Kunden halten Pauschalreise trotz Megapleite bislang die Treue

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Kunden halten Pauschalreise trotz Megapleite bislang die Treue


Von Friederike Marx und Christian Ebner, dpa


Der Zusammenbruch von Thomas Cook jagt Schockwellen durch die erfolgsverwöhnte Tourismusindustrie. Hat die Pauschalreise noch eine Zukunft? Wie geht es weiter beim Ferienflieger Condor?

Frankfurt/Main (dpa) - Die Insolvenz des zweitgrößten deutschen Reisekonzerns Thomas Cook trifft die Branche ins Mark. Hunderttausende Urlauber sind betroffen, die Zukunft des Ferienfliegers Condor noch nicht endgültig gesichert. Doch bislang scheint das Vertrauen Sonnenhungriger in die als sicher beworbene Pauschalreise nicht nachhaltig gelitten zu haben. Große Veranstalter berichten von steigenden Buchungszahlen. Sie profitieren dabei auch vom Ende des Wettbewerbers.

Branchenprimus Tui Deutschland erwartet im Sommerreisegeschäft 2020 etwa eine halbe Million zusätzlicher Gäste aus Deutschland. Das Angebot insbesondere in der Türkei, Griechenland sowie auf den Balearen und Kanaren wurde ausgebaut: «Unsere Buchungsstatistik zeigt keine Buchungszurückhaltung, im Gegenteil.» Aktuell verzeichnet der Tourismusriese gestiegene Nachfrage sowohl für die Winter - als auch für die wichtige Sommersaison. «Pauschalreisen sind nach wie vor die sicherste und bequemste Art zu reisen», wirbt das Unternehmen.

Ein ähnliches Bild zeichnen Wettbewerber. «Erfreulicherweise sind unsere Kunden gerade in Buchungslaune - sowohl der Sommer 2020 als auch die laufende Wintersaison 2019/20 sind stark nachfragt», heißt es bei Schauinsland-Reisen. «Die Buchungen liegen in beiden Fällen zweistellig über dem Vorjahresniveau.»

DER Touristik berichtet von einem «satten zweistelligen» Umsatzplus für beliebte Sonnen-Ziele im Winter wie die Kanaren, Ägypten oder die Türkei. Für den Sommer 2020 erwartet die Tochter des Rewe-Konzerns ebenfalls eine positive Entwicklung.

Zunächst sorgte der Zusammenbruch der deutschen Thomas Cook infolge der Pleite der britischen Mutter allerdings für Verunsicherung bei Reiselustigen. In den Tagen direkt nach Bekanntwerden der Insolvenz am 25. September seien deutlich mehr Nachfragen von Gästen eingegangen, deren Urlaub kurz bevorstand, berichtet beispielsweise Veranstalter FTI Deutschland. Mittlerweile habe sich die Situation aber weitgehend beruhigt. Die Buchungen für Sommer 2020 lägen derzeit deutlich zweistellig im Plus.

In einem sogenannten Schutzschirmverfahren ist der deutsche Ferienflieger Condor aus dem britischen Thomas-Cook-Konzern herausgelöst worden und fliegt nun die Gäste der einstigen Konkurrenz zu ihren Zielen. Die zunächst weggefallenen Buchungen seien nahezu komplett ausgeglichen worden. Die knapp 60 Flugzeuge werden für den touristischen Verkehr weiterhin gebraucht, ist Condor-Chef Ralf Teckentrup überzeugt.

Ausgestattet mit einem staatlichen Überbrückungskredit von 380 Millionen Euro muss er allerdings mit Hilfe eines Sachwalters bis zum Frühjahr neue Investoren gefunden haben. Eine Zerschlagung der Condor ist dabei nicht ausgeschlossen, denn das letzte Wort über den Zuschlag haben die Gläubiger - und die schauen vor allem auf den möglichen Erlös.

Während im Europaverkehr insbesondere die Billigflieger Easyjet und Ryanair/Lauda weiter ausbauen, ist auf der touristischen Langstrecke aus Deutschland das Angebot knapp. Die Tui reagiert bislang vorsichtig auf die Condor-Schwierigkeiten, will zum kommenden Jahr zunächst nur zwei eigene Langstreckenjets bei der Tuifly in die Luft bringen. Auch bei der Lufthansa-Tochter Eurowings ist zunächst keine Ausweitung geplant, zumal sich viele Veranstalter weiterhin ein von der Lufthansa unabhängiges Angebot wünschen.

Dass die Turbulenzen langfristig negative Auswirkungen auf das Pauschalreise-Geschäft haben, glaubt Alltours-Inhaber Willi Verhuven nicht. «Ich kann die Enttäuschung der Leute verstehen, die sich auf ihren Urlaub gefreut und ihn dann nicht bekommen haben», sagte er jüngst. «Aber die Menschen vergessen ja schnell. Ich denke, dass es dauerhaft keine Auswirkungen gibt.» Alltours rechnet im laufenden Geschäftsjahr 2019/2020 erstmals mit mehr als zwei Millionen Gästen - ein Plus von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gut drei Viertel des Zuwachses seien auf die Thomas-Cook-Pleite zurückzuführen.

Auch Branchenexperte Martin Lohmann hält einen langfristigen Imageschaden für eher unwahrscheinlich. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand deswegen jetzt mit dem Wohnmobil durch die Gegend fährt.» Möglicherweise bringe die Insolvenz aber die Branche ins Nachdenken. Sie hatte sich in der Vergangenheit mit Preiskämpfen selbst unter Druck gesetzt. «Das wäre nicht nötig, die Zahlungsbereitschaft für Reisen ist eigentlich hoch», sagt der Geschäftsführer des Kieler Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT).

Der Präsident des Branchenverbandes DRV, Norbert Fiebig, wagt derzeit zwar noch keine Prognose für das aktuelle Tourismusjahr. «Aber ich bin mir sicher, dass die Menschen auch weiterhin reisen wollen und werden.» Die Pauschalreise habe ihr Leistungsversprechen in der Vergangenheit immer gehalten - bei Insolvenzen, Naturkatastrophen, Terroranschlägen oder Unfällen. Thomas Cook sei in dieser Größenordnung bisher einmalig.

Die in Deutschland bislang auf 110 Millionen Euro begrenzte Versicherungssumme reicht für die Megapleite jedenfalls nicht. Es zeichnet sich ab, dass betroffene Kunden nur einen Teil ihrer Auslagen erstattet bekommen. Der Insolvenzschutz müsse zeitnah nachgebessert werden, fordert Fiebig nun. (dpa)


 

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