Merkel, Scholz und Söder bereiten Deutschland auf verschärfte Corona-Maßnahmen vor

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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) haben die Bürger vor der an diesem Mittwoch geplanten Runde mit den Ministerpräsidenten grundsätzlich auf eine Verschärfung des bestehenden Teil-Lockdowns im Dezember eingestellt. Um wieder Zugriff auf die Pandemie und die Kontaktnachverfolgung zu bekommen, müsse man «sicherlich noch einiges tun. Aber was genau das ist, dem kann ich und will ich heute nicht vorgreifen», sagte Merkel am Sonntag in Berlin nach dem zweitägigen virtuellen G20-Gipfel führender Wirtschaftsmächte unter Leitung Saudi-Arabiens auf eine entsprechende Frage.

Die Kanzlerin versicherte: «Die Bürgerinnen und Bürger sollen von Bund und Ländern eine geschlossene, gemeinsame Antwort bekommen. Darauf haben sie eigentlich ein Recht. Und daran arbeiten wir jetzt diesmal sehr intensiv.» Schon beim jüngsten Treffen von Bund und Ländern Anfang der Woche hatte Merkel schärfere Maßnahmen gegen die Pandemie durchsetzen wollen, war aber am Widerstand der Länder gescheitert. Anschließend war erneut eine zu große Vielstimmigkeit in den Corona-Maßnahmen kritisiert worden.

Merkel sagte nun mit Blick auf die kommenden Verhandlungen, man wolle es diesmal ja gerade so machen, «dass wir am Mittwoch dann unsere Ergebnisse vorweisen». Deshalb gebe es eine Vielzahl von Gesprächsrunden. Jeder betrachte die Daten und Fakten. «Tatsache ist, dass wir noch nicht soweit sind, wie wir gerne gekommen wären durch die Kontaktbeschränkungen.» In vielen Bundesländern sei ein Plateau an Neuinfektionen erreicht worden, in einigen wenigen Ländern gingen die Zahlen auch deutlich nach unten, in anderen stiegen sie noch.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der gemeinsam mit Merkel am G20-Gipfel teilgenommen hatte, sagte, man habe das Richtige getan mit den weitreichenden Einschränkungen, die die Politik im November auf den Weg gebracht habe. Klar sei, dass dies trotz der sichtbaren Ergebnisse noch nicht ausreiche, weil man bei der Entwicklung der Fallzahlen noch nicht dort sei, wo man hinwolle. «Und deshalb ahnt ja auch jeder, dass es noch Verlängerung geben muss.» Er habe «den sicheren Eindruck» aus Gesprächen, die er mit Ministerpräsidenten auch am Sonntag geführt habe, dass hart daran gearbeitet werde, «einen guten Vorschlag vorzubereiten», auf den sich dann die Bundesregierung mit den 16 Ländern am Mittwoch verständigen könne.

 

 

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte im ARD-«Bericht aus Berlin», es gebe keinen Grund zur Entwarnung. Deswegen «werden wir den Lockdown sicherlich zu verlängern vorschlagen. Und an einigen Stellen - insbesondere in den Hotspots - auch deutlich zu vertiefen.»

Für die Staatskanzleichefs der Länder war es ein arbeitsreiches Wochenende: Gleich mehrfach schalten sie sich in unterschiedlichen Runden zusammen, um ihr weiteres Vorgehen in der Pandemie zu beraten. Am Montag wollten ihre Chefs die Vorlage der Länder für die Beratungen mit Merkel an diesem Mittwoch festzurren - damit es nicht wieder so konfliktträchtig abläuft wie in der Vorwoche.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), derzeit als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz für die Organisation einer Länder-Linie zuständig, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir sind uns einig, dass schon viel erreicht wurde, aber nicht genug.» Er ergänzte: «Wie lange wir verlängern müssen und wie genau wir das ausgestalten, wird gerade untereinander besprochen.»

Söder sagte am Sonntagabend in der ARD, neben weiteren Kontaktbeschränkungen müsse vor allem das Thema Schule diskutiert werden. Insbesondere in den Hotspots mit besonders hohen Corona-Zahlen sei es so, dass die Schule einer der Infektionsherde sei. Zwar sollten die Schulen grundsätzlich offen bleiben. Der Vorschlag sei aber, generell und auch in der Grundschule eine Maskenpflicht einzuführen und Wechselunterricht für die älteren Jahrgangsstufen. Ausnahmen sollten für die Abschlussklassen gelten. «Also: Insgesamt vertiefen, indem an der Schule nachgedacht wird - und auch weitere Kontaktbeschränkungen», sagte Söder.

DIE AKTUELLE SITUATION:

Seit Anfang November sind deutschlandweit alle Freizeit- und Kulturangebote auf Eis gelegt, Bars, Cafés und Restaurants geschlossen. Am Sonntag meldete das RKI 15 741 Fälle, die von den Gesundheitsämtern binnen 24 Stunden übermittelt wurden. Am Sonntag vor einer Woche lag die Zahl bei 16 947. Der Höchststand war am Freitag mit 23 648 Fällen erreicht worden. Die Zahl der Corona-Patienten auf der Intensivstation steigt laut Daten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin weiter, aber zuletzt weniger stark.

Was bedeutet das ...?

FÜR DIE NÄCHSTEN WOCHEN: Ohne Verlängerung müssten die Beschränkungen Ende November auslaufen. Wie lange sie darüber hinaus dauern sollen, ist noch unklar. Das Wirtschaftsmagazin «Business Insider» hat unter Berufung auf Länderkreise das Datum 20. Dezember genannt. Das Magazin zitierte zudem aus einer Beschlussvorschlage mit Stand Samstag 19.00 Uhr des Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz: «Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sind auf den eigenen und einen weiteren Hausstand, jedoch in jedem Falle auf maximal 5 Personen zu beschränken. Eigene Kinder bis 14 Jahre sind hiervon ausgenommen», heiße es dort.

FÜR WEIHNACHTEN:

Laut «Bild» sind sich die Unionsländer einig, dass Kontaktbeschränkungen zumindest über die Weihnachtsfeiertage gelockert werden sollten. Auch die SPD-regierten Länder wollen laut «Bild am Sonntag» Lockerungen für die Festtage. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte der Zeitung: «Weihnachten und Silvester sollen die Menschen ihre Liebsten treffen können.» Kanzleramtschef Helge Braun sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag): «Es ist für mich nicht vorstellbar, dass die Großeltern an Weihnachten nicht mitfeiern.»

Bei einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) äußerten 41 Prozent der rund 1000 Befragten die Sorge, das Fest wegen der Pandemie im kleinen Kreis oder allein feiern zu müssen. Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, sagte dem «Tagesspiegel»: «Man kann doch wohl Mitte November schon sagen, dass Weihnachten in den Familien stattfinden kann.»

FÜR SILVESTER:

Söder sagt, Weihnachten solle «freier» sein, «dafür Silvester wieder konsequenter». Für Silvester wünscht er sich ein Böller- oder Alkoholverbot auf größeren Plätzen. «Ein generelles Böllerverbot braucht es aber nicht.»

FÜR SCHULEN:

Die Kultusminister der Länder beharren darauf, sie grundsätzlich offenzuhalten, plädieren aber nach Informationen des Nachrichtenportals «ThePioneer» (Samstag) und der Deutschen Presse-Agentur für Ausnahmen. Nach einem Beschluss vom Freitag sollen in Hotspot-Gebieten mit sehr vielen Infektionen besonders betroffene Schulen ab der 11. Klasse auf einen «rollierenden Präsenzunterricht» in verkleinerten Lerngruppen umstellen können, also einen Wechsel von Lernen in der Schule und zuhause.

In einem zweiten Schritt ist das auch für untere Klassenstufen weiterführender Schulen vorgesehen. Die Abschlussklassen sollen in jedem Fall in der Schule bleiben. Die Unionsländer wollen Ähnliches: In Corona-Hotspots mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 200 soll es ab der 7. Klasse Wechselunterricht geben.

«Infektionsketten wirklich unterbrechen und gleichzeitig lebenspraktisch bleiben, das ist die Aufgabe», sagte Spahn dem RND (Montag). Konkret schlug er vor, dass beim Auftreten eines Infektionsfalls sofort die betroffene Klasse in die häusliche Isolation geschickt wird. Bisher ist das teilweise nicht oder nur bei Sitznachbarn Infizierter der Fall. «Nach negativen Schnelltests am fünften Tag könnten die Schülerinnen und Schüler wieder in die Schule zurückkehren», sagte Spahn.

An besonders von Corona betroffenen Schulen soll es nach dem Willen der Kultusminister mehr Tests geben. Nach Zulassung eines Impfstoffes solle das Schulpersonal vorrangig ein Impfangebot erhalten.

FÜR DIE EINZELNEN LÄNDER:

Nach dem Willen der Unionsländer sollen laut «Bild» Länder und Landkreise mit weniger als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen die Möglichkeit bekommen, die Corona-Maßnahmen auszusetzen («Opt-Out-Regelung»). Davon könnten aktuell nur Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie rund zwei Dutzend Landkreise profitieren.

FÜR UNTERNEHMER:

Scholz will die Hilfen für Unternehmen, die wegen der Corona-Beschränkungen schließen müssen, gegebenenfalls auch im Dezember weiter zahlen. «Wenn die Beschränkungen verlängert werden, ist für mich klar, dass die finanzielle Unterstützung der direkt betroffenen Branchen dann ebenfalls weiter nötig ist», sagte er der «Bild am Sonntag».

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