Lockerungen trotz steigender Inzidenz: Verbände fordern Schnelltests

| Politik Politik

In einer Sache sind sich vor allem aufseiten der von der Corona-Krise besonders betroffenen Wirtschaftszweige viele einig: Öffnungen und Lockerungen müssen her - so schnell wie möglich. Die neuerlichen Bund- und Länderberatungen am Mittwoch drehten sich vor allem um die Frage, wie das angesichts der derzeit wieder steigenden Neuinfektions- und Inzidenzzahlen möglich sein soll. Schnell- und Selbsttests spielten dabei eine zentrale Rolle. Doch es bleiben Bedenken und Befürchtungen, auch auf Wirtschaftsseite.

«Schnell- und Selbsttests sind mit guter Genauigkeit in der Lage festzustellen, ob jemand aufgrund einer akuten COVID-19-
Infektion aktuell ansteckend ist», hieß es bereits in einem Entwurf vom Dienstag für die Konferenz der Kanzlerin mit den Länderchefs. Diskutiert wurde auch über eine Verpflichtung der Unternehmen, ihren Beschäftigten vor Ort pro Woche mindestens einen kostenlosen Schnelltest anzubieten. Das dürften vor allem größere Konzerne schnell umsetzen können.

So betreibt Volkswagen als Deutschlands größter Industriekonzern bereits seit dem vergangenen Sommer betriebsinterne Corona-Testzentren in den Werken. Dort kommt bisher vor allem die klassische PCR-Methode zum Einsatz. Beschäftigte können zum Beispiel in «Corona-Containern», die auf dem jeweiligen Gelände aufgestellt sind, Abstriche machen lassen. Inzwischen gab es bei der VW AG nach jüngsten Angaben bundesweit rund 27 000 solcher Untersuchungen in der Belegschaft.

Während dafür zunächst umfangreichere Terminabläufe nötig waren, lassen sich die Anmeldedaten mittlerweile über das Netz oder über eine eigene App eingeben, damit es insgesamt weniger direkte Kontakte vor dem eigentlichen Test gibt. Auch die anschließende Abfrage des Ergebnisses ist digital möglich. Schnelltests werden punktuell, aber noch nicht systematisch oder in größerem Umfang eingesetzt.

«Die deutsche Wirtschaft ist bereit ihren Beitrag zu leisten, indem sie einen verantwortlichen Einsatz von Schnelltests nach verbindlichen Regeln umsetzt», heißt es in einem Vorschlagspapier, dass der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vor einigen Tagen an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) übergeben hat.

Die Schnelltests schlagen am besten bei hoher Virenlast an - also bei stark ansteckenden Infizierten. Infizierte mit geringer Virenlast werden aber womöglich nicht oder nur selten entdeckt.

Experten sehen ein Risiko in den erwartbar vielen falsch positiven oder falsch negativen Ergebnissen - unter anderem, weil sich unwissentlich Infizierte nach einem negativen Testergebnis in falscher Sicherheit wiegen können. Ein positives Ergebnis wiederum gilt laut Robert Koch-Institut (RKI) nur als Verdacht auf eine Infektion. Für eine Diagnose muss ein PCR-Test das noch bestätigen. Zudem ist die Aussagekraft der Tests laut RKI auch zeitlich begrenzt - schon am nächsten Tag könne das Ergebnis anders sein.

Dennoch verbinden sich mit den Tests große Hoffnungen auf baldige Lockerungen. Schon länger gibt es Forderungen nach einer umfassenden Teststrategie aus der Wirtschaft. «Die zugelassenen COVID-19-Schnelltests sind ein wichtiger Beitrag zur Kontrolle des Infektionsgeschehens und ein wichtiges Instrument für die Öffnung der von Schließungsanordnungen betroffenen Unternehmen und Soloselbständigen», heißt es im DIHK-Papier.

Die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gastronomieverbands Dehoga, Ingrid Hartges, forderte auf Anfrage eine rasche Klärung der Rechtsfragen rund um die Tests. «Schnelltests sollten möglichst schnell, flächendeckend und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Das muss professionell organisiert werden.»

Allerdings betont auch der DIHK, dass die Tests kein alleiniges Allheilmittel darstellten. Unklar bleibt zudem, wie schnell die Unternehmen die Anforderungen der Politik umsetzen könnten. So sei ein Angebot von Schnelltests auf freiwilliger Basis im Betrieb auf jeden Fall mitbestimmungspflichtig, teilte die Gewerkschaft IG Metall auf Anfrage mit. Allgemein müssten Arbeitnehmer keine Tests dulden, weil diese in der momentanen Form mit Wattestäbchen einen nicht unerheblichen Eingriff in die körperliche Integrität der zu testenden Person darstellten. Arbeitgeber könnten das nicht einfach anordnen.

Der Deutsche Handelsverband (HDE) warnt indes vor Rückschritten - insbesondere dann, wenn ein Schnelltest über den Zugang von Kunden in Geschäfte entscheidet. «Extrem schwierig», sei ein solches Vorgehen und ein «absoluter Rückschritt an Freizügigkeit», sagte der Präsident des Handelsverbands HDE, Josef Sanktjohanser, kürzlich auf einer Veranstaltung.

Der Handelsimmobilienverband German Council of Shopping Places kündigte an, dass Shopping-Center-Unternehmen bereit seien, hunderte von Teststationen aufzubauen, um eine Teststrategie der Bundesregierung zu unterstützen. Man habe am Mittwochmorgen «sofort die Zusage von rund 80 Prozent aller Shopping-Center in Deutschland erhalten, die Teststrategie zu unterstützen», sagte Verbandssprecher Ingmar Behrens. Dies könne ein wichtiger Beitrag für eine sofortige und sichere Öffnungsstrategie sein.

Der Verband der Technischen Überwachungs-Vereine (Tüv) hat sich am Mittwoch nicht nur für Tests, sondern auch für Impfungen durch Betriebsärzte am Arbeitsplatz ausgesprochen. «Deutschland verfügt mit seinen Betriebsärzten über ein weltweit einmaliges System, um möglichst viele Erwerbstätige innerhalb kurzer Zeit impfen zu können», teilte Verbandspräsident Dirk Stenkmap am Mittwoch mit. «Jetzt ist die Politik am Zug, damit die arbeitsmedizinischen Dienste mit ausreichend Impfstoff versorgt werden können.»

Laut einer Umfrage im Auftrag des Tüv-Verbands würden es rund 84 Prozent der Befragten gut oder sehr gut finden, wenn Unternehmen und andere Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine Corona-Impfung anbieten würden. Allerdings geht aus der Umfrage auch hervor, dass sich nur 17 Prozent beim Betriebsarzt ihres Arbeitgebers impfen lassen würden. 55 Prozent bevorzugen demnach eine Impfung beim Hausarzt. 18 Prozent würden sich an ein Impfzentrum wenden. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Nach dem sogenannten Weihnachtsfrieden nimmt der Tarifstreit bei der Deutschen Bahn Fahrt auf: Von Mittwoch bis Freitag will die Lokführergewerkschaft GDL im Personenverkehr streiken.

Am 15. Januar findet als Abschlussaktion der Aktionswoche „Ohne uns kein Essen“ der Landwirte in Berlin eine Großdemo statt. Hier ist auch der DEHOGA als Partner und Unterstützer mit dabei. Auch in den Bundesländern gibt es Aktionen. Teilnahmen an Straßenblockaden sind nicht geplant.

Beim Blick in die Kühltheken sollen Verbraucherinnen und Verbraucher bald zusätzliche Informationen auf Lebensmitteln finden - zur Herkunft von Fleischwaren schon in wenigen Wochen. Ein anderes Logo kommt auch auf den Weg.

Per Gesetz sollen Plastik-Einwegverpackungen bei Essen zum Mitnehmen eingedämmt werden. Der Dehoga findet die Idee grundsätzlich gut. Es hakt aber bei der Rückgabe des als Ersatz genutzten Mehrweggeschirrs.

Auch im Ausland ist das allgemeine Preisniveau zuletzt deutlich gestiegen - in unterschiedlicher Weise. Die Finanzverwaltung reagiert darauf mit neu berechneten Pauschalen für Dienstreisende.

Thüringen stellt Gastronomen und Hoteliers Finanzhilfen in den kommenden Jahren in Aussicht. Es solle ein «Gastrobonus» für Investitionen aufgelegt werden, teilte die Linke-Landtagsfraktion in Erfurt mit.

Fast zwei Jahre nach Einführung der Verpackungssteuer rechnet die Stadt Tübingen mit einem Geldregen. Es sei mit einem Steueraufkommen von mindestens rund 692 000 Euro für das Jahr 2022 auszugehen. Eine Franchise-Nehmerin von McDonald's hat gegen die Steuer Verfassungsbeschwerde erhoben.

Bundesminister Cem Özdemir traf sich mit Repräsentanten der Gemeinschaftsgastronomie im Dehoga, um den Austausch zu den praxisrelevanten Herausforderungen bei der Realisierung der Ziele der Ernährungsstrategie der Bundesregierung zu intensivieren.

Nach ihrer Einigung im Haushaltsstreit gaben sich die Ampel-Spitzen zunächst ziemlich zugeknöpft. Jetzt gibt es erstmals eine Liste ihrer Beschlüsse. Doch Änderungen sind nicht ausgeschlossen.

Bei der Deutschen Bahn drohen im kommenden Jahr mehrtägige Streiks mit Tausenden Zugausfällen. Die Mitglieder der Lokführergewerkschaft GDL haben per Urabstimmung den Weg für unbefristete Arbeitskämpfe freigemacht, wie GDL-Chef Claus Weselsky am Dienstag mitteilte.