Verbraucher bei Bonpflicht gespalten - knappe Mehrheit dagegen

| Politik Politik

Quittungen für Kleckerbeträge beim Bäcker oder in der Gastronomie? Viele Bundesbürger lehnen die Bonpflicht ab - vor allem aus Umweltgründen. Doch auch die Gruppe der Befürworter ist relativ groß. Und digitale Alternativen zur Papierquittung stoßen auf Skepsis.

Berlin (dpa) - Die neue Kassenbonpflicht in Deutschland ist bei den Verbrauchern hoch umstritten. So lehnt eine knappe Mehrheit der Menschen die Vorschrift ab, doch immerhin gut ein Drittel befürwortet sie - vor allem, weil sie Steuerhinterziehung im Handel erschwere. Das zeigt eine repräsentative Befragung des Marktforschers YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur, an der 2071 Menschen teilnahmen. Zugleich können sich nur wenige für elektronische Belege per Mail erwärmen.

Konkret lehnen demnach 56 Prozent der Befragten die seit Jahresanfang geltende Bonpflicht ab. 32 Prozent sprechen sich dafür aus. Der Grund für die Regelung - ein effizienterer Kampf gegen Steuerhinterziehung - ist fast drei Vierteln (72 Prozent) bekannt.

Verbraucher lehnen die Bonpflicht vor allem deshalb ab, weil durch die Quittungen zusätzlicher Abfall entsteht (86 Prozent). Viele Bürgerinnen und Bürger (64 Prozent) glauben zudem, dass die verpflichtende Belegausgabe keine Steuerhinterziehung im großen Stil verhindern kann. Rund 40 Prozent der Bonpflicht-Kritiker gaben jeweils an, dass Händler wegen der Umstellung auf neue Kassen Kosten schultern müssten. Etwa genauso hoch war der Anteil derer, die die vielen Zettel im Portemonnaie nerven.

Unter den Befürwortern der Bonpflicht folgen viele quasi der Argumentation der Bundesregierung: Fast drei Viertel (74 Prozent) meinen, das Erschweren von Steuerhinterziehung durch die Bonpflicht wiege schwerer als Nachteile der Vorschrift wie mehr Müll. Auch nutzt gut jeder Dritte (35 Prozent) Belege für die persönliche Haushaltsführung.

Seit 1. Januar müssen Händler mit elektronischen Kassensystemen ihren Kunden bei jedem Kauf unaufgefordert einen Beleg aushändigen - ob in der Apotheke, beim Friseur oder beim Bäcker. Das soll Steuerbetrug verhindern. Einzelhandel und Handwerk hatten die Vorschrift als bürokratisch kritisiert und laufen dagegen Sturm: Viele Geschäfte müssen Kassen umrüsten oder neue Geräte anschaffen. Allerdings hatte der Handel jahrelang Zeit, sich auf die Bonpflicht vorzubereiten.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) erneuerte am Donnerstag seine Kritik. «Steuerhinterziehung muss wirkungsvoll bekämpft werden - schon aus Gründen der Wettbewerbsfairness. Aber die Bonpflicht führt nicht zum Ziel», erklärte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. «Schon die verpflichtende Einführung von technischen Sicherheitseinrichtungen in allen Registrierkassen stellt sicher, dass nichts am Fiskus vorbeigeht». Genth warb für Ausnahmen: Händler, bei denen im Firmenschnitt je Standort oder Betriebsstätte täglich über 500 Bons anfielen, sollten demnach von der Bonpflicht befreit werden.

Der Staat verliert viel Geld, weil Firmen Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen - vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. Die Steuergewerkschaft und einige Bundesländer bezifferten den Schaden auf jährlich etwa zehn Milliarden Euro. In Staaten wie Österreich, Italien und Portugal, gilt die Bonpflicht schon länger und funktioniert laut Bundesfinanzministerium auch.

Der Handel muss mit dem neuen Gesetz Quittungen nicht zwingend auf Papier ausgeben - auch per Mail oder per Handyscan ist der Bon in Deutschland erlaubt. Hier sind die Deutschen aber skeptisch: Nur rund 30 Prozent der Menschen in der YouGov-Umfrage finden, die elektronische Variante per Mail sei eine gute Alternative. Fast jeder Fünfte (19 Prozent) hält das Eintippen von Mail-Adressen an der Ladenkasse für zu umständlich und mehr als vier von zehn Befragten (42 Prozent) wollen ihre Mail-Adresse nicht überall preisgeben.

Überhaupt verzichten Verbraucher im Alltag oft auf den Kassenbon. Nur eine kleine Minderheit (17 Prozent) nimmt immer eine Quittung beim Einkaufen mit, viele wollen gerade bei kleinen Beträgen keinen Beleg. Nur bei größeren Anschaffungen oder für den Fall eines Umtauschs gehen einige (37 Prozent) mit Quittung auf Nummer sicher.

Kritikern der Bonpflicht hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) jüngst ein Entgegenkommen signalisiert. Es gebe mehrere Möglichkeiten, die negativen Folgen abzumildern, sagte er. Altmaier nannte den Weg Frankreichs «interessant», wo die Regierung Kassenzettel für kleine Beträge abschaffen will: Ein Gesetz sieht vor, dass Belege für Beträge bis 30 Euro ab 2022 nicht mehr automatisch ausgedruckt werden - es sei denn, Kunden wünschen das.

Von Alexander Sturm und Katharina Redanz, dpa


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Spitzen der Ampel-Koalition haben nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur eine Einigung über den Bundeshaushalt für 2024 erzielt. Details sollen im Laufe des Tages bekanntgegeben werden, wie die dpa am Mittwochmorgen erfuhr

Die Mehrwertsteuererhöhung von sieben auf 19 Prozent auf Speisen wird gravierende Folgen für die Gastgeber haben. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes: 62,7 Prozent der befragten Unternehmer geben an, dass sie die Steueranhebung auf 19 Prozent zum 1. Januar 2024 wirtschaftlich hart treffen wird. Neun von zehn Unternehmen planen Preissteigerungen.

Mobilität und Digitalisierung standen inhaltlich im Mittelpunkt des Parlamentarischen Abends der Tourismuswirtschaft: Die notwendigen Investitionen in die digitale und Verkehrsinfrastruktur müssten genauso wie in die Erforschung und Produktion von E-Fuels sichergestellt werden.

Paris mobilisiert vor den Olympischen Spielen im kommenden Sommer gegen Betrug und Abzocke in Hotels, Restaurants und Cafés. Dazu sollen 10.000 Betriebe überprüft werden, kündigte das Wirtschaftsministerium in Paris an.

Der Bundeshaushalt 2024 wird, aller Voraussicht nach, nicht mehr in diesem Jahr vom Parlament beschlossen. Damit laufen die sieben Prozent Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie automatisch aus. Alle Präsidenten der DEHOGA-Landesverbände und des Bundes richten in einem Offenen Brief einen Appell an Olaf Scholz, an der einheitlichen Besteuerung von Essen mit sieben Prozent festzuhalten.

Patientinnen und Patienten können sich unter bestimmten Voraussetzungen künftig telefonisch von ihrer Arztpraxis krankschreiben lassen. Die Regelung gilt ab sofort, wie der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken mitteilte.

Nährwerte und Zusatzstoffe müssen vom 8. Dezember an auch auf Wein- und Sektflaschen zu finden sein - allerdings noch nicht sofort auf allen, wie es Winzer und Sekthersteller befürchtet hatten. In der EU-Verordnung gibt es eine Übergangsvorschrift.

Acht bis zehn Prozent mehr Geld empfiehlt die NGG ihren Tarifkommissionen als Forderung für die kommenden Tarifverhandlungen. Für die Beschäftigten im Gastgewerbe soll zudem ein monatlicher Lohn von mindestens 3.000 Euro anvisiert werden.

Die EU-Länder dürfen während einer Pandemie Reiseverbote in Hochrisikogebiete verhängen - ein solches Verbot müsse jedoch begründet sein und klare Vorschriften enthalten. Das teilten die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit.

Größere Arbeitgeber mit mindestens 250 Beschäftigten sind bereits seit dem Sommer verpflichtet, interne Meldestellen für sog. „Whistleblower“ einzurichten und zu betreiben. Ab dem 1. Dezember stellt ein Verstoß gegen diese Pflicht eine Ordnungswidrigkeit dar, die ein Bußgeld bis zu 20.000 Euro nach sich ziehen kann.