«Besser geht's nicht»? - BGH nimmt Yelp-Bewertungen unter die Lupe

| Politik Politik

Internet-Bewertungen entscheiden mit, wo Leute essen gehen, ihr Auto in die Werkstatt geben oder Sport machen - aber wie errechnet ein Portal seine Noten? Und spielt das überhaupt eine Rolle? Diese Fragen klärt der Bundesgerichtshof (BGH) in den nächsten Wochen am Beispiel der Online-Plattform Yelp. Das Urteil soll am 14. Januar verkündet werden, wie die obersten Zivilrichter in Karlsruhe nach der Verhandlung am Dienstag festlegten. (Az. VI ZR 495/18 u.a.)

«Ich fühle mich schlecht bewertet», sagt die Klägerin, Renate Holland. Die zierliche 67-Jährige war einst Weltmeisterin im Bodybuilding. Heute betreibt sie mehrere Fitnessstudios im Raum München. «Meine Studios leiden darunter. Und ich lasse mir auch nicht meine gute Arbeit kaputtmachen und mein Lebenswerk.»

Auf Yelp können die Nutzer Restaurants, Dienstleister und Geschäfte bewerten - und eben auch Fitnessstudios. Zu vergeben sind ein Stern («Boah, das geht ja mal gar nicht!») bis fünf Sterne («Wow! Besser geht's nicht!»), außerdem kann man etwas schreiben. In die Gesamtbewertung fließen allerdings nicht alle Beurteilungen ein. Eine automatisierte Software identifiziert dafür die «empfohlenen Beiträge», die Yelp für besonders hilfreich oder authentisch hält.

Zu den Auswahlkriterien gehören laut Yelp beispielsweise die Qualität, die Vertrauenswürdigkeit und die bisherige Aktivität des Nutzers. Über den Filter sollen Gefälligkeitsbewertungen und Fälschungen aussortiert werden. «Aber viele sind auch echte Beiträge von echten Kunden, die wir einfach nur nicht gut genug kennen und daher nicht empfehlen können», heißt es auf der Seite.

«Das machen andere Plattformen genauso», sagt Yelp-Anwalt Stephan Zimprich. Es sei wichtig, dass ein Mechanismus existiere, der die Guten von den Schlechten trenne. «Ansonsten wäre der Verbraucher der Manipulation im Internet auch schutzlos ausgeliefert.»

Im Durchschnitt würden ungefähr drei Viertel aller Beiträge als empfohlen eingestuft, erklärt Yelp. Nicht so bei Renate Holland: Eines ihrer Studios steht im Februar 2014 mit 2,5 Sternen da. Grundlage sind zwei Bewertungen. 74 überwiegend sehr positive Beiträge bleiben unberücksichtigt. Ein anderes Studio bekommt drei Sterne aus drei Beiträgen. Hier lässt Yelp 75 Beiträge außen vor.

Solche «Beiträge, die zur Zeit nicht empfohlen werden», können zwar gelesen werden. Dazu muss der Nutzer auf der Seite aber weit nach unten scrollen und dort einen Link in unauffälligem Grau anklicken.

«Ich hätte normalerweise circa 4 bis 4,5 Sterne überall in allen Studios», sagt Holland. So seien Neukunden skeptisch oder blieben gleich ganz fern. Sie erzählt von einer Frau, die nach einem Probetraining sehr zufrieden gewesen sei. Zwei ihrer Freundinnen seien wegen der schlechten Bewertungen aber gar nicht mitgekommen.

Das Oberlandesgericht München gibt Holland vor einem Jahr Recht. Ein Bewertungsportal werde in erster Linie genutzt, um sich einen raschen Überblick über das Angebot in der Gegend zu verschaffen. Durchs Aussortieren so vieler Bewertungen entstehe «kein hilfreiches, sondern ein verzerrtes Gesamtbild». Die Richter sprechen Holland damals Schadenersatz zu und untersagen Yelp, ihre Studios weiter so zu bewerten. Aber das letzte Wort hat der Bundesgerichtshof.

Der Senat habe noch keine fertigen Lösungen, sagt der Vorsitzende Richter Stephan Seiters am Dienstag. Aber die Richter haben kritische Fragen zu dem Münchner Urteil: Kann der Nutzer auf der Seite nicht recht klar erkennen, dass sich der Sterne-Durchschnitt nur auf die darunter angezeigten Bewertungen bezieht? Und gibt es überhaupt ein Recht auf eine repräsentative Bewertung? Zumal diese ja auch nachteilig ausfallen könnte, wie die Richter anmerken.

Hollands BGH-Anwalt Axel Rinkler geht es um Transparenz. «Man ist diesen Bewertungen komplett ausgeliefert», kritisiert er. Der Algorithmus, der die Auswahl der Beiträge bestimme, sei Geschäftsgeheimnis - und damit für die Betroffenen nicht überprüfbar.

Tatsächlich macht Yelp nur einige wenige Kriterien öffentlich. Das gehe auch gar nicht anders, meint Anwalt Zimprich. «Wenn ich weiß, wie gefiltert wird, kann ich dafür sorgen, dass auch manipulierte Beiträge so manipuliert sind, dass sie durch den Filter durchkommen.»

(dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Der Bund der Steuerzahler Mecklenburg-Vorpommern hat die Ausweitung der Steuer von Privat- auf Geschäftsreisende in Schwerin als Abzocke kritisiert. Die Bettensteuer – wie auch die Tourismusabgaben – würden Verbraucher und Betriebe durch höhere Preise und Bürokratie belasten.

Die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse von Geflüchteten aus der Ukraine gelten bis zum 4. März 2025. Darüber informierte das Bundesinnenministerium den DEHOGA Bundesverband und andere Wirtschaftsverbände.

Tübingen ist vorgeprescht: Kaffeebecher und andere Einwegverpackungen werden in der Uni-Stadt besteuert. Andere Kommunen wollen jetzt nachziehen. Doch es gibt noch ein rechtliches Problem. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus.

Praxen seien als «Verfolgungsbehörden der Arbeitgeberverbände denkbar ungeeignet», schimpft der Präsident des Kinderärzteverbandes. Er verlangt, Ärzte bei Attesten und Bescheinigungen zu entlasten.

Für die Zeit der Fußball-EM hat das Bundeskabinett eine sogenannte „Public-Viewing-Verordnung“ beschlossen. Sie ermöglicht den Kommunen, Ausnahmen von den geltenden Lärmschutzregeln zuzulassen. Vergleichbare Verordnungen hatte es bereits bei früheren Fußball-Welt- und Europameisterschaften gegeben.

Die Institutionen der Europäischen Union haben sich am 15. März im sogenannten Trilog-Verfahren auf eine Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation - PPWR) geeinigt. Der Umweltausschuss (ENVI) und das Plenum des Europäischen Parlamentes werden die Einigung voraussichtlich noch im April annehmen.

Einigung im Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL: Insbesondere bei der 35-Stunden-Woche macht der Konzern weitgehende Zugeständnisse. Weitere Streiks sind damit vom Tisch.

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21. Februar 2024 bestätigt. Der DEHOGA stellt klar, dass aus Sicht des Verbandes die Inhalte des Wachstumschancengesetzes nicht ausreichen.

Arbeitgeber sollen die Bedingungen ihrer Arbeitsverträge nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig nicht mehr in Papierform mit Unterschrift an künftige Mitarbeiter aushändigen müssen. Ein entsprechender Passus soll in den Gesetzentwurf zur Bürokratieentlastung eingefügt werden.

Vor dem Hintergrund des schwierigen Konjunkturumfelds und einer hartnäckigen Schwächephase des deutschen Mittelstandes mahnt die Arbeitsgemeinschaft (AG) Mittelstand​​​​​​​ von der Wirtschaftspolitik dringend Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumskräfte an.