Bundesnetzagentur fürchtet Totalausfall der russischen Gaslieferungen

| Politik Politik

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, fürchtet einen Totalausfall russischer Gaslieferungen - und appelliert an die Bevölkerung, Energie zu sparen. Die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 «eine länger andauernde politische Wartung wird», sagte Müller den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag). Wenn der Gasfluss aus Russland «motiviert länger anhaltend abgesenkt wird, müssen wir ernsthafter über Einsparungen reden». Die zwölf Wochen bis zum Beginn der Heizsaison müssten genutzt werden, um Vorbereitungen zu treffen, sagte er.

Müller rief alle Haus- und Wohnungsbesitzer dazu auf, ihre Gasbrennwertkessel und Heizkörper rasch zu überprüfen und effizient einstellen zu lassen. «Eine Wartung kann den Gasverbrauch um 10 bis 15 Prozent senken», sagte er. «Das muss jetzt passieren und nicht erst im Herbst.» Um Engpässe bei den Handwerkerterminen zu überwinden, rief er alle Handwerker dazu auf, sich auf Heizung und Warmwasserversorgung zu konzentrieren. Außerdem solle in den Familien jetzt schon darüber geredet werden, «ob im Winter in jedem Raum die gewohnte Temperatur eingestellt sein muss - oder ob es in manchen Räumen auch etwas kälter sein kann».

Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte am Donnerstag deutlich gemacht, dass er ein vollständiges Ausbleiben russischer Gaslieferungen durch Nord Stream befürchtet. Es drohe ab dem 11. Juli «eine Blockade von Nord Stream 1 insgesamt», sagte der Grünen-Politiker. Deswegen könne es im Winter wirklich problematisch werden. Die Gasversorgung über den Sommer sei gewährleistet. Am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten von Nord Stream, die in der Regel zehn Tage dauern. Dann fließt kein Gas durch Nord Stream 1. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Im Falle eines Gas-Lieferstopps würden Müller zufolge Privathaushalte ebenso wie Krankenhäuser oder Pflegeheime besonders geschützt. «Ich kann zusagen, dass wir alles tun, um zu vermeiden, dass Privathaushalte ohne Gas dastehen», sagte er. «Wir haben aus der Corona-Krise gelernt, dass wir keine Versprechungen geben sollten, wenn wir nicht ganz sicher sind, dass wir sie halten können.» Die Netzagentur sehe allerdings «kein Szenario, in dem gar kein Gas mehr nach Deutschland kommt». Müssten Industriebetriebe von der Gasversorgung getrennt werden, «orientieren wir uns am betriebswirtschaftlichen Schaden, am volkswirtschaftlichen Schaden, an den sozialen Folgen und auch an den technischen Anforderungen des Gasnetzbetriebs», sagte Müller.

Die Bundesregierung empfiehlt Unternehmen derweil die Anschaffung von Notstromaggregaten als Vorbeuge-Maßnahme gegen eine Zuspitzung der Gas-Knappheit. Mit den Generatoren sollten mögliche Stromausfälle aufgefangen werden, berichtete die „Bild“-Zeitung vorab unter Verweis auf eine Antwort von Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen (Grüne) an den CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger. „Empfehlenswert ist die Ausstattung mit Notstromaggregaten insbesondere für Betreiber von kritischer Infrastruktur“, zitiert das Blatt aus einem Schreiben von Graichen. Grund sei, dass es im Krisenfall keine Abschaltreihenfolge gebe.

„Im Falle einer Mangellage bei Gas oder Strom übernimmt die Bundesnetzagentur (...) die Funktion des Bundeslastverteilers. Ihr obliegt dann in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern die Verteilung von Gas oder Strom“, schreibt Graichen. Er empfehle, dass die Notstromaggregate eine Überbrückungszeit von 72 Stunden haben sollen, berichtet „Bild“.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, fürchtet nach eigenen Worten einen Totalausfall russischer Gaslieferungen – und appelliert an die Bevölkerung, Energie zu sparen. Die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 „eine länger andauernde politische Wartung wird“, sagte Müller den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Unterdessen geht die norwegische Regierung davon aus, spätestens ab 2024 noch mehr Gas liefern zu können. «Unternehmen prüfen jetzt Projekte, um ihre Gaslieferungen ab 2024 und 2025 erhöhen zu können», sagt Terje Aasland, Norwegens Öl- und Energieminister, der «Wirtschaftswoche». «Die Krise im Energiesektor wird langfristige Auswirkungen haben. Wir müssen uns darauf konzentrieren, dass in neue Gasproduktionskapazitäten investiert wird.» Norwegens Unternehmen hätten noch nie so viel Erdgas vom norwegischen Festlandsockel exportiert wie derzeit. «Wir unterstützen unsere europäischen Freunde dabei, so schnell wie möglich unabhängig von russischem Öl und Gas handeln zu können.»

Wirtschaftsminister rufen zum Gassparen auf

Die Wirtschaftsminister der Bundesländer haben nach ihrer Frühjahrskonferenz an Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger appelliert, angesichts der im Winter drohenden Engpässe Gas einzusparen. «Wir sind uns einig: jede Kilowattstunde zählt», sagte die Vorsitzende der Wirtschaftsministerkonferenz, die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne), nach dem Treffen am Freitag in Dortmund. Es gehe jetzt darum, die Gasspeicher vor dem Winter so gut wie möglich gefüllt zu bekommen.

Der Saarländische Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) sagte, es gebe große Sorgen, dass nach der anstehenden Wartung der Gaspipeline Nordstream 1 die Lieferungen aus Russland nicht wiederaufgenommen würden. Es sei deshalb im Interesse aller Beteiligten in Deutschland, schon jetzt Gas zu sparen. Die Einspareffekte seien gut für den eigenen Geldbeutel, aber auch wichtig zur Sicherung der Arbeitsplätze.

An die Bundesregierung appellierte die Wirtschaftsministerkonferenz, ihre Anstrengungen für eine langfristige Sicherung von Rohstoffen, Energiebezugs- und Absatzmärkten weiter zu verstärken. Die ungesunde Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen müsse so schnell wie möglich beendet werden. Neubaur betonte, Bund und Länder zögen bei der Bewältigung der Krise an einen Strang.

«Wir sind uns der Verantwortung als Wirtschaftsminister jedes einzelnen Landes vollkommen bewusst, wie notwendig es ist, die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten - auch mit Maßnahmen, an die wir alle zusammen vor vier Monaten vielleicht noch nicht einmal im Traum gedacht haben», sagte Neubaur. Gemeinsam würden Bund und Länder den Herausforderungen mit aller Kraft begegnen. Dabei halte man aber unverändert am Ziel einer künftig klimaneutralen Produktionsweise auf Basis von erneuerbaren Energien fest. (Mit dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Praxen seien als «Verfolgungsbehörden der Arbeitgeberverbände denkbar ungeeignet», schimpft der Präsident des Kinderärzteverbandes. Er verlangt, Ärzte bei Attesten und Bescheinigungen zu entlasten.

Für die Zeit der Fußball-EM hat das Bundeskabinett eine sogenannte „Public-Viewing-Verordnung“ beschlossen. Sie ermöglicht den Kommunen, Ausnahmen von den geltenden Lärmschutzregeln zuzulassen. Vergleichbare Verordnungen hatte es bereits bei früheren Fußball-Welt- und Europameisterschaften gegeben.

Die Institutionen der Europäischen Union haben sich am 15. März im sogenannten Trilog-Verfahren auf eine Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation - PPWR) geeinigt. Der Umweltausschuss (ENVI) und das Plenum des Europäischen Parlamentes werden die Einigung voraussichtlich noch im April annehmen.

Einigung im Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL: Insbesondere bei der 35-Stunden-Woche macht der Konzern weitgehende Zugeständnisse. Weitere Streiks sind damit vom Tisch.

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21. Februar 2024 bestätigt. Der DEHOGA stellt klar, dass aus Sicht des Verbandes die Inhalte des Wachstumschancengesetzes nicht ausreichen.

Arbeitgeber sollen die Bedingungen ihrer Arbeitsverträge nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig nicht mehr in Papierform mit Unterschrift an künftige Mitarbeiter aushändigen müssen. Ein entsprechender Passus soll in den Gesetzentwurf zur Bürokratieentlastung eingefügt werden.

Vor dem Hintergrund des schwierigen Konjunkturumfelds und einer hartnäckigen Schwächephase des deutschen Mittelstandes mahnt die Arbeitsgemeinschaft (AG) Mittelstand​​​​​​​ von der Wirtschaftspolitik dringend Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumskräfte an.

Die Bürokratie in Deutschland ist immens. Die Bundesregierung kündigt mit großen Worten eine Entrümpelung an. Der DEHOGA sagt: Das reicht noch lange nicht. Der Verband sagt, dass insgesamt immer noch viel zu wenig Bürokratieentlastung im Betriebsalltag der Unternehmen ankomme.

Bund und Länder haben sich, wie insbesondere von den Steuerberatern gefordert und vom DEHOGA unterstützt, auf eine letztmalige Fristverlängerung für die Schlussabrechnung bei den Coronahilfen bis Ende September 2024 geeinigt, sofern eine Fristverlängerung bis zum 31. März 2024 beantragt und bewilligt wurde.

In Berlin arbeiten viele Menschen unter prekären Bedingungen, sagen Fachleute. Häufig nutzen ihre Chefs schamlos aus, dass sie kein Deutsch sprechen oder sich illegal hier aufhalten. Einen Schwerpunkt dabei bilde laut Hauptzollamt das Gastgewerbe.