Arbeitsminister Heil sieht höheren Mindestlohn nur als ersten Schritt

| Politik Politik

Der ab 1. Oktober geplante höhere Mindestlohn von zwölf Euro ist für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nur ein erster Schritt hin zu mehr Leistungsgerechtigkeit.

«Wir brauchen vor allem mehr ordentliche Tarifverträge», sagte Heil der «Passauer Neuen Presse» (Samstag). Nur noch 48 Prozent der Beschäftigten arbeiteten unter dem Dach eines Tarifvertrages, der in der Regel für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne sorgt. Der Staat müsse beim Thema Tariftreue mit gutem Beispiel vorangehen. «Deshalb werden wir auch dafür sorgen, dass zukünftig öffentliche Aufträge des Bundes nur noch an Unternehmen gehen, die nach Tarif bezahlen.»

Heil betonte, ab Mitte des Jahres könnten in der Altenpflege nur noch Einrichtungen mit der Pflegeversicherung abrechnen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlten. «Mir ist wichtig, dass wir in den kommenden vier Jahren einen neuen Anlauf unternehmen, um zu einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Altenpflege zu kommen», sagte Heil. Insgesamt habe die Pandemie deutlich gemacht, dass viele Menschen, die dieses Land am Laufen halten, keine einfachen Arbeitsbedingungen hätten – zum Beispiel in der Pflege, Logistik oder an der Supermarktkasse. «Wir brauchen mehr Leistungsgerechtigkeit und Respekt für diejenigen, die viel arbeiten, aber bisher zu wenig Lohn bekommen.»

Zudem habe Corona Entwicklungen beschleunigt, die den Arbeitsmarkt grundlegend veränderten. So arbeiteten etwa viel mehr Beschäftigte im Home-Office. «Wir werden daher einen neuen Rechtsrahmen für diesen Bereich schaffen», betonte der Minister. Bei den neuen digitalen Arbeitsformen müsse auf die Rechte der Arbeitnehmer geachtet werden. Auch in der Plattform-Ökonomie hätten Beschäftigte das Recht, Betriebsräte zu gründen. Heil bekräftigte, man werde härter dagegen vorgehen, wo dies unterdrückt werde. «Wer die Arbeit von Betriebsräten und deren Gründung behindert, wird es mit dem Staatsanwalt zu tun bekommen.» Dazu werde das Strafrecht verschärft.

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland soll zum 1. Oktober auf zwölf Euro steigen (Tageskarte berichtete). 6,2 Millionen Beschäftigte sollen davon profitieren, wie aus dem am Freitag vorgelegten Referentenentwurf des Bundesarbeitsministers hervorgeht. Derzeit liegt die Lohnuntergrenze bei 9,82 Euro je Stunde. Zum 1. Juli gibt es eine turnusgemäße Erhöhung auf 10,45 Euro. Durch die Anhebung der Arbeitsentgelte kommen auf die Arbeitgeber laut dem Entwurf höhere Lohnkosten von geschätzt rund 1,63 Milliarden Euro im Jahr 2022 zu. Die Preise für Güter und Dienstleistungen könnten sich moderat erhöhen.

Der Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Guido Zeitler, betonte am Wochenende, die Erhöhung des Mindestlohns käme nicht nur Geringverdienern in Hotels, Gaststätten, Bäckereien oder Fleischereien zugute, sondern auch der Wirtschaft: Nach Angaben des Pestel-Instituts würde die Kaufkraft bundesweit um 10,8 Milliarden Euro pro Jahr steigen und den Unternehmen höhere Umsätze bescheren. Die Ankündigung von Arbeitgeberverbänden, gegen den gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro mit dem Argument der Tarifautonomie zu klagen, nannte Zeitler «heuchlerisch». Richtig sei, dass Heil im nächsten Schritt für die Erhöhung der Tarifbindung sorgen wolle.

Der Nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warnte vor mehr Schwarzarbeit durch die geplante Erhöhung des Mindestlohns. «Ich gönne jedem die zwölf Euro», sagte Wüst dem Berliner «Tagesspiegel» (Sonntag). Es gehe hier aber um einen sprunghaften Anstieg des Mindestlohns um mehr als 20 Prozent. «Die Folge darf nicht Verdrängung in die Schwarzarbeit sein», betonte Wüst. Er hielte es für besser, wenn der Mindestlohn von den Tarifparteien bestimmt würde.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hatte die Zwölf-Euro-Pläne der Regierung als «grobe Verletzung der Tarifautonomie» kritisiert und die Prüfung einer Klage angekündigt. (dpa)


​​​​​​​

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die EU will Verpackungsmüll den Kampf ansagen. Geplante neue Regeln werden etwa in Europas Supermärkten und Restaurants zu spüren sein. Deutsche Ziele allerdings sind zum Teil ambitionierter. Fragen und Antworten.

Heute startet die ITB in Berlin. Am Freitag beginnt die Internorga in Hamburg. Menschen aus über 180 Ländern kommen diese Woche nach Deutschland. Die aktuellen Streikankündigungen treffen zehntausende Gäste mit voller Wucht. Branchenvertreter bringt das auf die Zinne.

Der nächste Streik der Lokführergewerkschaft GDL wird nach Darstellung der Deutschen Bahn «massive Auswirkungen» auf den Betrieb haben. Die CSU warf der Gewerkschaft in scharfen Worten einen Missbrauch des Streikrechts vor.

Die Regierung sieht fehlende Fachkräfte als zentrales Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Nun treten Regelungen in Kraft, die mehr Nicht-EU-Bürger auf den Arbeitsmarkt locken sollen.

Das EU-Parlament hat grünes Licht für strengere Transparenzregeln für große Vermietungsplattformen wie Airbnb, Booking, Expedia oder TripAdvisor gegeben. Unter anderem sollen Städte so besser gegen illegale Angebote auf den Plattformen vorgehen können.

Reisewirtschaft und Tourismusbranche haben eine gemeinsame Position zum Entwurf der Europäischen Kommission zur Revision der Pauschalreiserichtlinie vorgelegt, die die Akteure im Deutschlandtourismus sowie im In- und Outboundtourismus in dieser Frage vereint.

Das neue Kompetenzzentrum „Grüne Transformation des Tourismus“ hat seine Arbeit aufgenommen. Das Kompetenzzentrum soll als Informationsknotenpunkt rund um die grüne Transformation Wissen teilen, Best Practices hervorheben und Innovationen fördern.

Eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeit fordert die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag in einem Antrag. Auch der DEHOGA fordert, dass Unternehmen und Mitarbeiter, im Rahmen einer wöchentlichen Höchstgrenze, die Möglichkeit bekommen, die Arbeitszeit flexibler auf die Wochentage zu verteilen.

Im Rahmen des Entwurfs zum vierten Bürokratieentlastungsgesetz erneuert der BTW noch einmal seine Forderung nach zielführendem Bürokratieabbau für die Unternehmen der Tourismuswirtschaft.

EU-Pläne für einen besseren Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Online-Plattformen sind vorerst vom Tisch. Vor allem FDP-Vertreter hatten sich gegen das Gesetz ausgesprochen. Deutliche Kritik daran kam nun von der Gewerkschaft NGG.