Bundesregierung will Corona-Hilfen verlängern

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Die große Koalition will, trotz Impffortschritten und sinkender Infektionszahlen, die Corona-Hilfen für Unternehmen über den Juni hinaus verlängern. Nächste Woche werde es dazu aller Wahrscheinlichkeit nach eine abschließende Einigung geben, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Altmaier zog in Berlin Bilanz der Konjunkturpakete und sagte: „Es wird aber auch Unternehmen geben, die auch weiterhin nicht in vollem Umfang öffnen können und deren Umsätze nicht sofort wieder anspringen. Die Bundesregierung will deshalb die Corona-Hilfen über den 30. Juni 2021 hinaus verlängern. Eine abschließende Einigung erwartet der Bundeswirtschaftsminister in der nächsten Woche. „Wir werden sicherstellen, dass es nur diejenigen erfasst, die es auch tatsächlich brauchen“. Der Nachweis von mindestens 30 Prozent Umsatzrückgang ist Voraussetzung für den Erhalt von Hilfsgeldern. Das sei auch Teil einer verantwortlichen und geordneten Rückkehr zu den Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft.

Branchenübergreifend 25 Milliarden Euro an Überbrückungshilfe, November- und Dezemberhilfe ausgezahlt

Peter Altmaier sagte, man habe dafür gesorgt, „dass hunderttausende, vermutlich deutlich mehr als eine Million Arbeitsplätze, erhalten und gesichert werden konnten“. Für das Gastgewerbe sicher von besonderer Bedeutung waren im vergangenen Jahr fraglos die November- und Dezemberhilfe sowie die Überbrückungshilfe. Ausgezahlt wurden bis zum ersten Juni 2021 nach aktuellen BMWi-Zahlen für alle betroffenen Branchen zusammen 25 Milliarden Euro dieser Hilfen - davon gut 13 Milliarden Euro Überbrückungshilfe sowie 12 Milliarden Euro November- und Dezemberhilfe.

Ein Jahr «Wumms»-Paket - Was ist davon geblieben?

Es ist eins der geflügelten Worte der Corona-Krise: «Wumms». Vor genau einem Jahr, die Wirtschaft war grad abgestürzt wie selten zuvor, beschloss die Bundesregierung ein milliardenschweres Konjunkturpaket, das Bürgern und Betrieben auf die Beine helfen sollte. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) lieferte das viel beachtete Zitat dazu: «Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen.» Daran müssen sich Scholz und der Rest der schwarz-roten Koalition nun messen lassen: Was ist geblieben nach einem Jahr «Wumms» - und wie geht es weiter?

Lange war von der so vollmundig angekündigten Trendwende nämlich wenig zu spüren - nach leichter Erholung im Sommer stattdessen weitere Lockdowns, düstere Aussichten. Im ersten Quartal 2021 schrumpfte die Wirtschaftsleistung wegen des schwachen privaten Konsums noch einmal um 1,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal.

Doch die Impfkampagne, sinkende Corona-Zahlen und eine Erholung im Welthandel lassen jetzt hoffen. Vizekanzler Scholz zieht bereits ein positives Fazit: «Der Wumms ist in vollem Gange», sagt er. «Dadurch, dass wir dieses viele Geld eingesetzt haben, ist es gelungen, die Wirtschaft zu stabilisieren. Wir sind viel besser durch die Krise gekommen als alle vorher gesagt haben.» Nun müsse «Wachstum in großem Maße» organisiert werden.

Das Konjunkturpaket hatte einen Umfang von 130 Milliarden Euro. Für fast jeden war etwas dabei: Eine mehrmonatige Senkung der Mehrwertsteuer und ein Kinderbonus sollten den privaten Konsum ankurbeln, höhere Prämien den Kauf von Elektroautos. Mit einer Senkung der EEG-Umlage wurden Stromkunden entlastet. Für Kommunen gab es Milliardenhilfen, für besonders belastete Firmen auch. Ganz besonders habe man auf Familien und Bürger mit kleinen Einkommen geachtet, betont SPD-Kanzlerkandidat Scholz.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht von einem «beispiellosen gemeinsamen Kraftakt». Deutschland habe die Rezession besser überstanden als von vielen erwartet. Es seien Hunderttausende, vermutlich bis zu einer Million Arbeitsplätze gesichert worden.

Arbeitgeber, Gewerkschaften sowie Ökonomen sind sich einig: Das Paket hat die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie abgefedert. Zwar brach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vergangenen Jahr um 4,9 Prozent ein - aber: «Alles in allem hat das Konjunkturpaket allein im vergangenen Jahr den Rückgang des BIP um 1,3 Prozentpunkte geringer ausfallen lassen», sagt der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claus Michelsen. Scholz ist sicher: Das Paket hat nicht nur eine fatale Abwärtsspirale verhindert, sondern auch den Weg für einen starken Aufschwung bereitet.

Doch nicht alle sind überzeugt, dass die Maßnahmen auch nachhaltig wirken. Nach DIW-Berechnungen hat die Mehrwertsteuersenkung die Wirtschaftsleistung in der zweiten Hälfte 2020 zwar um 0,5 Prozent erhöht. Die Leute kauften Elektrogeräte, Möbel, Fahrräder und Autos. Oft aber hätten sie ohnehin geplante Käufe nur vorgezogen - entsprechend geringer sei die Nachfrage deshalb in diesem Jahr.

Die höhere Prämie für E-Autos hat die Zahl der Neuzulassungen deutlich steigen lassen, auch wenn Benziner und Diesel nach wie vor dominieren. Doch in den kommenden Jahren sind noch massiv mehr E-Autos nötig, damit Autobauer EU-Vorgaben einhalten und Klimaziele erreicht werden. Und das Ladenetz muss Schritt halten.

Bewusst wollte die Bundesregierung mit ihrem Corona-Konjunkturpaket nicht nur schnell den Konsum ankurbeln, sondern auch langfristig Investition in den Klimaschutz anstoßen. Doch ist dieser Impuls gelungen? DIW-Konjunkturchef Michelsen erwartet in den kommenden fünf Jahren tatsächlich einen richtigen Schub. «Studien zeigen, dass Investitionen gerade in Rezessionen, gleichzeitig hoher Unsicherheit und bei niedrigen Zinsen besonders kräftige Wirkung entfalten.» Um Herausforderungen etwa im Bereich der Energiewende, der Digitalisierung, Infrastruktur und Bildung anzupacken, seien bis 2030 aber zusätzlich rund 230 Milliarden Euro nötig.

Riesige Investitionen werden gebraucht für den Umbau der Wirtschaft hin zu mehr Klimaschutz. DGB-Chef Reiner Hoffmann fordert deshalb, dass die Bundesregierung nachlegt, mit einer Art Konjunkturprogramm II. «Wir brauchen ein großangelegtes Investitionsprogramm, um die Wirtschaft zukunftsfähig zu machen und die Transformation angesichts der klimapolitischen Herausforderungen zu meistern», sagt er.

Altmaier meint, Scholz müsse sich ehrlich machen und nicht nur vom Klimaschutz reden, sondern finanzielle Zusagen geben. «Jetzt kommt es darauf an, mit ganzer Kraft die Segel auf Zukunft und nachhaltiges Wirtschaften zu setzen», betont er. «Wer Klimaschutz will, muss zu langfristigen finanziellen Zusagen bereit sein. Hier erwarte ich klare Zusagen, nicht nur warme Worte vom Bundesfinanzminister.» Damit zielt der Wirtschaftsminister auf die Zukunft der milliardenschweren EEG-Umlage ab, die alle Stromkunden zur Förderung von Ökostrom-Anlagen zahlen. Altmaier will sie mittelfristig abschaffen.

Die Wirtschaft setzt andere Reformakzente als die Bundesregierung. Der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Joachim Lang, beklagt, dass ein Großteil der Unternehmen die krisenbedingten Verluste noch immer nicht vollständig mit Gewinnen der Vorjahre verrechnen könne. Dies verringere liquide Mittel, etwa für Zukunftsinvestitionen.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagt, im Mittelpunkt dringend nötiger Reformen müsse stehen, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken. «Wir sehen, wie sich im Wettbewerb andere Länder um uns herum aufstellen.» Außerdem müsse es flexiblere Arbeitszeiten geben: «Die Arbeitszeitverordnung stammt noch aus der Zeit von Telex und Wählscheibe. Die Lebenswirklichkeit ist längst eine andere.»

Wirtschaftsminister: Bis zu vier Prozent Wachstum in diesem Jahr

Wirtschaftsminister Peter Altmaier erwartet angesichts der abflauenden Corona-Krise in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum hierzulande von bis zu vier Prozent. Deutschland habe die Rezession besser überstanden als von vielen erwartet, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in Berlin. Der Staat habe seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 insgesamt 300 Milliarden Euro in die Hand genommen, um den Abschwung abzumildern. Dank dieses «beispiellosen gemeinsamen Kraftakts» sei es gelungen, schweren Schaden von der heimischen Wirtschaft abzuwenden. So seien Hunderttausende, vermutlich bis zu einer Million Arbeitsplätze gesichert worden.

Im vergangenen Jahr war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 4,9 Prozent eingebrochen - und damit nicht so schlimm, wie von vielen Experten befürchtet. Ein Jahr nach der Einigung der schwarz-roten Koalition auf ein milliardenschweres Konjunkturpaket sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im ZDF, ein starkes Wirtschaftswachstum sei nun das Wichtigste, um die gestiegene Schuldenlast des Staates abzuschütteln. Er rechne mit einer Stabilisierung bei der Staatsverschuldung in zehn Jahren. Es müsse «Wachstum in großem Maße» organisiert werden.

Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) rechnet nicht mit einer riesigen Pleitewelle als Folge der Corona-Krise. «Klar ist, dass die Unternehmensinsolvenzen zunehmen werden», sagte Hauptgeschäftsführer Christian Ossig der dpa. «Wir erwarten allerdings keinen sprunghaften Anstieg, sondern einen Prozess, der sich über mehrere Monate hinziehen wird.» Die Experten des Verbandes rechnen mit 24 000 Firmenpleiten in diesem Jahr - und damit weniger, als zunächst von einigen Beobachtern befürchtet. «Das sind Zahlen, die verkraftbar erscheinen», stellte Ossig fest.

Am 3. Juni 2020 hatten die Koalitionsspitzen umfangreiche Hilfen beschlossen, um die Wirtschaft anzukurbeln. «Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen», sagte Vizekanzler Scholz damals. Enthalten war eine bis Ende 2020 befristete Senkung der Mehrwertsteuer sowie ein einmaliger Kinderbonus. Daneben ging es um höhere Prämien für Elektroautos sowie Milliardenhilfen für Kommunen. Für besonders belastete Firmen wurden Überbrückungshilfen beschlossen.

Auch Scholz zog eine positive Bilanz: «Dadurch, dass wir dieses viele Geld eingesetzt haben, ist es gelungen, die Wirtschaft zu stabilisieren. Wir sind viel besser durch die Krise gekommen als alle vorher gesagt haben.»

Altmaier warb dafür, die Corona-Wirtschaftshilfen für bedürftige Unternehmen über den 30. Juni hinaus möglichst bis Jahresende zu verlängern. Er setze dabei auf eine endgültige Verständigung mit dem Koalitionspartner SPD in der kommenden Woche. Missbrauch sei dabei ausgeschlossen, betonte er. Die antragstellenden Firmen müssten ihre Umsatzverluste konkret belegen. Mit Blick auf Betrugsvorwürfe gegen Testanbieter rechtfertigte er auch die teils langsame Auszahlung der Corona-Wirtschaftshilfen. Die aktuelle Diskussion über die Testzentren zeige, wie gefährlich mangelnde Kontrolle sein könne. «Und genau das haben wir bei den Wirtschaftshilfen verhindert», sagte Altmaier im ZDF-«Morgenmagazin».

Altmaier sagte, angesichts der abflauenden Krise und sinkender Corona-Infektionszahlen müsse nun auch das Auslaufen der außerordentlichen staatlichen Hilfen eingeleitet werden - schließlich sei Deutschland eine Marktwirtschaft. Er wandte sich zugleich gegen Vorschläge, die Schuldenbremse für den Bundeshaushalt weiter womöglich auf Jahre hinaus auszusetzen. Dies wäre ein schwerer Fehler, auch weil es Zweifel am «Erfolgsmodell Deutschland» wecken könne.

Mit Blick auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das verschärfte Anstrengungen beim Klimaschutz einfordert, sagte Altmaier, Deutschland müsse bereit sein, einen «Teil der Aufschwung-Dividende» in mehr Klimaschutz zu investieren und in die Transformation hin zu CO2-armen Produktionsprozessen. Er forderte erneut, dass angesichts der schon beschlossenen steigenden Bepreisung klimaschädlicher Treibhausgas-Emissionen im Gegenzug die Strompreise sinken sollten. Die EEG-Umlage gehöre daher abgeschafft. Mit der Umlage zahlt jeder Verbraucher über seine Stromrechnung für die Förderung von Ökostrom. (Mit Material der dpa)


 

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