Mindestlohn-Entscheidung am Freitag

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An diesem Freitag will die Mindestlohnkommission über die künftige Höhe der gesetzlichen Lohnuntergrenze Auskunft geben. Die Verhandlungsführer der Arbeitgeber und der Gewerkschaften, Steffen Kampeter und Stefan Körzell, wollen in Berlin mit der Kommissionsvorsitzenden Christiane Schönefeld über den fünften Beschluss in der Geschichte des Gremiums berichten, wie aus einer Einladung der Bundespressekonferenz hervorgeht.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann betonte, die Ausgangslage sei klar, die Kommission bestimme den Mindestlohn, der für Deutschland gelte - tariflich festgelegt, nicht politisch. «Das halte ich für richtig.» Er hoffe und fände es sehr gut, wenn es in der Kommission einstimmig klappe.

In mit der Angelegenheit vertrauten Kreisen war zuletzt ein Scheitern der Kommission nicht ausgeschlossen worden. Arbeitgeber und Gewerkschaften lägen bei ihren Vorstellungen noch weit auseinander, hieß es in der vergangenen Woche. Auch am Montag verlautete aus Verhandlungskreisen weiter: «Es hat keine entscheidenden Annäherungen gegeben. Die Verhandlungen können sich auch bis Montag ziehen.»

Zeit haben die Spitzenvertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebern in der Kommission bis 30. Juni. Bis dahin werde ein Beschluss gefasst, hatte Schönefeld im April mitgeteilt. Derzeit liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro pro Stunde. Die Arbeitgeber hatten vor gravierenden ökonomischen Folgen durch eine deutliche Mindestlohnerhöhung gewarnt. Deutschland droht 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge. 

«15 Euro erreichbar»

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte sich im vergangenen Jahr auf die Forderung von 15,27 Euro je Stunde für 2026 festgelegt. Begründung: So würden EU-Vorgaben erfüllt, nach denen der Mindestlohn 60 Prozent des mittleren Einkommens eines Landes erreichen soll. 

Die SPD tritt für einen Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde ein. Der Union ist dagegen vor allem wichtig, dass die Sozialpartner in der Kommission unabhängig von der Politik entscheiden können. 

In ihrem Koalitionsvertrag verzichteten CDU, CSU und Sozialdemokraten auf eine Vorgabe, nennen aber den Betrag von 15 Euro: «Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.»

Verkündung eine Stunde vor SPD-Konvent

Kommt die Mindestlohnkommission an diesem Freitag zum Abschluss und verkündet wie geplant um 13 Uhr ihr Ergebnis, wäre dies genau eine Stunde vor Beginn eines dreitägigen SPD-Parteitags, auf dem auch die Parteispitze neu gewählt werden soll. 15 Euro Mindestlohn waren zuletzt ein zentrales Wahlkampfversprechen der SPD. Nun wird mit Spannung erwartet, wie die Partei reagiert, falls die Kommission mit ihrer Empfehlung deutlich darunter bleiben sollte. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf hatte in einem ARD-Interview bereits gesagt, auch in Ordnung wäre ein Ergebnis knapp unter der 15-Euro-Marke wie etwa bei 14,92 Euro. In so einem Fall werde «es kein Gesetz von uns im Bundestag geben». 

Als die Kommission im Juni 2023 den heutigen Mindestlohn festlegte, war dies erstmals nicht einvernehmlich geschehen. Die unabhängige Kommissionschefin Schönefeld hatte damals mit den Arbeitgebern gestimmt und so mit ihrer Stimme den Ausschlag gegeben. In den Verhandlungen hatten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht einigen können. Bei der vorangegangenen Erhöhung auf 12 Euro hatte die damals regierende Ampel-Koalition ausnahmsweise per Gesetz entschieden.

Vor der Entscheidung: Kommen 15 Euro Mindestlohn?


Im Ringen um die künftige Höhe des Mindestlohns in Deutschland wächst der Druck auf die Mindestlohnkommission. Die vertraulichen Verhandlungen zwischen Spitzenvertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern gehen in dieser Woche in die Schlussphase. Bis 30. Juni will das Gremium ein Ergebnis vorlegen. 

Der Sozialverband Deutschland forderte die Kommission zu einem Mindestlohn von 15,12 Euro auf, wie die Vorsitzende Michaela Engelmeier der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Was die SPD will

Die Kommissionsmitglieder stehen unter politischem Druck. Die SPD hatte im zurückliegenden Bundestagswahlkampf eine Orientierung der Lohnuntergrenze an EU-Vorgaben gefordert, nach denen der Mindestlohn mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommens erreichen solle. «Dementsprechend muss der Mindestlohn spätestens ab 2026 bei 15 Euro liegen», heißt es im SPD-Wahlprogramm vom Januar.

Aktueller Stand in der Mindestlohnkommission

Vom 27. bis 29. Juni tagt wieder ein SPD-Parteitag – und führende Sozialdemokraten gucken aufmerksam auf die Mindestlohnkommission. Ihrem gesetzlichen Auftrag nach ist diese politisch unabhängig. Wie es in mit der Sache vertrauten Kreisen heißt, liegen Gewerkschaften und Arbeitgeber in der Kommission noch deutlich auseinander. Ein einvernehmliches Ergebnis von 15 Euro ist demnach nicht greifbar. 

Position der Arbeitgeber

Derzeit liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro pro Stunde. Deutschlands Arbeitgeber warnen vor gravierenden ökonomischen Folgen durch eine deutliche Mindestlohnerhöhung. Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander hatte bereits im April der «Bild»-Zeitung gesagt, ein Mindest­lohn von 15 Euro «würde in der längsten Wirt­schafts­krise seit Gründung der Bundes­re­pu­blik schwere wirt­schaft­liche Schäden anrichten».

Position der Gewerkschaften

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hingegen stellte schon im Jahr zuvor fest: Aus DGB-Sicht bedeute «ein angemessener Mindestlohn» auf Basis der EU-Vorgaben 15,27 Euro für 2026 je Stunde. Die Arbeitgeber dagegen mahnen, 15 Euro wären ein Anstieg in nur zehn Jahren von über 76 Prozent. Zander: «Damit können die Tariflöhne nicht Schritt halten.»

Entscheidet die Kommission oder die Politik?

Sozialverbandschefin Engelmeier fordert die Koalition auf, einzugreifen, falls die Kommission die EU-Vorgaben für 60 Prozent des mittleren Lohns nicht berücksichtige. «Andernfalls sollte die Politik überlegen, wie sie hier nachbessern kann.»

Die Vorsitzende der Mindestlohnkommission, Christiane Schönefeld, äußert sich zum Stand der Verhandlungen aktuell nicht. In einer Mitteilung hatte sie erläutert, das Gremium orientiere sich «unter anderem nachlaufend an der Tarifentwicklung sowie am Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns» von Beschäftigten in Vollzeit. Bei «besonderen ökonomischen Umständen» könne es davon abweichen. 

Trotz Uneinigkeit über die künftige Höhe des Mindestlohns herrscht in der Mindestlohnkommission doch der Wille vor, zu einer einvernehmlichen Entscheidung zu kommen, wie es in den Kreisen hieß. Vermieden werden soll, dass ein Beschluss des Gremiums erneut nur durch die Stimme der unabhängigen Vorsitzenden zustande kommen kann.

Zuletzt gab es zwei Premieren

Trotz Protestes der Gewerkschaften hatte die Kommission erstmals im Juni 2023 nicht einvernehmlich entschieden. Beim Beschluss einer Erhöhung in zwei Stufen auf 12,82 Euro hatte Schönefeld mit den Arbeitgebern gestimmt und so den Ausschlag gegeben. Zuvor hatte es schon eine andere Premiere gegeben. Die Ampel-Koalition hatte bei der vorangegangenen Erhöhung auf 12 Euro 2022 ausnahmsweise per Gesetz entschieden und so ein Versprechen der damaligen Kanzlerpartei SPD verwirklicht. 

Koalition droht neuer Streit

Absehbar ist also, dass es neuen politischen Zündstoff für die Koalition geben wird, wenn die Mindestlohnkommission ihr Ergebnis vorlegt. Wie es hieß, ist noch unklar, ob die letzte Sitzung vor dem an diesem Freitag beginnenden SPD-Parteitag stattfinden soll – oder erst nach dem Konvent am Montag (30. Juni). 

Im Fall des Scheiterns des Gremiums dürfte es in der Union nicht viele Fürsprecher für eine deutliche Erhöhung per Gesetz geben. In ihrem Wahlprogramm hatten die Unionsparteien klargestellt: «Einen politischen Mindestlohn lehnen wir ab.»

(dpa)


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