Ob Citytax, Kulturförderabgabe oder Beherbergungssteuer: In etlichen Kommunen werden Übernachtungsgäste für das Stadtsäckel zur Kasse gebeten. Die Hotelbranche hat sich lange heftig gewehrt - am Ende vergeblich. Karlsruhe gibt sogar grünes Licht für eine Ausweitung.
Reisende müssen künftig möglicherweise in mehr deutschen Städten und Gemeinden eine Bettensteuer auf den Übernachtungspreis bezahlen. Das Bundesverfassungsgericht beendete ein jahrelanges Hickhack um die kommunalen Abgaben und entschied, dass diese mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Darüber hinaus gaben die Karlsruher Richterinnen und Richter grünes Licht für eine Ausweitung auf Geschäftsreisende, die bislang grundsätzlich von der Steuer ausgenommen waren. Verfassungsbeschwerden betroffener Hoteliers aus Hamburg, Bremen und Freiburg blieben erfolglos, wie das Gericht am Dienstag mitteilte. (Az. 1 BvR 2868/15 u.a.)
Bettensteuern werden schon heute in Dutzenden Kommunen erhoben. Offiziell heißen sie zum Beispiel Kultur- oder Tourismusförderabgabe, Citytax, Beherbergungs- oder Übernachtungssteuer. Das Grundprinzip ist immer gleich: Meist wird pro Person und Nacht ein bestimmter Anteil des Übernachtungspreises fällig, in der Regel um die fünf Prozent. Manchmal muss auch ein fester Betrag abgeführt werden, zum Beispiel drei Euro pro Nacht. Auch hier gibt es Varianten, in Hamburg etwa ist die Höhe nach dem Übernachtungspreis gestaffelt.
Hintergrund ist, dass Hotels vor einiger Zeit bei der Umsatzsteuer entlastet wurden. Anfang 2010 sank der Steuersatz von 19 auf 7 Prozent. Die Bettensteuern sind eine Reaktion der klammen Kommunen. Die Hotelbranche hatte sich dagegen von Anfang an heftig gewehrt. Denn die Steuer soll zwar der Gast bezahlen - aber die Unterkünfte haben die Aufgabe, das Geld einzuziehen und abzuführen.
Nun wissen die Kommunen mit Sicherheit, dass die Abgabe zulässig ist. Sie dürfte sogar von sämtlichen Reisenden kassiert werden.
Denn die Richter widersprechen einem wichtigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2012. Daraus stammt die Vorgabe, dass nur «privat veranlasste entgeltliche Übernachtungen» besteuert werden dürfen, keine «beruflich zwingend erforderlichen». Dienstreisende wurden in der Folge überall ausgenommen, die Steuer traf in erster Linie Touristen. Jetzt kommt aus Karlsruhe die überraschende Klarstellung: Das ist gar nicht erforderlich. Der Gesetzgeber könne bei dienstlichen Übernachtungen auf die Steuer verzichten, «muss dies aber nicht», teilte das höchste deutsche Gericht mit.
Die Richter sehen die Hotels durch den zusätzlichen Aufwand auch «nicht übermäßig» belastet, die Mitwirkung sei zumutbar. «Eine direkte Erhebung bei den Übernachtungsgästen wäre nicht praktikabel.»
Der Erste Senat stellte außerdem klar, dass die Länder die gesetzliche Grundlage für die Bettensteuern erlassen durften. Hier hatte der Vorwurf im Raum gestanden, die Abgabe sei der Umsatzsteuer des Bundes zu ähnlich. Die Richter sehen aber deutliche Unterschiede.
Nach der aktuellsten Übersicht des Dehoga hatten Anfang 2019 insgesamt 30 Kommunen eine Bettensteuer - Tendenz steigend: Die Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands, Ingrid Hartges, sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, inzwischen seien es 40 bis 50 Kommunen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) spricht von gut 40.
Der DStGB erwartet, dass nun mehr Städte und Gemeinden über eine Übernachtungssteuer nachdenken dürften. «Diese ist nicht zuletzt gerechtfertigt, weil Übernachtungsgäste vor Ort die Infrastruktur der Kommune in Anspruch nehmen», teilte der Verband mit. «Zudem sind viele Städte und Gemeinden wegen ihrer schlechten Finanzlage dazu gezwungen, jede mögliche kommunale Steuer vor Ort zu erheben.»
Nach einer groben Schätzung des DStGB verschaffte die Bettensteuer den Kommunen vor Ausbruch der Corona-Pandemie Einnahmen von bundesweit rund 80 bis 100 Millionen Euro im Jahr.
Auch der Deutsche Städtetag rechnet damit, dass weitere Städte eine Bettensteuer einführen. «Die Steuer ist sinnvoll, denn damit bezahlen die Städte oft wichtige Tourismusprojekte oder Infrastruktur vor Ort», erklärte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.
Der Deutsche Tourismusverband gab zu bedenken, dass die Bettensteuer nicht zweckgebunden ist. Es müsse bezweifelt werden, ob sie «das richtige Instrument ist, für eine nachhaltige, verlässliche und faire Finanzierung touristischer Aufgaben zu sorgen».
Die Hotelbranche zeigte sich «maßlos enttäuscht» von der Entscheidung. Sie bedeute «nach den massiven Umsatzeinbrüchen durch die Corona-Pandemie einen weiteren herben Schlag», teilten der Dehoga und der Hotelverband Deutschland (IHA) gemeinsam mit. «Wir appellieren an die Kommunen, diese Entscheidung nicht als Ermunterung zu verstehen, jetzt Bettensteuern einzuführen und die Hoteliers und Gäste mit neuen Belastungen zu konfrontieren.»
Fragen und Antworten zur Bettensteuer
Citytax, Kulturförderabgabe, Beherbergungssteuer - der Name ist überall anders, das Grundprinzip gleich: In etlichen deutschen Städten werden Reisende fürs Übernachten extra zur Kasse gebeten. Hoteliers aus Hamburg, Bremen und Freiburg wollten die Bettensteuern mit Klagen beim Bundesverfassungsgericht kippen. Erreicht haben sie genau das Gegenteil, wie die am Dienstag veröffentlichte Entscheidung zeigt. (Az. 1 BvR 2868/15 u.a.)
Warum kassieren Städte auf eine Bettensteuer?
Stadtkämmerer haben angesichts leerer Kassen neue Einnahmequelle gesucht und die Bettensteuer gefunden. Die Stadt Köln begann 2010 eine Abgabe von Übernachtungsgästen zu kassieren. Etliche Städte haben das Modell aufgegriffen. Vorher hatte es nur vereinzelt solche Steuern gegeben, zum Beispiel in Weimar seit 2005.
Wie verbreitet sind die Bettensteuern?
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat zuletzt Anfang 2019 offiziell nachgezählt - damals erhoben 30 Kommunen eine Bettensteuer, darunter Berlin, Flensburg, Schwerin, Münster, Erfurt und Dresden. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass es mehr als 40 sind. An vielen anderen Orten gab es Anläufe, die vor Gericht endeten. Nach den Dehoga-Angaben von vor drei Jahren wurden Bettensteuern in ungefähr 60 Städten und Gemeinden «gerichtlich aufgehoben, ausgesetzt, politisch abgelehnt oder abgeschafft». Nicht zu verwechseln ist die Bettensteuer mit der Kurtaxe, die nur von anerkannten Erholungsorten erhoben werden darf und zweckgebunden ist.
Wie funktioniert die Bettensteuer?
Die Abgabe fällt zusätzlich zum eigentlichen Übernachtungspreis an. Viele Kommunen verlangen je Aufenthaltstag um die fünf Prozent. Manchmal muss auch ein fester Betrag abgeführt werden, zum Beispiel drei Euro pro Nacht. In Hamburg ist die Höhe nach dem Übernachtungspreis gestaffelt. Für Kinder gibt es oft eine Ausnahme. Für das Eintreiben ist die Unterkunft zuständig - einer von vielen Gründen, warum den Hotels die Steuer ein Dorn im Auge ist.
Was hat das Bundesverfassungsgericht entschieden?
Die Bettensteuern sind in jeder Hinsicht mit dem Grundgesetz vereinbar. «Sie belasten die betroffenen Beherbergungsbetriebe nicht übermäßig», schreiben die Karlsruher Richterinnen und Richter. «Eine direkte Erhebung bei den Übernachtungsgästen wäre nicht praktikabel.» Außerdem wird klargestellt, dass die Bettensteuer etwas Eigenes und keine Umsatzsteuer in anderem Gewand ist. Das ist ein zentraler Punkt, denn laut Grundgesetz dürfen die Länder nur örtliche Aufwandsteuern kassieren, «solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind».
Warum könnte sich der Beschluss als Bumerang erweisen?
Die Richter gehen noch weiter: Nach ihrer Entscheidung darf die Bettensteuer auch von Geschäftsreisenden kassiert werden. Darauf hatten die Städte und Gemeinden bisher wegen eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts von 2012 verzichten müssen, das die Besteuerung «beruflich zwingender» Übernachtungen verbot. Karlsruhe korrigiert diese Rechtsprechung und lässt dem Gesetzgeber freie Hand.
Wie geht es jetzt weiter?
Viele Städte und Gemeinden, die bisher keine Bettensteuer haben, dürften prüfen, ob sich für sie eine Einführung lohnt. Geschäftsreisenden kann es passieren, dass künftig auch sie zahlen müssen. Was wo sinnvoll sei, lasse sich nicht pauschal beantworten, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. «Klar ist: Die Übernachtungssteuern leisten aktuell in vielen Städten einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der Tourismusinfrastruktur.» Nach einer groben Schätzung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds verschaffte die Bettensteuer den Kommunen vor Ausbruch der Corona-Pandemie Einnahmen von bundesweit rund 80 bis 100 Millionen Euro im Jahr. Und viele Städte und Gemeinden seien wegen ihrer schlechten Finanzlage gezwungen, jede mögliche Steuer zu erheben.
Und die Hotels?
Sei appellieren an die Kommunen, die Karlsruher Entscheidung «nicht als Ermunterung zu verstehen». Die Beherbergungsbetriebe seien wichtige Leistungsträger vor Ort und müssten sich nun zuallererst von der Pandemie erholen, mahnt der Dehoga mit dem Hotelverband Deutschland (IHA). «Da ist es absolut kontraproduktiv in Zeiten hoher Inflation und explodierender Energiepreise jetzt über neue Belastungen der Hotels und ihrer Gäste nachzudenken.» (Mit Material der dpa)