Geplante staatliche Kennzeichnung der Tierhaltungsform soll auch für Gastronomie gelten

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Bei der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung für Fleisch und Wurst peilt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ein fünfstufiges Modell an. Die in dieser Woche vorgestellten Eckpunkte betreffen nicht nur den Handel. Auch die Gastronomie und die Außer-Haus-Verpflegung sollen einbezogen werden.

Die Eckpunkte, die Özdemir in Berlin vorgestellt hat, sehen die Haltungsformen Stall, Stall und Platz, Frischluftstall, Auslauf/Freiland sowie Bio vor. Sie unterschieden sich vor allem darin, wie viel Platz die Tiere haben und wie komfortabel ihre Ställe ausgestattet sind. Nach Özdemirs Plänen soll die verbindliche staatliche Kennzeichnung im Verlauf des kommenden Jahres starten - allerdings zunächst nur beim Schweinefleisch.

Als Anschubfinanzierung für den Stallumbau ist bis zum Jahr 2026 im Bundeshaushalt eine Summe von einer Milliarde Euro vorgesehen. Özdemir räumte ein, dass dieser Betrag nicht ausreiche. Für die weitergehende Finanzierung gebe es innerhalb der Koalition aber noch «Klärungsbedarf», sagte der Minister. Vorschläge wie eine höhere Mehrwertsteuer oder eine «Tierwohlabgabe» stoßen bislang vor allem bei der FDP auf Ablehnung.

In den Eckpunkten heißt, gerade bezüglich der Gastronomie, es hierzu:

  • Die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung wird schrittweise eingeführt, beginnend mit frischem Schweinefleisch, gekühlt oder gefroren, verpackt oder unverpackt, im Lebensmittelhandel, den Fleischereifachgeschäften, dem Online-Handel und anderen Verkaufsstellen.
  • Weitere Vermarktungswege, insbesondere über die Gastronomie und Außerhaus-Verpflegung oder verarbeitete Produkte, sollen im Laufe der Legislatur in die Tierhaltungskennzeichnung aufgenommen werden, wenn im Rahmen des ersten Schrittes das Konzept der verpflichtenden Haltungskennzeichnung am Beispiel Schweinefleisch grundsätzlich von der EU-Kommission notifiziert wurde.
  • Gleiches gilt für weitere Tierarten wie Rinder, Milchvieh oder Geflügel. Auch sie werden schrittweise in die verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung aufgenommen. Einen entsprechenden Zeitplan wird das BMEL mit Start der Gesetzesberatungen vorstellen.

Weiteres Verfahren

Innerhalb der Bundesregierung wird nun zunächst der Gesetzentwurf zur verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung für frisches Schweinefleisch abgestimmt. Dieser wird dann Ländern und Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet. Zu erwarten ist daher, dass auch der DEHOGA den Entwurf innerhalb der nächsten Wochen erhält. Wir halten Sie informiert.

Hintergrund:

Cem Özdemir ist Vegetarier - doch den Fleischkonsum möchte der Agrarminister den Deutschen nicht verleiden. «Ich will, dass auch morgen noch gutes Fleisch aus Deutschland auf unsere Tische kommt», versicherte der Grünen-Politiker am Dienstag. Nach seiner Einschätzung hat die landwirtschaftliche Tierhaltung in der Bundesrepublik aber nur eine Zukunft, wenn sie sich am Klimaschutz und dem Tierwohl orientiert. Nach mehreren gescheiterten Versuchen nimmt Özdemir deshalb einen neuen Anlauf, um Fleischprodukte in Deutschland mit einer verbindlichen, staatlichen Tierhaltungskennzeichnung auszustatten.

Die von ihm vorgestellten Eckpunkte sehen ein fünfstufiges Modell vor. Daran sollen Verbraucherinnen und Verbraucher ablesen können, wie viel Platz den Tieren während der Mast zur Verfügung stand und wie komfortabel ihre Ställe waren. Bei der Haltungsform «Stall» werden lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. Bei «Stall+Platz» bekommen die Tiere 20 Prozent mehr Raum, «Frischluftställe» sind mindestens auf einer Seite offen, bei «Auslauf/Freiland» dürfen die Tiere mindestens acht Stunden täglich ins Freie, und die Haltungsform «Bio» bedeutet größere Auslaufflächen und noch mehr Platz im Stall.

Den entsprechenden Gesetzentwurf möchte Özdemir vor der Sommerpause mit den anderen Ministerien abstimmen, damit er vor Jahresende in den Bundestag kommt. Im Laufe des kommenden Jahres soll die Haltungskennzeichnung eingeführt werden. Sie wird dann zur Pflicht für tierische Lebensmittel, die in Deutschland verkauft werden und für die die Tiere in Deutschland gehalten wurden. Allerdings gilt die Kennzeichnungspflicht zunächst nur für frisches Schweinefleisch. Andere Produkte sollen später dazukommen.

Schon im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP die Einführung einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung vereinbart. Gestritten wird im Ampel-Bündnis allerdings über die Frage, wie die Landwirte bei den Stallumbauten und den Folgekosten unterstützt werden können. Als Anschubfinanzierung ist im Bundeshaushalt bis 2026 eine Summe von einer Milliarde Euro vorgesehen. «Das ist für den Anfang erstmal gut, aber es reicht auch nicht», räumte Özdemir ein. Für eine darüber hinausgehende Finanzierung gebe es in der Koalition Klärungsbedarf.

Eine Expertenkommission hatte Vorschläge wie eine höhere Mehrwertsteuer oder eine «Tierwohlabgabe» auf tierische Produkte erarbeitet. Als denkbar gilt ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch. Die FDP machte allerdings klar, dass sie derartige Preisaufschläge ablehnt - gerade angesichts der Inflation. Parteichef Christian Lindner betonte: «Der Kollege Cem Özdemir ist von mir herzlich gebeten, alles zu unternehmen, um Nahrungsmittel in Deutschland bezahlbar zu halten.»

Ohne sich einen der Vorschläge zu eigen zu machen, verwies Özdemir darauf, dass es verschiedene Finanzierungsmodelle gebe. «Wenn man zu jedem nein sagt, dann sagt man auch nein zur Tierhaltung in Deutschland.» Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang mahnte eine baldige Verständigung in der Koalition an.

Ärger droht nicht nur im Ampel-Bündnis. So verweist die Opposition darauf, dass es in den Supermärkten seit Jahren eine freiwillige Kennzeichnung für Schweine-, Rind- und Geflügelfleisch gibt. Die AfD hält das Vorhaben deshalb für überflüssig. Im Gegensatz dazu spricht der Deutschen Bauernverband von einem ersten wichtigen Schritt - sieht aber erhebliche Lücken: So gebe es ohne verbindlichen Zeitplan für die Einbeziehung von Rind und Geflügel «keinerlei Lenkungswirkung», warnte Bauernpräsident Joachim Rukwied.

Umwelt- und Tierschützern geht das geplante Label nicht weit genug. «Ein Siegel, das nur auf die Haltungsform guckt, ist irreführend und blendet die entscheidenden Probleme aus», sagte Annemarie Botzki von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Die Nutztierhaltung in der jetzigen Form mache die Tiere chronisch krank. Der Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter beklagte: «Aspekte wie Transport, Schlachtung oder Tiergesundheit werden überhaupt nicht berücksichtigt.»

Und seitens des Koalitionspartners FDP gibt es nicht nur Kritik an der Finanzierung, sondern auch an der Ausgestaltung der Haltungsformen. «Entgegen den Äußerungen des Ministers gibt es bei den Detailfragen keineswegs Einigkeit, sondern zahlreiche offene Punkte», betonte der agrarpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker. Doch Özdemir lässt keine Zweifel daran zu, das Vorhaben in den kommenden Monaten durch das Kabinett und den Bundestag zu bekommen. «Wir haben lange genug in Deutschland gewartet», betonte der Minister. «Die Kennzeichnung kommt.» (Mit dpa)


 

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