Hotel Schloss Diedersdorf streitet vor BGH um Entschädigung für den Corona-Lockdown

| Politik Politik

Die Lockdowns in der Corona-Pandemie haben viele Branchen hart getroffen - muss der Staat die Betroffenen für ihre Einnahmeausfälle entschädigen? Dazu dürfte sich der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag (10.00 Uhr) äußern. Die Karlsruher Richterinnen und Richter verhandeln im Fall eines Hoteliers und Gastronomen, der das Land Brandenburg verklagt hat. Ob sie schon das Urteil verkünden, ist offen. Üblicherweise trägt der Senatsvorsitzende aber eine vorläufige Einschätzung nach Vorberatungen vor. (Az. III ZR 79/21)

Um die Ausbreitung des neuen Virus zu stoppen, hatten Bund und Länder in der ersten Pandemie-Welle im März 2020 das öffentliche Leben mit drastischen Maßnahmen heruntergefahren. Die Gastronomie musste schließen, Hotels durften keine Touristen mehr aufnehmen.

Das traf auch Schloss Diedersdorf, einen familiengeführten Betrieb mit Hotel, mehreren Restaurants und großem Biergarten südlich von Berlin. Auf dem Gelände gibt es 14 Veranstaltungsräumlichkeiten mit insgesamt 4000 Sitzplätzen, dazu 100 Hotelbetten, schildert Salina Worm, die inzwischen mit ihrem Vater Thomas Schloss Diedersdorf führt. Im Frühjahr 2020 konnte wochenlang nur noch Glühwein und Bier zum Mitnehmen verkauft werden. «Im Vergleich zu dem, was wir sonst machen, ist das ein Bruchteil», sagt die 21-Jährige.

Das Infektionsschutzgesetz sieht zwar in bestimmten Fällen eine finanzielle Entschädigung vor - aber nur für jemanden, der «als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern» Verdienstausfälle hat.

Salina Worm stört vor allem «die Ungleichbehandlung, die hinter der ganzen Sache steckt»: Ein Betrieb, den die Behörden wegen eines Corona-Falls schließen, werde entschädigt. «Wir haben gesetzeskonform gehandelt und viel Geld in Hygienemaßnahmen investiert», sagt sie. «Wir wurden trotzdem geschlossen, und es gibt keine Entschädigung.»

Die Familie hat 60 000 Euro Soforthilfe bekommen. «Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun», findet Worm. «Und die Soforthilfe mussten wir jetzt auch zurückzahlen.» Mit der Klage fordert ihr Vater vom Land Brandenburg Entschädigung für die verbliebenen Einbußen, rund 27 000 Euro zunächst. Die genaue Schadenshöhe müsste nachträglich ermittelt werden, falls die Worms Recht bekommen.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat keinen Überblick, ob viele andere Gastronomen wie Thomas Worm vor Gericht gezogen sind. Die Folgen der Einschränkungen seien aber verheerend. «Insgesamt neun Monate Lockdown und eine Vielzahl von weitreichenden Corona-Maßnahmen haben riesige Löcher in die Bilanzen unserer Unternehmer gerissen», teilt eine Sprecherin mit. Von März 2020 bis Dezember 2021 habe die Branche real 73,8 Milliarden Euro an Umsatz verloren. Das entspreche einem Minus von 40,3 Prozent 2021 und 39,0 Prozent im Jahr 2020.

Muss dafür der Staat geradestehen? Worms Klage hatte am Potsdamer Landgericht und am Oberlandesgericht Brandenburg keinen Erfolg.

Gaststätten für den Publikumsverkehr zu schließen, sei nicht rechtswidrig gewesen, heißt es in dem Urteil des OLG vom 1. Juni 2021. Und die Corona-Pandemie sei «ein Schadensgroßereignis, das die gesamte Gesellschaft und weite Teile der Wirtschaft traf und trifft». Die «sozialverträgliche Verteilung der pandemiebedingt ungleichen Lasten» sei «eine in erster Linie sozialstaatliche Herausforderung». Daher zielten die Hilfen gerade nicht auf individuelle Entschädigung.

Eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz schloss das OLG ebenfalls aus. «Es mag (...) durchaus als ungleichgewichtig bis hin zur Ungerechtigkeit empfunden werden, dass der Gesetzgeber einzelnen Betroffenen einer (hoch) infektiösen Krankheit Entschädigung gewährt, anderen aber, zumal den hiervon nicht Betroffenen, dagegen nicht», schreiben die Richter. Nur: Die Politik habe offensichtlich keine umfassende Regelung treffen wollen. Solche Vorschriften müssten vom Gesetzgeber kommen - «nicht zuletzt deshalb, weil die Zubilligung von Entschädigungs- oder Ausgleichsansprüchen in Massen-Schadensfällen weitreichende Folgen für die Staatsfinanzen haben kann». (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Der Bund der Steuerzahler Mecklenburg-Vorpommern hat die Ausweitung der Steuer von Privat- auf Geschäftsreisende in Schwerin als Abzocke kritisiert. Die Bettensteuer – wie auch die Tourismusabgaben – würden Verbraucher und Betriebe durch höhere Preise und Bürokratie belasten.

Die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse von Geflüchteten aus der Ukraine gelten bis zum 4. März 2025. Darüber informierte das Bundesinnenministerium den DEHOGA Bundesverband und andere Wirtschaftsverbände.

Tübingen ist vorgeprescht: Kaffeebecher und andere Einwegverpackungen werden in der Uni-Stadt besteuert. Andere Kommunen wollen jetzt nachziehen. Doch es gibt noch ein rechtliches Problem. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht noch aus.

Praxen seien als «Verfolgungsbehörden der Arbeitgeberverbände denkbar ungeeignet», schimpft der Präsident des Kinderärzteverbandes. Er verlangt, Ärzte bei Attesten und Bescheinigungen zu entlasten.

Für die Zeit der Fußball-EM hat das Bundeskabinett eine sogenannte „Public-Viewing-Verordnung“ beschlossen. Sie ermöglicht den Kommunen, Ausnahmen von den geltenden Lärmschutzregeln zuzulassen. Vergleichbare Verordnungen hatte es bereits bei früheren Fußball-Welt- und Europameisterschaften gegeben.

Die Institutionen der Europäischen Union haben sich am 15. März im sogenannten Trilog-Verfahren auf eine Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation - PPWR) geeinigt. Der Umweltausschuss (ENVI) und das Plenum des Europäischen Parlamentes werden die Einigung voraussichtlich noch im April annehmen.

Einigung im Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL: Insbesondere bei der 35-Stunden-Woche macht der Konzern weitgehende Zugeständnisse. Weitere Streiks sind damit vom Tisch.

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21. Februar 2024 bestätigt. Der DEHOGA stellt klar, dass aus Sicht des Verbandes die Inhalte des Wachstumschancengesetzes nicht ausreichen.

Arbeitgeber sollen die Bedingungen ihrer Arbeitsverträge nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig nicht mehr in Papierform mit Unterschrift an künftige Mitarbeiter aushändigen müssen. Ein entsprechender Passus soll in den Gesetzentwurf zur Bürokratieentlastung eingefügt werden.

Vor dem Hintergrund des schwierigen Konjunkturumfelds und einer hartnäckigen Schwächephase des deutschen Mittelstandes mahnt die Arbeitsgemeinschaft (AG) Mittelstand​​​​​​​ von der Wirtschaftspolitik dringend Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumskräfte an.