Tourismusexperte: Betten in Deutschland werden nicht reichen 

| Hotellerie Hotellerie

Bayerischer Wald statt Bretagne, Mecklenburg statt Mallorca: Sommerurlaub im Ausland ist aufgrund der verlängerten Reisewarnung bis Mitte Juni praktisch unmöglich. Angesichts weiterhin geschlossener Grenzen ist auch höchst unsicher, ob das Reisen zu Zielen außerhalb Deutschlands in der Zeit danach - also zum Beispiel in den Sommerferien - überhaupt möglich sein wird. Machen dieses Jahr deshalb nun alle Urlaub im eigenen Land? Und wie könnte das klappen? Der Tourismusforscher Prof. Torsten Kirstges wagt einen Ausblick, was für Urlauber und ihre Pläne wichtig sein wird.

Die Reisewarnung für Auslandsreisen soll nun mindestens bis 14. Juni gelten. Erleben wir im Sommer nun also den großen Ansturm auf die deutschen Ferienziele?

Prof. Torsten Kirstges: Dies würde ich den deutschen Feriengebieten natürlich gönnen. Es wird sicherlich zu mehr Buchungswünschen für Reisen innerhalb Deutschlands kommen, aber aktuell sind ja auch die Hotels und Restaurants innerhalb Deutschlands weitgehend geschlossen.

Werden die Preise richtig nach oben gehen?

Kirstges: Tendenziell wird es sicherlich in der einen oder anderen sehr gefragten deutschen Destination zu Preiserhöhungen kommen. Aber die deutschen Regionen werden nach wie vor in Konkurrenz zueinander stehen. Außerdem bringt es kein Urlaubsfeeling, mit Mundschutz den weitgehend gesperrten Nordseestrand von der Ferne aus zu betrachten. Von gewaltigen Preissprüngen gehe ich daher nicht aus.

Gibt es überhaupt genug Hotelbetten und Ferienwohnungen für alle Urlauber, die jetzt in Deutschland bleiben werden?

Kirstges: Eindeutig nein. Rund drei Viertel aller längeren Urlaubsreisen der Deutschen gehen zu normalen Zeiten ins Ausland, vor allem nach Spanien, Italien, Griechenland, Österreich und in die Türkei. Das sind mehr als 50 Millionen Auslandsurlaubsreisen pro Jahr mit im Schnitt jeweils rund 13 Übernachtungen. Diese Bettenkapazität muss man erstmal haben. Hinzu kommen Kurzurlaubsreisen.

Urlaubshungrige, die eigentlich in der ersten Jahreshälfte ihren Haupturlaub machen wollten, werden ihn nun nachholen wollen. Nach dem Stress mit Home-Schooling und Kinderbetreuung zu Hause brauchen gerade Familien eine Erholungszeit. Das Sommerschulferien-Fenster ist aber auf circa zehn Wochen über alle Bundesländer begrenzt.

Wenn jetzt also auch noch viele der üblichen Auslandsurlauber innerhalb Deutschlands verreisen wollten, würde die vorhandene Kapazität hierzulande - selbst unter Einberechnung der letzten verfügbaren Betten auf dem flachen Land - niemals ausreichen.

Sollte ich jetzt schnell buchen, um noch etwas zu bekommen?

Kirstges: Ich gehe in der Tat davon aus, dass die touristischen Kapazitäten in Deutschland schnell ausgebucht sein werden, wenn zumindest gewisse Lockerungen endlich beschlossen werden. Ich gehe aber auch davon aus, dass die Politik doch noch zur Vernunft kommt und die Reisefreiheit zumindest im Schengenraum ab Mitte Juni wieder herstellt. Alles andere wäre nicht nur irrational angesichts der enormen gesellschaftlichen Kollateralschäden, sondern würde auch das Ende vieler Tourismusunternehmen und damit Arbeitsplätze in Deutschland sowie weltweit bedeuten.

Theoretisch kann man ja immer noch später im Sommer nach Mallorca oder Griechenland fliegen. Halten Sie das für realistisch?

Kirstges: Ja, durchaus. Es macht meiner Ansicht nach aber vor allem wenig Sinn, zum Beispiel eine Ferienhausbuchung in Österreich, den Niederlanden, Italien oder Frankreich zu verbieten, wenn eine Familie mit dem eigenen Auto dorthin fährt und relativ gut isoliert ihren Land-, Berg-, Wander- oder Strandurlaub verbringen kann.

Mit welchem Risiko ist die Planung eines Auslandsurlaubs im Sommer zum Beispiel in Spanien oder die Türkei verbunden?

Kirstges: Wer seinen Urlaub bei einem deutschen Reiseveranstalter bucht und ihn dann wegen einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes nicht antreten kann oder will, hat Anspruch auf Kündigung und Rückerstattung von bereits geleisteten Zahlungen. Hier bietet die Pauschalreise gegenüber individuellen Buchungen einen guten Schutz. Von daher: Ja, Sie können zumindest ohne großes finanzielles Risiko Reisen für Juli und danach buchen.

Das Risiko besteht natürlich darin, dass der ersehnte Urlaub dann doch nicht angetreten werden kann, zum Beispiel weil im Reiseland weiterhin eine Einreisesperre besteht. Oder dass der Veranstalter insolvent wird und die verpflichtende Insolvenzabsicherung über alle Insolvenzfälle gerechnet nicht ausreichend sein sollte. Hoffen wir, dass es dazu nicht kommt.

Zur Person: Prof. Torsten Kirstges lehrt Tourismuswirtschaft an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Motel One Group hat das Geschäftsjahr 2023 mit einem Rekordumsatz von 852 Millionen Euro abgeschlossen, was einen Anstieg von rund 33 Prozent zum Vorjahr bedeutet. Damit war es das erfolgreichste Geschäftsjahr der Unternehmensgeschichte.

RTL berichtete in seinem Investigativ -Format über die Reinigungsbranche. Das „Team Wallraff“ nahm auch das Jufa-Hotel in Hamburg unter die Lupe. Die Hotelgruppe zeigt sich jetzt bestürzt über das Ergebnis der Reportage.

Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, hat sich dafür ausgesprochen, die Umwandlung von Wohnungen in Ferienwohnungen etwa für die Online-Plattform Airbnb zu begrenzen. Barley sprach am Montag in Berlin von einer Unsitte, die begrenzt werden solle.

Stehende Ovationen im Europa-Park: Zwei besondere Arbeitgeber sind beim „Hotelier des Jahres 2024“ der ahgz Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung ausgezeichnet worden. Der Special Award ging an das inklusive Konzept Anne-Sophie in Künzelsau. Carmen und Reinhold Würth sowie Jutta und Christian Helferich nahmen den Preis entgegen. Hoteliers des Jahres wurden Natalie Fischer-Nagel & Frank Nagel vom Resort Weissenhaus.

Die beliebte Ferienunterkunft „Villa 54 Grad Nord“ schließt dauerhaft ihre Türen. Dies verkündeten die Betreiber nun auf Facebook sowie auf ihrer Website. Für viele Urlauber kommt die Nachricht überraschend – das Appartementhaus wurde erst in diesem Jahr grundlegend renoviert.

Hilton hat das Anglo American Hotel Florenz, Curio Collection by Hilton, eröffnet. Damit schließt sich das neue Haus den 36 Hotels der Hilton-Marken in Italien an. Auf die Gäste warten 118 Zimmer und Suiten.

Experten haben ein massives Sicherheitsproblem bei ibis aufgedeckt. Offenbar konnte über ein Check-in-Terminal auf die Buchungsdaten fremder Gäste zugegriffen werden, inklusive Zimmernummern und Zugangscodes. (Mit Accor Stellungnahme)

Auf dem Gelände des Resorts Tropical Island​​​​​​​ ist ein neuer Hotelkomplex eröffnet worden. Die Erweiterung mit direktem Zugang zur Tropenhalle mit Wasserlandschaft verfügt über 150 Zimmer und insgesamt 500 zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten.

Der Hotelier Marco Nussbaum beklagt, dass die Vielzahl von Informationen, sowie die Belanglosigkeit mancher Beiträge im Internet, es immer schwieriger machten, relevante Inhalte herauszufiltern. Zudem gebe es in der Hotellerie Protagonisten, die mehr Schein als Sein böten und wahre Leistungen durch Selbstinszenierung überdecken würden. Nussbaum wünscht sich mehr Bessermacher, statt Besserwisser.

Die Fußball-EM bringt diesen Sommer Fans aus ganz Europa nach Leipzig. Wer in Innenstadtnähe in einem Hotel übernachten will, muss sich beeilen. Auf den naheliegenden Campingplätzen hingegen soll es, nach Einschätzung einiger Betreiber, noch ausreichend Plätze für Fußball-Fans geben.