Corona-Herbstregeln: Maskenpflicht ohne Test, Hygienekonzepte, Mindestabstände möglich

| Politik Politik

Nach nur wenigen Corona-Auflagen im Sommer rücken für den Herbst wieder schärfere Vorgaben zum Pandemieschutz näher. Das Bundeskabinett brachte am Mittwoch einen Entwurf auf den Weg, der vom 1. Oktober bis 7. April 2023 weitergehende Regeln zu Masken und Tests vorsieht.

Die Länder sollen sie verhängen und bei kritischer Lage ausweiten können. Bundesweit soll FFP2-Maskenpflicht in Flugzeugen und Fernzügen, Pflegeheimen und Kliniken gelten. Nach Wirbel um einen Flug einer Kanzlermaschine, bei dem keine Masken getragen wurden, gibt es Rufe nach Korrekturen der Regeln für Regierungsflugzeuge.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mahnte, die Pandemie weiter ernst zu nehmen. «Der Herbst wird schwierig.» Die Verschärfungen seien «unbedingt notwendig», und er hoffe, dass die Länder den Rahmen nutzten. «Wir fangen an, uns an die hohe Zahl von Todesopfern und auch die sehr hohe Zahl von Long-Covid-Fällen zu gewöhnen. Und das dürfen wir nicht.» Justizminister Marco Buschmann (FDP) sagte, viele hätten das Gefühl: «Kann dieser ganze Mist nicht einfach vorbei sein?» Doch das Virus sei nicht weg. Er sprach von einem «moderaten und maßvollen Konzept», das einen «maximalen Rahmen» bilde.

 

Die Bundesregeln: Bundesweit soll FFP2-Maskenpflicht in Flugzeugen und Fernzügen gelten. Die Pflicht gibt es jetzt schon, allerdings reicht bisher auch eine einfachere OP-Maske. Die soll künftig nur noch für Kinder von 6 bis 14 Jahren und für Personal möglich sein. Lauterbach sagten, FFP2-Masken böten gegen die ansteckendere Virusvariante BA.5 besseren Schutz. Die Luftfahrtbranche protestierte gegen eine solche nationale Verschärfung der Maskenpflicht, die vielen Passagieren ohnehin schon nur noch schwer vermittelbar sei.

Bundesweit soll die FFP2-Maskenpflicht außerdem in Kliniken und Pflegeheimen sowie für Beschäftigte ambulanter Pflegedienste gelten. Zusätzlich soll man vor dem Zutritt zu den Einrichtungen einen negativen Test vorlegen müssen. Um den Schutz besonders gefährdeter Pflegebedürftiger zu verstärken, sollen Heime Beauftragte benennen müssen, die sich um Impfungen, Hygiene und Therapien für Erkrankte etwa mit dem Medikament Paxlovid kümmern. Für den extra Aufwand sollen die Heime Sonderzahlungen von 1000 Euro pro Monat bekommen.

Die erste Länder-Stufe: Ab 1. Oktober sollen die Länder jeweils bei sich Auflagen verhängen können. Dazu zählt weiter die Maskenpflicht im Nahverkehr mit Bussen und Bahnen. Es sollen aber auch wieder Masken in öffentlich zugänglichen Innenräumen wie Geschäften und Restaurants Pflicht werden können - mit der zwingenden Ausnahme, dass man keine Maske braucht, wenn man in der Gastronomie und bei Kultur-, Freizeit- oder Sportveranstaltungen einen negativen Test vorzeigt.

Das könne in Restaurants sogar mehr Schutz bringen, da man die Maske beim Essen abnehme, erläuterte Lauterbach. Buschmann wies auf Veranstaltungen in Clubs oder beim Public-Viewing bei der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft hin, bei denen Masken keinen Sinn machten. Eine weitere Ausnahmemöglichkeit sollen die Länder nach Kritik nur noch nutzen können, aber nicht mehr müssen: Menschen mit maximal drei Monate altem Nachweis als vollständig geimpft oder genesen können von der Pflicht befreit werden. Die Länder sollen auch Maskenpflichten an Schulen verhängen können - aber erst ab der fünften Klasse.

Die zweite Länder-Stufe: Bei einer regional kritischeren Corona-Lage sollen die Länder noch weitere Vorgaben verhängen können. Dazu zählen etwa Maskenpflichten bei Veranstaltungen auch draußen, wenn dort Mindestabstände von 1,50 Metern nicht möglich sind. Vorgeschrieben werden können Hygienekonzepte mit Desinfektionsmittel, Lüftung und Kontaktvermeidung für Betriebe und andere Einrichtungen. Außerdem sind Besucher-Obergrenzen für Innenveranstaltungen möglich.

Dieses «zweite Fach des Werkzeugkastens» habe aber als Voraussetzung zwei «Vorhängeschlösser», erläuterte Buschmann: Die Maßnahmen kann nicht einfach die Landesregierung festlegen, nötig sein soll ein Landtagsbeschluss. Außerdem muss wegen der Corona-Entwicklung eine konkrete Gefährdung für das Gesundheitswesen oder andere wichtige Versorgungsbereiche für eine bestimmte Region festgestellt werden - in einer Gesamtschau von Infektionszahlen und anderen Indikatoren.

Regeln für Regierungsflieger: Ausgerechnet zum Kabinettsbeschluss kam Wirbel auf, ausgelöst durch die Kanadareise von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Auf Bildern aus dem Luftwaffenjet waren Habeck und eng beieinander sitzende Journalisten ohne Masken zu sehen - während für Flugzeuge generell die gesetzliche Maskenpflicht gilt. Das Verteidigungsministerium bekräftigte die Auffassung, dass allgemeine Regeln des Infektionsschutzgesetzes nicht für das Militär gelten. Auch Lauterbach und Buschmann erklärten, die Regeln der Flugbereitschaft seien eingehalten worden, zusätzlich mit PCR-Tests für alle Mitreisenden beim ersten Abflug ab Berlin.

Buschmann fügte jedoch hinzu: «Politisch würde ich uns empfehlen als Bundesregierung, dass wir überall die gleichen Regeln anwenden, die auch sonst gelten.» Sonst entstünde natürlich das Gefühl, dass man bereit sei, Bürgerinnen und Bürgern etwas zuzumuten, was man sich selber nicht zumuten möchte. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte bei RTL/ntv: «Ich denke, da wird nachgebessert werden müssen.» Es gebe eine Dissonanz: «Wenn alle im Urlaubsflieger das tragen müssen und in der Regierung nicht, dann sorgt das für eine Form von Unmut.»

Der Zeitplan: Der vom Kabinett gebilligte Entwurf geht nun an die Koalitionsfraktionen, der Bundestag könnte das Gesetz nach weiteren Beratungen am 8. September beschließen. Zustimmen muss auch noch der Bundesrat, der am 16. September tagt. Die jetzigen Corona-Regelungen im Infektionsschutzgesetz, die am 23. September auslaufen, sollen dann ersetzt werden. Lauterbach sprach sich dafür aus, mit den Ländern über «möglichst viel Einheitlichkeit» beim Umsetzen zu reden.

Kritik kam von der Opposition. Der Unions-Gesundheitsexperte Tino Sorge (CDU) sagte, die Bilder aus dem Regierungsflieger und die beschlossenen Regeln zur Maskenpflicht in Flugzeugen passten nicht zusammen. «Der Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung wurde damit ein Bärendienst erwiesen.» Staatliche Vorgaben sollten sich generell auf das Notwendige beschränken und präziser auf vulnerable Gruppen konzentrieren. FDP-Vize Wolfgang Kubicki nannte das Konzept in der «Welt» enttäuschend. Frank Schäffler (FDP) warnte vor zu vielen Möglichkeiten für die Länder zu Eingriffen in Persönlichkeitsrechte. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Das Bundeskabinett hat den Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 beschlossen. Die Beibehaltung der sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ist darin nicht enthalten. Der DEHOGA hatte damit gerechnet und sagt, dass das Thema Gegenstand der nun folgenden Haushaltsberatungen sei. Man werde für die Entfristung kämpfen.

Die Arbeitgeber haben vor weiteren außerplanmäßigen Mindestlohnerhöhungen gewarnt. «Die europäische Mindestlöhne-Richtlinie darf nun nicht als Vorwand genutzt werden, um erneut politisch in die Mindestlohnfestsetzung einzugreifen», heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Positionspapier der BDA

Die EU-Kommission will den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung vorantreiben. So sollen die EU-Länder bis 2030 Lebensmittelabfälle, die im Einzelhandel und beim Verbrauch - etwa zuhause oder in Restaurants - entstehen, um 30 Prozent pro Kopf reduzieren.

Das Bundeskabinett hat den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2024 beschlossen. Die Bundesregierung hatte lange um die Aufstellung des Etats gerungen. Aus der Wirtschaft kommt Unterstützung für die Haushaltspläne.

Eine Gruppe von sieben großen Technologiefirmen wird gemäß dem EU-Digitalgesetz künftig als "Gatekeeper" eingestuft. Booking.com gehört voraussichtlich zunächst nicht zu diesen Unternehmen. "Gatekeeper" sind Plattformbetreiber, die eine bedeutende Marktstellung innehaben und ab März 2024 einer Reihe von Grundregeln folgen müssen.

Da in den nächsten Tagen über den Haushaltsplan des Bundes beraten wird, will sich der DEHOGA mit guten Argumenten und belastbaren Zahlen in die Debatte einbringen. Der Verband ruft daher Hoteliers und Gastronomen auf, sich an einer Umfrage zu den Konsequenzen einer eventuellen Mehrwertsteuererhöhung zu beteiligen.

Bis 2025 soll der gesetzliche Mindestlohn auf 12,82 Euro pro Stunde steigen. In der zuständigen Kommission wurde die Arbeitnehmerseite überstimmt. Doch das Thema scheint noch nicht erledigt.

Die geplante Anhebung des Mindestlohns fällt für die Mehrheit der Menschen in Deutschland nicht hoch genug aus. In einer Umfrage für das aktuelle ZDF-«Politbarometer» gaben 62 Prozent der Befragten an, die beabsichtigte Anhebung für zu gering zu halten.

Der Bundesverband der Systemgastronomie e. V. (BdS) kritisiert die Pläne zur Novellierung des Verpackungsgesetzes. Ein Statement von BdS-Hauptgeschäftsführer Markus Suchert.

Der Vorschlag für eine leichte Erhöhung des Mindestlohns in Deutschland hat im Gastgewerbe unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Der DEHOGA sieht auch positive Aspekte. Gewerkschaft NGG kritisiert Mindestlohn-Vorschlag scharf. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will den Kommissionsbeschluss umsetzen.