Scharfe Kritik an Mehrwegplänen der Regierung für die Gastronomie

| Politik Politik

Das Bundesumweltministerium hat einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem künftig Betriebe, die Einwegverpackungen für Lebensmittel verwenden, künftig zwingend Mehrwegbehältnisse als Alternative anbieten müssen. Ausgenommen von den neuen Regeln sein sollen nur Getränkeverpackungen, Getränkebecher, Teller sowie Tüten und Folienverpackungen, wie Wrappers, mit Lebensmittelinhalt. Erst jüngst hatte der Bundesrat das Verkaufsverbot von bestimmten Einwegkunststoffprodukten, unter anderem auch Lebensmittelverpackungen aus Polysterol abgesegnet und damit 1:1 die EU-Einwegkunststoffrichtlinie umgesetzt. Alle anderen Einwegkunststoffverpackungen, die nicht aus Polysterol hergestellt sind, dürfen demnach weiter verkauft werden. Hier will das Bundesumweltministerium nun gegensteuern.

„Der Gesetzentwurf kommt zur Unzeit und geht völlig ohne Not über die Vorgaben der EU-Einwegkunststoffrichtlinie hinaus“, kommentiert DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges den Vorstoß. „Die geplanten Regelungen würden für viele Betriebe immense und unverhältnismäßige Kosten und Aufwand bedeuten! Das verpflichtende Vorhalten von Mehrwegbehältnissen inkl. Rücknahme, Logistik, Pfand, Reinigung usw. ist für die allermeisten Unternehmen schlicht nicht umsetzbar. Einer Branche, die mit dem Rücken zu Wand steht, jetzt mit einem solchen Vorstoß zu begegnen, ist eine wahre Zumutung. Auch wenn die Regelungen erst ab 1. Januar 2022 geplant sind, können wir angesichts solcher Vorschläge nur den Kopf schütteln. Es muss der freien Entscheidung des Unternehmers überlassen sein, ob und in welchem Umfang er Mehrweglösungen im Betrieb anbietet. Wir fordern das Bundesumweltministerium auf, diesen Gesetzentwurf unverzüglich zu stoppen. Statt immer mehr Verbote aufzutürmen, müsste die Politik bezahlbare Alternativen zu Einwegkunststoffverpackungen fördern, so dass der Umstieg von Einwegplastik auf umweltschonende Alternativen erfolgreich gelingen kann, ohne eine unverhältnismäßige Mehrwegverpflichtung vorzuschreiben.“

Es falle zu viel Verpackungsmüll in Deutschland an, sagte Staatssekretär Jochen Flasbarth am Freitag. Die Pfandpflicht soll ausgeweitet werden auf alle Einweg-Plastikflaschen und Getränkedosen.

Eine Ausnahme sieht Schulzes Gesetzentwurf vor, wenn ein Geschäft sowohl höchstens drei Mitarbeiter hat als auch eine Fläche von höchstens 50 Quadratmeter - dann soll es reichen, auf Wunsch den Kunden die Produkte in mitgebrachte Mehrwegbehälter abzufüllen. Wer Essen nur auf Tellern oder etwa eingewickelt in Alufolie verkauft, ist ebenso ausgenommen wie Pizzerien, die Pizza im Karton verkaufen, denn es geht um die Vermeidung von Plastikmüll.

Die Reform des Verpackungsgesetzes setzt EU-Richtlinien um, teils geht sie auch darüber hinaus. Flasbarth sagte, er sei «ganz zuversichtlich», dass der Vorschlag in der schwarz-roten Koalition durchkomme. Der Verbrauch von Verpackungen in Deutschland nimmt Jahr für Jahr zu. 2018 erreichte die Müll-Menge erneut ein Rekordhoch: 18,9 Millionen Tonnen fielen an, rechnerisch 227,5 Kilogramm pro Kopf. Etwa die Hälfte davon geht auf das Konto der Verbraucher. Als einen Grund nennt das Umweltbundesamt den Trend, Essen und Getränke unterwegs zu konsumieren.

Beim Einweg-Pfand gab es bisher Ausnahmen, zum Beispiel für Saft. So konnte es vorkommen, das auf die gleiche Verpackung je nach Inhalt mal Pfand gezahlt werden musste, mal nicht - damit soll grundsätzlich Schluss sein, wie Flasbarth sagte: «Völlig egal, was drin ist.»

Um die Recyclingbranche zu stärken, sollen Quoten zur Verwendung von recyceltem Material kommen: 25 Prozent für neue PET-Plastikflaschen ab 2025, 30 Prozent für alle neuen Plastikflaschen ab 2030, jeweils bis zu einer Flaschengröße von drei Litern. Die Branche fordert das schon lang, denn es wird zwar nach und nach mehr Plastikmüll recycelt, das darauf gewonnene Material ist aber wenig nachgefragt. Nun erlaube die EU diese Quote endlich, sagte Flasbarth. Ziel sei, das künftig auch auf andere Bereiche auszuweiten.

Auch auf anderen Wegen wird Einweg-Plastik schon zurückgedrängt: Ab Mitte 2021 ist in der EU der Verkauf von Besteck, Tellern, Trinkhalmen und einigen weiteren Wegwerfprodukten aus Kunststoff verboten - denn da gibt es längst Alternativen. Auch für Becher und Speisen-Behälter aus Styropor ist dann Schluss.

Auch das deutsche Plastiktüten-Verbot kommt nach Angaben des Umweltministeriums voran. Das Kabinett hatte das Aus für Standard-Tüten an der Ladenkasse schon im Juni beschlossen. Nun hätten sich auch Union und SPD im Bundestag darauf geeinigt, sagte Flasbarth. Damit sei Ende 2021 Schluss mit den Plastiktüten.

Die Grünen im Bundestag forderten, noch weiter zu gehen: «Für Getränkeverpackungen braucht es eine gesetzlich verankerte und sanktionsbewährte Mehrwegquote von 80 Prozent bis 2025», sagte die umweltpolitische Sprecherin Bettina Hoffmann. Nötig sei mehr Mehrweg auch bei Lebensmittelverpackungen im Einzelhandel und bei Versandverpackungen.

Von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gab es Lob, aber auch weitere Forderungen: «Es ist ein erster richtiger Schritt, Fast-Food-Ketten und Kaffeeverkaufsstellen zu verpflichten, wiederverwendbare Mehrweg-Becher und Essensboxen für To-go-Lebensmittel anzubieten», sagte Vize-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Es brauche aber eine verbindliche Mehrwegquote. «Zudem müssen die negativen Umweltauswirkungen von Einwegbechern durch eine Abgabe im Preis spürbar werden», mahnte sie - Mehrweg werde für die Verbraucher nur Standard, wenn Einweg deutlich teurer sei. (Mit Mateiral der dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Sterneköche und Frankreichs Gastgewerbe mobilisieren gegen das neue Migrationsgesetz, das, anders als zunächst geplant, die Integration von Beschäftigten ohne Aufenthaltstitel kaum erleichtert. Jetzt protestieren Sterneköche, die die Integration von Küchenpersonal ohne Papiere fordern und appellieren: Wir brauchen Migranten.

Mehr als 80 Prozent der Menschen in Deutschland sind für ein kostenloses Mittagessen in Schulen und Kitas. Hintergrund der Umfrage war die Empfehlung eines Bürgerrats des Bundestags zur Ernährung.

Das Ifo-Institut plädiert für die Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung. Die Niederlande, Schweden und Finnland hätten das bereits beschlossen. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen bleibe damit stabil, so die Wirtschaftsforscher.

Mit einer langen Kolonne von Traktoren haben Tausende Landwirte in Berlin ihrem Ärger über die Ampel-Koalition Luft gemacht. Bei einer Protestkundgebung am Brandenburger Tor sprach auch DEHOGA-Präsident Guido Zöllick und verlangte die Rückkehr zu sieben Prozent Mehrwertsteuer in der Gastronomie.

Es ist der erste Bürgerrat dieser Art und das Thema ist hochaktuell: Ernährung. Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder steht dabei an erster Stelle der Empfehlungen, die nun im Bundestag vorgestellt wurden.

Das Justizministerium hat einen Referentenentwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz vorgelegt. Darin enthalten ist auch die Hotelmeldepflicht, die abgeschafft werden soll – allerdings nur für deutsche Staatsangehörige. Auch die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen verkürzt werden.

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent für Speisen in der Gastronomie bei gleichzeitig massiv steigenden Kosten stellt die Unternehmer vor größte Herausforderungen. Das geht aus einer Umfrage des Dehoga hervor.

Obwohl Finanzminister Lindner noch im letzten Jahr mehrfach seine Sympathie für eine dauerhafte Verlängerung der reduzierten Mehrwertsteuer in der Gastronomie kundgetan hatte, will der Politiker heute von einer Senkung nichts mehr wissen. In der ARD-Sendung Maischberger schloss Lindner die Rückkehr zur Sieben-Prozent-Mehrwertsteuer jetzt deutlich aus.

Auch am Donnerstag haben Landwirte ihre Proteste gegen die Sparmaßnahmen der Bundesregierung in vielen Regionen fortgesetzt. Unterstützung kommt auch vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. 

Pandemie, Kundenzurückhaltung, Personalmangel und Mehrwertsteuererhöhung: Die Gastrobranche steht nach Krisen in der Vergangenheit vor neuen Herausforderungen. Eine saarländische Kampagne soll für positive Stimmung sorgen.