerorts als Hochsaison, nicht nur in schneesicheren Gebieten. Das zeigt eine aktuelle Branchenumfrage in Mecklenburg-Vorpommern. Um das Weihnachtsfest herum liegen die Erwartungen deutlich niedriger.

Die Hotelmarke Radisson Individuals vergrößert ihr deutsches Angebot im Süden des Landes. Mit dem HARBR. Hotel Konstanz und dem HARBR. Hotel Heilbronn wurden zwei neue Häuser in das Portfolio aufgenommen.

Die neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen für Oktober 2025 eine Steigerung der Übernachtungszahlen. Der kumulierte Wert des Jahres erreicht das Vorjahresniveau, getrieben durch den Inlandstourismus.

Die Berner Oberländer Tourismusgemeinde Grindelwald hat angesichts des Massenandrangs einen vorläufigen Stopp für neue Hotelprojekte beschlossen. Das Dorf, das sich zwischen Abhängigkeit vom Tourismus und den Problemen des Ansturms befindet, möchte den Overtourism eindämmen. Kritik koomt von Schweiz Tourismus.

In Sankt Lorenzen, unweit von Bruneck in den Dolomiten, beginnt für ein tausend Jahre altes Bauwerk ein neues Kapitel.Das Castel Badia eröffnet nach umfassender Restaurierung als Boutique-Hideaway. Das Schloss bietet 29 Zimmer und Suiten sowie ein separates Chalet für Gäste.