Lockdown-Verlängerung wahrscheinlich – Länder uneinig über Dauer

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Wenige Tage vor neuen Bund-Länder-Gesprächen läuft alles auf eine Verlängerung des Lockdowns in Deutschland hinaus. Offen ist allerdings, bis wann die Beschränkungen ausgeweitet werden - und was mit Schulen und Kitas passiert.

Hier könnten die Länder nach den Gesprächen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag unterschiedliche Linien fahren. Das deutet sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nach einer Schaltkonferenz der Staatskanzlei-Chefs vom Samstag an.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke), deren Länder stark von der zweiten Infektionswelle betroffen sind, forderten eine Lockdown-Verlängerung um weitere drei Wochen bis Ende Januar. «Vorschnelle Lockerungen würden uns wieder weit zurückwerfen», sagte Söder der «Bild am Sonntag». Erst Mitte Januar wisse man wirklich, wie sich Weihnachten und Silvester auf die Infektionszahlen ausgewirkt hätten. «Wir müssen konsequent bleiben und dürfen nicht wieder zu früh aufgeben.»

Ramelow will den Lockdown in Thüringen angesichts der hohen Infektionswerte sogar verschärfen. Er habe dem Kabinett vorgeschlagen, den Bewegungsradius der Menschen auf 15 Kilometer im Umkreis ihres Wohnortes zu beschränken, sagte er am Sonntag. Das Kabinett will darüber am Dienstag nach den Bund-Länder-Gesprächen entscheiden. Ramelow reagierte damit auch auf den Ansturm auf die Wintersportgebiete im Thüringer Wald.

Auch andere stark von Corona betroffene Bundesländer plädierten in der Telefonkonferenz für eine Verlängerung bis Monatsende, während weniger betroffene Länder einer neuen Entscheidung schon nach zwei Wochen zuneigten. Die Regierungschefs von Hamburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Hessen, Peter Tschentscher (SPD), Stephan Weil (SPD), Reiner Haseloff (CDU), Malu Dreyer (SPD) und Volker Bouffier (CDU), gehen ebenfalls davon aus, dass die strengen Regeln weiter gelten müssen. Sie nannten in Interviews aber keine Zeitspanne.

Tschentscher will zudem über die derzeit geschlossenen Schulen diskutieren. Dieses Thema ist besonders strittig. Der Hamburger Bürgermeister sagte der «Welt am Sonntag», er erwarte vom Bund Informationen, «auf welcher wissenschaftlichen Grundlage beziehungsweise Datengrundlage er eine weitere pauschale Schließung von Kitas und Schulen fordert und wie er sich vorstellt, dass damit die wesentlichen Funktionen der Grundversorgung und medizinischen Behandlungskapazitäten aufrechterhalten werden sollen».

Die Kulturminister der Länder beraten bereits am Montag über die Lage, einen Tag vor den Ministerpräsidenten. Sie halten vor allem die baldige Öffnung der Kitas und Grundschulen für vorrangig. Söder dagegen warnte vor einer «überstürzten Öffnung von Schulen und Kitas». «Es wäre angesichts der hohen Infektionszahlen verantwortungslos, Lehrer und Schüler einfach wieder komplett in die Schulen zu schicken», sagte er. Gerade nach den Ferien sei die Gefahr von Ansteckungen hoch. Ramelow sagte, in Thüringen sei erst am 1. Februar wieder ein eingeschränkter Regelbetrieb von Schulen und Kindergärten geplant. Nur Schüler der Jahrgänge, in denen Abschlüsse anstehen, sowie ihre Lehrer mit negativem Corona-Tests sollen bereits im Januar an die Schulen zurückkehren könnten.

In der Telefonkonferenz plädierten Länder mit hohen Fallzahlen dafür, die Schulen vorerst geschlossen zu halten, Länder mit geringeren Zahlen für eine frühere Öffnung mit Wechsel- oder Distanzunterricht höherer Klassen. Einzelne Länder regten auch ein Vorziehen der Winterferien an, die in manchen Ländern zwischen dem 1. und 15. Februar beginnen.

Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, plädierte für eine Verlängerung des Lockdowns. Bund und Länder sollten um volle vier Wochen nachlegen, sagte er der «Rheinischen Post». Das würde einen Lockdown bis zum 2. Februar bedeuten. «Und ich bin überhaupt nicht sicher, dass dann Schluss ist», sagte Montgomery.

Der Verbandsvorsitzende verteidigte auch das Vorgehen des Bundes und der EU bei der Bestellung der Impfstoffe. «Niemand wusste, welcher Impfstoff zuerst über die Ziellinie der Zulassung gehen würde», sagte er. Alle Vorwürfe jetzt seien «der billige Versuch, politischen Honig aus dem Impfstoffmangel zu saugen».

Führende Politiker aus der Opposition und von der SPD hatten kritisiert, die Bundesregierung habe sich mit der EU zu spät und wenig um die Beschaffung von Impfstoff gekümmert. Vor allem die SPD griff dabei auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an. Dieser verteidigte sich: «Wir haben ausreichend Impfstoff für Deutschland und die EU bestellt», sagte er der «Rheinischen Post». «Das Problem ist nicht die bestellte Menge. Das Problem ist die geringe Produktionskapazität zu Beginn – bei weltweit extrem hoher Nachfrage.»

Der Gesundheitsminister setzt auf eine schnelle Zulassung des Impfstoffs des britisch-schwedischen Konzerns Astrazeneca, strebt dabei aber keinen deutschen Alleingang an. Der Impfstoff, der in Großbritannien bereits zugelassen ist, wird derzeit von den europäischen Zulassungsbehörden geprüft. Das Mittel hatte in Studien eine geringere Wirksamkeit aufgewiesen als der Impfstoff von Biontech, kann aber mit weniger Aufwand gelagert werden und ist deutlich günstiger.

Beim Tempo der Impfungen sieht Spahn auch die Länder in der Pflicht.
«Dass es keine bundeseinheitliche, sondern diese unterschiedliche Herangehensweise gibt, war eine sehr bewusste Entscheidung der Länder», sagte er. «Nun muss diese Entscheidung gemeinsam bestmöglich umgesetzt werden.»

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) warnte vor wohlfeiler Kritik an der Impfstoff-Bestellung. «Besserwisserei hilft uns heute gar nichts», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Söder dagegen griff die EU-Kommission an, die europaweit für die Beschaffung zuständig war. Sie habe zu wenig bestellt und auf die falschen Hersteller gesetzt. «Es ist schwer zu erklären, dass ein sehr guter Impfstoff in Deutschland entwickelt, aber woanders schneller verimpft wird», sagte er mit Blick auf die Mainzer Firma Biontech. (dpa)


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