Neue Insolvenzregelung für Reiseveranstalter

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Als Lehre aus der Thomas-Cook-Pleite (Tageskarte berichtete) will die Bundesregierung Reisende bei Insolvenzen künftig mit einem Fonds absichern. Nur Veranstalter, die in diesen gemeinsamen Topf einzahlen, sollen künftig noch Pauschalreisen anbieten. Einen entsprechenden Vorschlag des Bundesjustizministeriums hat das Kabinett am Mittwoch in Berlin angenommen.

Derzeit können Versicherer von Reiseanbietern ihre Haftung für Erstattungen auf 110 Millionen Euro pro Geschäftsjahr begrenzen, was nach Auskunft des Ministeriums auch stets geschieht. Eine Haftungsbeschränkung soll es künftig weder für Reiseanbieter noch deren Versicherer geben, damit auch riesige Schadenssummen in Zukunft abgesichert sind und nicht vom Steuerzahler übernommen werden müssen. «Auf diese Weise wird ein umfassender Schutz der Reisenden sichergestellt», erklärte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD).

Reiseanbieter müssen Geld beiseite legen

Die Reiseanbieter müssen als Sicherheit Summen beiseite legen, deren Höhe sich an ihrer Bonität bemisst. Wenn ein Unternehmen Insolvenz anmelden muss, soll zunächst diese Sicherheit verwendet werden und im nächsten Schritt falls nötig Mittel aus dem gemeinsamen Fonds, der in der Aufbauphase noch durch eine staatliche Garantie abgesichert wird. Hinzu kommen als weitere Sicherheit Rückdeckungsversicherungen und gegebenenfalls Kreditzusagen.

Hintergrund der Pläne ist die Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook vergangenes Jahr. Das Unternehmen hatte schrittweise alle gebuchten Reisen abgesagt, auch wenn sie bereits ganz oder teilweise bezahlt worden waren. Die Bundesregierung hatte entschieden, für die Schäden der Reisenden einzuspringen, die von der Zurich Versicherung nicht beglichen werden. Da die Versicherungssumme nicht für den Gesamtschaden ausreicht, zahlt die Versicherung nur 17,5 Prozent.

Das Justizministerium wickelt den Schadenersatz über eigens eingerichtete Internetportale ab. Innerhalb eines Monats beantragten 60.000 Thomas-Cook-Kunden dort Hilfe vom Staat. Rund 50.000 dieser Anträge würden derzeit geprüft, sagte eine Ministeriumssprecherin dem «Tagesspiegel». In anderen Fällen lägen noch nicht alle Unterlagen vor. Anmeldungen sind noch bis November möglich.

Die neuen Insolvenzregeln sind bisher nur in Eckpunkten im Kabinett verabschiedet. Im nächsten Schritt wird das Justizministerium die Details nun in einem Gesetzentwurf ausbuchstabieren, der dann ebenfalls vom Kabinett sowie vom Bundestag und dem Bundesrat angenommen werden muss.

DRV fordert maßvollen Übergang

„Die Eckpunkte zur Neugestaltung der Insolvenzabsicherung zeigen einen geeigneten Ansatz zur verbesserten Absicherung und zum Schutz der Verbraucher“, erklärt der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig, weist jedoch auf die durch die Corona-Pandemie hervorgerufene derzeit ausgesprochen schwierige wirtschaftliche Situation der Reiseveranstalter hin: „Eine erweiterte Absicherung stellt eine zusätzliche erhebliche finanzielle Herausforderung für die Reiseveranstalter dar, die kurzfristig nur schwer zu lösen sein wird.“ Vor diesem Hintergrund fordert Fiebig: „Wir brauchen einen maßvollen Übergang vom alten ins neue System, den die Reiseunternehmen bewältigen können.“

(Mit Material der dpa)


 

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