Dringende Entlastung für eine krisengeschüttelte Branche: In einer öffentlichen Anhörung im Bundestag bekräftigen Wirtschaftsvertreter und Fachexperten die Notwendigkeit der geplanten Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf sieben Prozent. Angesichts explodierender Kosten und immenser Wettbewerbsverzerrungen sehen sie in der Maßnahme die zentrale Säule zur Zukunftssicherung Tausender Betriebe.
Die geplante Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Speisen in der Gastronomie von 19 auf sieben Prozent wird als überlebenswichtige Maßnahme für die krisengeplagte Branche betrachtet. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Tourismus im Paul-Löbe-Haus in Berlin, am Mittwoch, den 15. Oktober 2025, unter der Leitung der Vorsitzenden Anja Karliczek (CDU/CSU), dominierten Argumente für eine schnelle und dauerhafte steuerliche Entlastung. Angesichts von Preissteigerungen und anhaltender Wettbewerbsverzerrung sehen Befürworter in der Steuersenkung das entscheidende Instrument zur Stärkung der kleinen und mittelständischen Betriebe. Kritische Stimmen zur fiskalischen Tragfähigkeit und sozialen Treffsicherheit wurden ebenfalls gehört, änderten aber nichts an der klaren Botschaft der Branchenvertreter: Die Existenzsorgen und Zukunftsängste nehmen zu – sieben Prozent sind der Rettungsanker.
Forderung nach einheitlichem Steuersatz und Entlastung
Prof. Dr. Justus Haucap vom Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) sprach sich ausdrücklich für die geplante Steuersenkung aus. Er merkte an, dass die derzeitige Ungleichbehandlung, bei der Speisen zum Mitnehmen selbst aus hochpreisigen Restaurants steuerlich begünstigt, aber Speisen zum Verzehr vor Ort in einfachen Restaurants höher besteuert würden, kaum als sozialpolitisch treffsicher zu bezeichnen sei. Haucap betonte zudem die soziale Funktion der Gaststätten und konnte sich auch eine Reduzierung des Steuersatzes auf Getränke vorstellen, um die Betriebe weiter zu entlasten.
Auch Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Dehoga Bundesverbandes, bezeichnete den vollen Steuersatz von 19 Prozent auf Speisen als „immense Wettbewerbsverzerrung“ und essenziell für die Betriebe. Sie verwies auf die Tatsache, dass über 85 Prozent der Betriebe weniger als zehn Beschäftigte hätten und es sich somit um kleine Familienbetriebe handele, die unter der aktuellen Lage litten. Hartges betonte, dass die geplante Steuersenkung die wichtigste Maßnahme für die Zukunftssicherung der gastronomischen Betriebe sei. Zudem entkräftete sie die Kritik, dass vor allem große systemgastronomische Konzerne von der Senkung profitieren würden. Ein großer Teil von deren Umsätzen entfalle ohnehin auf das Außer-Haus-Geschäft, das bereits mit sieben Prozent Mehrwertsteuer besteuert werde.
Kostenexplosion und Verlustjahre
Der Dehoga Bundesverband untermauerte die Forderung mit Verweisen auf enorme Kostensteigerungen, welche die Branche verkraften müsse. Demnach steige die Zahl der Existenzsorgen und Zukunftsängste. Das Jahr 2025 sei das voraussichtlich sechste Verlustjahr in Folge für die Branche, in dem „Umsätze sinken, Kosten explodieren“. Hartges führte aus, dass die Insolvenzzahlen weit höher seien als in anderen Branchen.
Als Belege für die Kostenentwicklung nannte Hartges Daten des Statistischen Bundesamtes: Im August 2025 seien die Preissteigerungen im Vergleich zum Januar 2022 bei Nahrungsmitteln um 27,2 Prozent, bei Energie um 27,4 Prozent und bei alkoholfreien Getränken um 35,6 Prozent gestiegen. Die Arbeitskosten im Gastgewerbe stiegen im 2. Quartal 2025 gegenüber dem ersten Quartal 2022 um 37,4 Prozent. Unabhängig davon hob Hartges die Rolle der Gaststätten als die „öffentlichen Wohnzimmer“ und soziale Begegnungsstätten der Gesellschaft hervor, ohne die kein Tourismus funktioniere und welche für regionale Wirtschaftskreisläufe von enormer Bedeutung seien.
Kritische Stimmen und fiskalische Bedenken
Kritische Töne kamen unter anderem von Prof. Dr. Dominika Langenmayr von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Sie sah in der dauerhaften Absenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen eine Subvention, die mit fiskalischen Kosten von über 3,6 Milliarden Euro pro Jahr verbunden sei. Langenmayr prognostizierte, dass vor allem umsatzstarke Betriebe, wie Systemgastronomie in Großstädten, stark gefördert würden, während traditionelle Gaststätten im ländlichen Bereich nur relativ wenig profitierten. Um diese zu fördern, wären andere Instrumente notwendig. Zudem werde die Entlastung Untersuchungen in anderen Ländern zufolge allenfalls teilweise bei den Konsumenten ankommen.
Auch Mark Baumeister von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) lehnte die Steuersatzsenkung ab, da dadurch weniger Geld für die sozialstaatliche Aufgabenerfüllung zur Verfügung stehe. Baumeister kritisierte ferner die Dehoga-Forderung nach Erleichterungen für die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland, da zunehmend junge Menschen aus Vietnam mit dem Versprechen einer qualitativ hochwertigen Ausbildung angeworben und ausgebeutet würden. Eine Abschaffung des Achtstundentages lehnte er mit dem Argument ab, eine Umstellung auf eine wöchentliche Betrachtung der Arbeitszeit würde der Branche insgesamt „massiv schaden“.
Clubkultur als Standortfaktor
Daniel Plasch von der Clubkommission (Netzwerk der Berliner Clubkultur) wies auf die Bedeutung der Clubkultur für den Tourismus in Berlin hin. Demnach würden 23 Prozent der Berlin-Besucher wegen der Clubs anreisen, womit Clubs und Nachtleben einen wichtigen Standortfaktor darstellten. Da die Clubs von der Steuersenkung auf Speisen nicht profitieren würden, forderte Plasch deren Einbeziehung in die geplante Steuererleichterung.











