Stand-up-Paddling, kostenlose Yoga-Kurse, Nutzung der Fitness-Räume, Rabatte oder ein Gratis-Kurzurlaub auf Fuerteventura? Derartige Incentives (Anreize) werden auch in der Hotel- und Gastronomie-Branche zur Mitarbeiterbindung genutzt.
«In der heutigen Arbeitswelt erwarten Fachkräfte und Bewerbende sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Incentive-Programme von Unternehmen. Solche Programme tragen zur Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung bei und sind oft entscheidend bei der Wahl des Arbeitgebers», betont Christiane Winter-Thumann von der Hotelgruppe Arcona, die auch mehrere Häuser in MV betreibt.
Weiterbildung, Home-Office-Tage, Jubiläumsprämien sind auch bei Arcona Standard. Pluspunkte bringen sollen zudem kostenlose Pausenverpflegung, die Nutzung von Fitnessbereichen in entsprechend ausgestatteten Häusern oder rabattierte Mitarbeiterpreise für Aufenthalte in den Hotels bringen. «Die Bewerbungsgespräche haben inzwischen immer mehr einen Perspektivwechsel, in dem es nicht mehr nur darum geht, was kann der Bewerbende für das Unternehmen tun, sondern vielmehr die Frage im Raum steht, was tut der Arbeitgeber für den Bewerbenden», berichtet Winter-Thumann.
«Das sind wir hoch einfallsreich.»
Die Rabatte, die Hotels ihren Belegschaften anbieten, sind dabei je nach Haus und Größe sehr unterschiedlich. Das können schon mal Nachlässe von 50 Prozent oder auch deutlich mehr sein, wie der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Mecklenburg-Vorpommern, Lars Schwarz sagt.
Es gebe aber bei Incentive-Programmen den «ganzen Blumenstrauß». Vom Firmenfahrrad über kostenlose oder rabattierte Spa-Angebote, Mitarbeiterwohnungen oder Kooperationen zwischen Hotels für gegenseitige Mitarbeiterangebote. «Da ist unsere Branche seit Jahren hoch einfallsreich», so Schwarz. Allerdings müssten etwaige steuerrechtliche Auswirkungen beachten werden. Stichwort: geldwerte Vorteile.
Das Fünf-Sterne-Hotel Neptun in Warnemünde listet neben unbefristeten Arbeitsverträgen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Sonn- und Feiertagszuschlägen eine ganze Reihe von Extra-Incentives auf: Urlaubsvergünstigungen für Beschäftigte, deren Familie und Freunde, Frühstück, Mittag und Abendessen für jeweils nur 1 Euro, Rabatte bei mehr als 1.500 Anbietern, ein betriebliches Gesundheitsmanagement, wobei die Ostsee-Lage nützlich ist.
«Im Sommer geht es direkt an den Strand vor unsere Tür zum Stand-up-Paddling oder Beachvolleyball, in den anderen Monaten können die Kolleginnen und Kollegen zwischen weiteren Kursen im hoteleigenen Wellnessbereich wählen, wie Yoga, Wassergymnastik oder Rückenschule», sagt Hotelsprecherin Silke Greven.
Stand-up-Paddling oder ab nach Fuerteventura
Die Industrie- und Handelskammer zu Rostock sieht eine Win-win-Situation für Beschäftigte und Betriebe. «Viele Unternehmen bieten Anreize für Mitarbeitende an. Die Bandbreite der Anreize ist dabei sehr weit und je nach Branche höchst individuell. Dabei kommt es darauf an, was zu den Unternehmen und deren Mitarbeitenden am besten passt», so IHK-Sprecherin Sabine Zinsgraf.
Bei Auszubildenden beteiligen sich Unternehmen vielfach an den Kosten für den Berufsschulbesuch oder für die An- oder Abfahrt, wenn etwa das Azubi-Ticket nicht genutzt werden könne, weil beispielsweise kein ÖPNV vorhanden sei. Einige Unternehmen mieteten teilweise Wohnungen für ihre Auszubildenden an.
Einen besonderen Anreiz bot das Hotel Tarnewitzer Hof im Ostseebad Boltenhagen seinen Angestellten. «Vom 15. bis 20. Januar 2025 genießen wir alle eine wohlverdiente Auszeit auf der sonnigen Insel Fuerteventura!», verabschiedete sich die 30-köpfige Belegschaft inklusive Junior- und Senior-Chefin kürzlich auf Firmenkosten in einen fünftägigen Urlaub, über den auch die «Ostsee-Zeitung» (OZ) und die «Bild»-Zeitung berichteten.
Pro Person inklusive Flug fielen 900 Euro an. Keine kleine Summe. Vor zwei Jahren war Mallorca das Ziel. «Wir überlegen, ob wir in zwei Jahren wieder so etwas machen», sagte Junior-Chefin des Hotels, Nicole Kühnemann. Es habe allen viel Spaß gemacht und für den Teamgeist seien die Tage super gewesen. Über Fachkräftemangel brauche man sich wenig Sorgen zu machen. Fluktuation gebe es kaum, so Kühnemann. «Wir sind schon eine Ewigkeit vollständig.»
Blick nach Schleswig-Holstein
Auch in Schleswig-Holstein setzt die Hotel- und Gaststättenbranche vielerorts auf nicht finanzielle Anreize, um Beschäftigte zu gewinnen und zu halten. Dazu zählen unter anderem Rabatte, Teamevents oder Weiterbildungen. Es sei zwar nicht mehr ganz so schlimm wie zum Ende der Corona-Zeit, sagte der Hauptgeschäftsführer des Dehoga Schleswig-Holstein, Stefan Scholtis. Aber immer noch könnten viele Betriebe nicht alle Stellen wieder besetzen.
Das liegt nach Angaben Scholtis zum einen am demografischen Wandel, zum anderen an gewandelten Ansprüchen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
«Nach unserer Konjunkturbefragungen gehört der Fach- und Arbeitskräftemangel seit Jahren zu den größten Geschäftsrisiken des Gastgewerbes», sagte auch die Tourismusexpertin der IHK Schleswig-Holstein, Sedef Atasoy. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen gibt demnach an, freie Stellen längerfristig nicht mehr besetzen zu können. Das habe auch Auswirkungen etwa auf Öffnungszeiten.
Stellen in der Branche im Schnitt knapp ein halbes Jahr vakant
Daten der Bundesagentur für Arbeit zufolge habe der Zeitraum zwischen der Ausschreibung einer offenen Stelle und deren Neubesetzung im vergangenen Jahr im Bundesschnitt bei rund 154 Tagen gelegen, sagte Atasoy. In Schleswig-Holstein lag sie bei etwa 162 Tagen. «Das spiegelt die besonderen Herausforderungen der Unternehmen in Schleswig-Holstein wider, qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu halten.»
Das Gastgewerbe steht in starkem Wettbewerb mit vielen anderen Branchen. «Junge Menschen legen zunehmend Wert auf eine gute Work-Life-Balance, flexible Arbeitszeiten und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung, was in anderen Branchen oft leichter umsetzbar ist», sagte Atasoy.
Hilfe bei der Wohnungssuche und Weiterbildungen
Viele Unternehmen in Schleswig-Holstein haben erkannt, wie wichtig es ist, sowohl neue Mitarbeiter zu gewinnen als auch bestehende langfristig zu binden. «Sie investieren in attraktive Arbeitsbedingungen, ermöglichen flexible Arbeitszeiten im Rahmen ihrer Möglichkeiten, unterstützen die berufliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter durch Schulungen und Weiterbildungen», sagte Atasoy. In Regionen mit knappem Wohnraum bieten einige Unternehmen subventionierte Wohnungen oder Wohnkostenzuschüsse an oder beteiligen sich an Jobtickets.
Kleinere Häuser haben es oft schwerer
Die Maritim Hotelkette, die auch mehrere Hotels in Schleswig-Holstein betreibt, bietet ihren Mitarbeitern etwa Fortbildungen, Mitarbeiterevents, vergünstigte Raten für Übernachtungen in Maritim-Hotels in ganz Europa oder Rabatte für verschiedene Produkte und Dienstleistungen, wie sie auf ihrer Homepage schreibt. Für kleinere Häuser oder Betriebe in kleineren Orten sei es schwieriger, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführer Scholtis.
Das haben auch Gastronomen und Hoteliers im beschaulichen Nordseeort St. Peter-Ording festgestellt. Hier haben vor einigen Jahren fünf Betriebe zur Mitarbeitergewinnung- und bindung das Nordsee-Kollektiv gegründet. «Wir können, wenn wir unsere Ressourcen bündeln, viel mehr erreichen, als wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht», sagte Alessia Mezzadonna, Leiterin des Personalwesens beim StrandGut Resort, das Teil des Nordsee-Kollektivs ist. «Wir haben alle das gleiche Mindset, die gleichen Werte, sind aber sehr unterschiedliche Häuser.» Und gemeinsam könne man es groß und richtig machen.
Es sei wichtig, dass man den Mitarbeitern etwas bietet, damit sie bleiben, sagte Mezzadonna. Vielen habe der Job zwar gefallen, aber sie hätten keinen Anschluss im Ort gefunden oder ihnen habe etwas gefehlt, ein Fitnessstudio zum Beispiel. Das eröffnete dann das Nordsee-Kollektiv für seine Beschäftigten, ebenso wie ein Crewhouse mit Wohnungen. Zudem gebe es Rabatte in den Partnerunternehmen. «Und was wir auch viel machen, sind gemeinsame Events.» (dpa)