Die Entwicklung der Reisebranche 2021

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Seit über einem Jahr leidet die Weltwirtschaft an den drastischen Auswirkungen von Covid-19. Am stärksten betroffen: die Reisebranche. Konnten Urlauber nach vorsichtigem Optimismus im vergangenen Jahr noch Reisen und Unterkünfte buchen, so war dies ab November 2020 untersagt. Erst seit Mitte Mai durften Hotels und Ferienunterkünfte in Deutschland wieder stufenweise öffnen. Sofort waren zum Beispiel auf Sylt Unterkünfte selbst bei Preisen von 500 Euro pro Nacht schnell ausgebucht. Die Zeichen stehen auf “Revenge Travel”, ein Phänomen, das man in anderen Ländern bereits beobachten kann. Frei nach dem Motto “Jetzt erst recht” planen Menschen nach dem monatelangen Lockdown euphorisch ihre Reisen. Dem gegenüber stehen massive Verluste in der Reisebranche, die es nun aufzuholen gilt. So stellt sich die Frage: Quo vadis, travel?

Heimaturlaub boomt, Großstädte mit den größten Einbußen

Erste Zahlen zeigen bereits, der Heimaturlaub-Trend des letzten Jahres wird sich fortsetzen. Einer Analyse von HomeToGo zufolge, einem Marktplatz für Ferienunterkünfte, ist Deutschland gar das beliebteste Reiseziel der Deutschen im Jahr 2021. 44,4 Prozent der Befragten geben an, Heimaturlaub machen zu wollen. Das entspricht einer Steigerung von 61 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 50 Prozent aller Suchen für den Sommer entfielen auf Reiseziele innerhalb Deutschlands - vorwiegend an der Ostsee, Nordsee und in Bayern. Weit abgeschlagen dahinter folgt Kroatien mit 12 Prozent und Italien mit 11 Prozent. Destinationen, die mit dem Auto erreichbar sind und Ferienwohnungen liegen laut Jonas Upmann, Reiseexperte und Sprecher von HomeToGo, klar im Trend.

Während die Ferienregionen boomen, leiden die Großstädte unter dem weiterhin ausbleibendem internationalen Reiseverkehr. Zahlen von limehome zeigen, dass seit dem Ausbruch der Pandemie vor 15 Monaten die Umsätze in Großstädten mit über 500.000 Einwohnern fast doppelt so stark einbrachen wie die kleinerer Standorte. “Die Beherbergung in Großstädten ist auf regen nationalen und internationalen Geschäftsreiseverkehr, Großveranstaltungen und Eventtourismus ausgelegt. Viele der mittelgroßen Städte nähern sich bereits wieder den Vorkrisenumsätzen. Dies wird in den Metropolen sicher noch weit bis in 2022 hinein dauern”, so Dr. Josef Vollmayr, Mitgründer und Geschäftsführer von limehome.

Erste positive Anzeichen für europäischen Tourismus in 2021

Auch wenn Deutschland einen sehr langen Lockdown – über 7 Monate – aufrechterhalten hat, wurde die Reisebranche anderer Länder noch härter getroffen. Dabei kommt dem deutschen Markt der hohe Anteil an Geschäftsreisen und die geringe Abhängigkeit von ausländischen Reisenden zugute. Im Jahr 2019 gab es in Deutschland bspw. mehr als 80 Prozent inländische Übernachtungen. Dies war im Gegensatz zu Österreich oder besonders Spanien, wo inländische Reisen lediglich 30 Prozent ausmachen, ein stabilisierender Faktor.

Entsprechend waren die Umsätze je Zimmer in Spanien während der Pandemie nur etwa halb so hoch wie in Deutschland. Mittlerweile können sich Reisende in ganz Europa über Lockerungen freuen. Denn nicht nur das Reisen wird erleichtert, auch Museumsbesuche und erste Veranstaltungen wie die Fußball-Europameisterschaft sind wieder möglich.

In Großbritannien schnellten nach der Ankündigung, den Lockdown im Mai aufzuheben, die Buchungen britischer Urlauber für nationale und europäische Destinationen schon im Februar in die Höhe.2 In Deutschland ergibt sich ein ähnliches Stimmungsbild. Das Verlangen, entgangene Reiseerlebnisse aufzuholen, ist stark. Analog zu den Öffnungen in den letzten Wochen stieg auch das Interesse nach den traditionellen Destinationen innerhalb Europas wie Kroatien, Mallorca oder Italien wieder stark an.

Ähnlich sieht dies Jochen Engert, Mitgründer und CEO von FlixMobility: “Der vergangene Sommer hat gezeigt, dass Menschen nachhaltig und erschwinglich insbesondere in touristische Regionen reisen möchten. Ob Küsten, Berge oder Städte: Hier werden wir das Angebot entsprechend der Nachfrage wieder hochfahren, wenn es die Situation zulässt.“

Hoffnung auf 2022 - Was birgt die Zukunft?

Trotz der positiven Aussichten lassen sich die Verluste des ersten Halbjahres 2021 nur in manchen Bereichen aufholen. Die Hoffnung liegt größtenteils auf 2022. Wie schnell sich der Markt erholen wird, hängt sehr stark vom jeweiligen Segment ab. Im Bereich Ferienhäuser stieg die Nachfrage im Vergleich zu Vor-Corona hingegen und HomeToGo konnte bis zu 80 Prozent mehr Suchanfragen im ersten Halbjahr 2021 für die Sommerferien 2021 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 für die Sommerferien 2019 verzeichnen. Der Freizeit-Tourismus steht bereits in den Startlöchern. Während in 2021 leicht erreichbare Sommerziele noch besonders profitieren, wird der Strom der internationalen Urlaubsreisen mit dem erhofften Abklingen der weltweiten Pandemie nach und nach seinen Weg in die größeren Metropolen sowie entferntere Winkel der Erde finden.

Im internationalen Tourismus ist mit einer weiteren Verbesserung der epidemiologischen Situation, Fortschritten in den Impfkampagnen, sowie der Aufhebung von Reisebeschränkungen von einer spürbaren Erholung ab Juli bis September 2021 auszugehen. Die Vorkrisenwerte bleiben dabei aber in 2021 noch in weiter Ferne (63-75% unter 2019 Niveau). Die Erholung ist hierbei aber nur eine Frage der Zeit – die Reiselust nur unterdrückt.

Im Bereich der Geschäftsreisen sind hingegen bereits jetzt strukturelle Veränderungen ersichtlich. Flexible Home Office-Modelle, digitale Meetings und agile Formen der Zusammenarbeit haben eine hohe Akzeptanz erfahren. Viele Großkonzerne wie Bayer, Daimler oder Siemens planen bereits signifikante Kürzungen ihrer Reisebudgets. Auch Unternehmensberatungen haben ihre Präsenz beim Kunden eingeschränkt. Wie zahlreiche Studien belegen, haben Kürzungen von Reisebudgets großer Unternehmen vor allem Auswirkungen auf höherpreisige Segmente und internationale Geschäftsreisen.

Geschäftsreisen im mittleren Preissegment wie typische Außendienstbesuche hingegen lassen sich einfach schlechter digitalisieren. Das zeigt auch das relativ robuste Aufkommen von Geschäftsreisenden, das kontaktlose und durchweg geöffnete Anbieter wie limehome selbst während der Pandemiemonate erfahren konnten. Auch in diesem Segment sind bereits erste leichte Rebound-Effekte in den Buchungszahlen ersichtlich, da Kontakte aufgefrischt und neue Partnerschaften geknüpft werden wollen.

Im Budget- bis Mid-Scale-Bereich entsteht zudem gerade eine neues Kundensegment, das in der Größe noch schwer abzusehen ist. Remote Work und die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt haben viele Mitarbeiter dazu bewegt, nicht mehr durchgehend in der Nähe des eigentlichen Arbeitsplatz zu wohnen. Gereist wird also nicht mehr nur zu Geschäftspartnern, sondern auch zum eigenen Arbeitgeber. Geschäftsreisen werden sich also in A-Städten langsamer erholen, da die früheren BigBasket-Traveller zukünftig weniger unterwegs sein werden. Gerade diese Städte werden über einen längeren Zeitraum ein Überangebot an Unterkünften aufweisen und sich deshalb in den Average Daily Rates (ADR) und Revenues per available Room (RevPar) erst sehr langfristig bis 2023 mit der vollständigen Rückkehr des internationalen Städte- und Eventtourismus erholen.

Veränderte Bedürfnisse beim Reisen, alle Zeichen stehen auf Neustart

Durch die zurückgewonnene Freiheit und die neue Arbeitnehmerflexibilität werden sich langfristig auch die Kundenbedürfnisse ändern. Arbeit und Reisen sind immer stärker miteinander verknüpft und daher werden auch andere Ansprüche an Transportmittel und Unterkünfte gestellt.

Anbieter müssen es schaffen, eine Mischung aus Arbeitsplatz und Unterkunft anzubieten, die kurz- oder langfristig angemietet werden können. Dass dieses Angebot sehr gut angenommen wird, beweisen die durchgängig hohen Auslastungszahlen von Serviced Apartments von 54 Prozent selbst in 20205 und die hohe Nachfrage nach Ferienwohnungen. Die Flexibilität wird sich zukünftig nicht nur bei Arbeit und Reisen gewünscht, sondern auch bei den Reisedaten und den Stornierungskonditionen. So suchen Reisende in 2021 bei HomeToGo bei der Reiseplanung um über 600 Prozent häufiger nach einer flexiblen Buchung im Vergleich zum Vorjahr.

Die letzten Wochen haben gezeigt, dass das Verlangen nach Erholung und Erlebnissen nach den anstrengenden Pandemiemonaten groß ist. Die massiven Förderprogramme der europäischen Staaten konnten einen Großteil der Kaufkraftverluste ausgleichen und Haushalte haben während der Pandemiezeit auf Ausgaben verzichtet. Die Reisekasse ist also gefüllt und so überrascht es nicht, dass die ersten innerdeutschen Urlaubsziele bereits für den Sommer ausgebucht sind. Die Zeichen stehen auf Revenge Travel 2021/22.


 

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