Lockdown bis Ende Januar: Bund und Länder verschärfen Beschränkungen

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Der Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wird wegen weiter hoher Infektionszahlen bis zum 31. Januar verlängert. Kontaktbeschränkungen werden verschärft. Bewegungsfreiheit in Corona-Hotspots wird eingeschränkt. Betriebskantinen werden jetzt auch geschlossen. Darauf haben sich Bund und Länder bei ihren Beratungen am Dienstag in Berlin verständigt, wie aus ihrem Beschlusspapier hervorgeht. Die Beschlüsse im Detail.

Bewegungsfreiheit in Corona-Hotspots wird eingeschränkt

Auf Menschen in Landkreisen mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen kommt eine drastische Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit zu. Ab einer 7-Tage-Inzidenz von über 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern sollen die Länder lokale Maßnahmen ergreifen, um den Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort zu begrenzen, sofern kein triftiger Grund vorliegt. 

In Deutschland gibt es einen eingeschränkten Bewegungsradius bisher nur in Sachsen, wo die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen drei Monaten stark angestiegen war. Hier dürfen sich die Bürger nur maximal 15 Kilometer von ihrem Wohnort entfernen, etwa um Sport zu treiben oder zum Einkauf. Für das ebenfalls stark von Covid-19 betroffene Thüringen hat Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) nun eine entsprechende Regelung vorgeschlagen.

Andere europäische Staaten haben bereits Erfahrungen mit solchen Maßnahmen gesammelt. Allerdings waren und sind diese dort oft mit anderen Einschränkungen kombiniert worden - etwa einer nächtlichen Ausgangssperre - und teilweise auch deutlich strenger. So durften etwa die Menschen in Frankreich zeitweise nur mit triftigem Grund vor die Tür. Für Spaziergänge oder Sport galt eine Begrenzung von einer Stunde pro Tag in einem Radius von maximal einem Kilometer zur eigenen Wohnung. In Katalonien im Nordosten Spaniens war vergangene Woche angeordnet worden, dass die Menschen ihre eigene Gemeinde zehn Tage lang nur mit triftigem Grund verlassen dürfen, etwa um zur Arbeit zu fahren.

Verschärfung der Kontaktbeschränkungen

Die Kontaktbeschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie werden wegen der weiter hohen Infektionszahlen verschärft. Künftig sind private Zusammenkünfte nur noch im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person gestattet.

Wegen weiter hoher Corona-Infektionszahlen wird der Lockdown an Schulen und Kitas bis Ende Januar verlängert.

Merkel fordert: noch weniger Kontakte als bisher

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Bevölkerung auf einen harten Januar vorbereitet. Um die Corona-Pandemie einzudämmen, solle an privaten Treffen künftig maximal eine Person teilnehmen, die nicht zum eigenen Haushalt gehört, sagte die Kanzlerin am Dienstagabend in Berlin nach Online-Beratungen mit den Regierungschefs der Länder. Gleichzeitig machte sie mit Blick auf die neu entwickelten Impfstoffe Hoffnung. «Wir wissen, dass mit den nunmehr verfügbaren Impfstoffen eine Perspektive da ist für eine Normalisierung unseres Alltags», sagte die Kanzlerin.

FDP-Fraktionschef: eingeschränkter Bewegungsradius «nicht akzeptabel»

Die von Bund und Ländern beschlossene drastische Beschränkung der Bewegungsfreiheit ist nach Ansicht des baden-württembergischen FDP-Fraktionsvorsitzenden Hans-Ulrich Rülke nicht akzeptabel. Die Inzidenzzahl von 200 Fällen je 100 000 Einwohner ohne weitere Kriterien rechtfertige eine solche Einschränkung des Grundrechts nicht. Zudem seien die verschärften Kontaktbeschränkungen «völlig überzogen», sagte Rülke am Dienstag nach den Gesprächen von Bund und Ländern in Berlin. Solche Vorschriften seien im privaten Bereich auch kaum zu kontrollieren.

Bund und Länder hatten sich zuvor darauf verständigt, dass in Landkreisen mit hohen Corona-Infektionszahlen weitere Maßnahmen zur Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort ergriffen werden sollen. Gelten soll dies für Landkreise mit einer 7-Tages-Inzidenz von über 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern - sofern kein triftiger Grund vorliegt. Gestattet sind künftig auch nur noch private Zusammenkünfte im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person.

Bund-Länder-Beschluss: Doppelte Anzahl Kinderkrankentage

Eltern sollen sich in diesem Jahr doppelt so lange für Kinder krankschreiben lassen dürfen wie üblich. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder haben sich am Dienstag bei ihrer Videoschalte darauf verständigt, das sogenannte Kinderkrankengeld pro Elternteil wegen der Corona-Pandemie von 10 auf 20 Tage zu erhöhen. Alleinerziehende können es demnach für 40 statt 20 Tage erhalten.

Hintergrund sind die Betreuungsprobleme, die viele Eltern auch in diesem Jahr wieder bekommen, weil Schulen und Kitas schließen oder nur in eingeschränktem Betrieb sind. Die Krankentage-Regelung ist deshalb ausdrücklich nicht nur für den Fall einer Erkrankung der Kinder gedacht, sondern auch für den Fall, dass sie wegen Corona-Einschränkungen an Schule und Kita zu Hause betreut werden müssen.

Schon im vergangenen Jahr war die Zahl der Kinderkrankentage erhöht worden. Kinderkrankengeld zahlt die gesetzliche Krankenkasse normalerweise, wenn Eltern wegen der Pflege eines kranken Kindes nicht arbeiten gehen können. Es beträgt 90 Prozent des Nettoverdienstes.

Regeln für Einreise aus Corona-Risikogebieten werden verschärft

Die Regeln für Einreisende aus Corona-Risikogebieten im Ausland werden noch einmal verschärft. Ab dem 11. Januar müssen sie nicht nur für zehn Tage in Quarantäne, sondern sich auch 48 Stunden vor oder unmittelbar nach Einreise zwingend auf das Virus testen lassen. Darauf verständigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich am Dienstag mit den Ministerpräsidenten der Länder in Berlin, wie aus dem Beschlusspapier hervor geht. Die Quarantäne kann auch künftig durch einen zweiten Test nach fünf Tagen verkürzt werden, falls dieser negativ ausfällt.

Dem Beschluss von Bund und Ländern zufolge soll eine Musterverordnung des Bundes entsprechend geändert und dann von den Ländern umgesetzt werden. Der Bund behält sich zudem vor, zusätzliche Testpflichten für Länder zu erlassen, in denen das Ansteckungsrisiko wegen der Verbreitung von Mutationen des Virus oder hoher Infektionszahlen besonders groß ist.

Die Bundesregierung hat inzwischen etwa 150 der rund 200 Länder weltweit zu Corona-Risikogebieten erklärt und warnt vor Reisen dorthin. In Europa gibt es kaum noch Regionen, die kein Risikogebiet sind. Die Einstufung erfolgt, wenn in einem Gebiet mehr als 50 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche registriert werden. Nach diesen Kriterien sind aber auch alle 16 deutschen Bundesländer Risikogebiete.

Bund setzt auf reibungslosen Ablauf der Corona-Impfungen

Nach organisatorischen Problemen bei den Einladungen zur Corona-Impfung setzt der Bund nun auf einen reibungslosen Ablauf. «Der Bund wird den Ländern auf Grundlage der Herstellermeldungen verlässliche Lieferzeiten übermitteln, um ein abgesichertes Terminmanagement vor Ort zu ermöglichen», heißt es in einem Beschluss der Bundesländer und des Bundes vom Dienstag.

Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten hatten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut per Video über die Corona-Lage beraten. Im Vorfeld waren Forderungen an die Länder laut geworden, ihre unterschiedlichen Einladeverfahren zu vereinheitlichen. Das ist mit dem Beschluss nicht geplant. Von den Ländern war Kritik am Bund gekommen. Eine grundsätzliche Änderung der Impfstrategie ist nun nicht vorgesehen.

Bund und Länder bekräftigten, dass zu den 1,3 Millionen an die Länder bereits ausgelieferten Impfdosen knapp 2,7 Millionen bis zum 1. Februar hinzukommen sollen. Um die Produktionskapazitäten zu erhöhen, will der Bund und das Land Hessen den Hersteller Biontech dabei unterstützen, «dass noch im Februar in einem neu eingerichteten Werk in Marburg die Produktion genehmigt und begonnen werden kann». Der Bund werde auch darüber hinaus mit den Herstellern darüber sprechen, wie schnellstmöglich weitere Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufgebaut werden können.

Strittig ist nach wie vor die Frage, wer die Verantwortung für den schleppenden Start der Covid-19-Impfungen in Deutschland trägt und wie da mehr Tempo gemacht werden kann. Seit Beginn der bundesweiten Impfkampagne nach Weihnachten wurden laut RKI knapp 317 000 Impfungen gemeldet. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Kritik mit Hinweis auf begrenzte Produktionskapazitäten der Hersteller zurückgewiesen.

«Es ist entscheidend, dass Deutschland ausreichend Impfstoff zur Verfügung hat und die Impfungen koordiniert, zügig und konsequent ablaufen», sagte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck. «Die Produktionskapazitäten und die verfügbare Impfstoffmenge müssen schnellstmöglich erhöht werden, die Abwicklung muss laufen.» Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sagte: «Unabhängig davon, wie man zur Corona-Impfung steht, sollte jeder Bürger die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen.» Die Bundesregierung habe bei der frühzeitigen Beschaffung einer ausreichenden Menge von Impfstoff versagt.

Darüber, wie es ab dem 1. Februar weitergehen soll, wollen die Kanzlerin und die Regierungschefs der Länder am 25. Januar beraten.

Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 11 897 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 944 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet. (dpa)


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