Urlauber halten Pauschalreise trotz Megapleite bislang die Treue

| Tourismus Tourismus

Die Insolvenz des zweitgrößten deutschen Reisekonzerns Thomas Cook trifft die Branche ins Mark. Hunderttausende Urlauber sind betroffen, die Zukunft des Ferienfliegers Condor noch nicht endgültig gesichert. Doch bislang scheint das Vertrauen Sonnenhungriger in die als sicher beworbene Pauschalreise nicht nachhaltig gelitten zu haben. Große Veranstalter berichten von steigenden Buchungszahlen. Sie profitieren dabei auch vom Ende des Wettbewerbers.

Branchenprimus Tui Deutschland erwartet im Sommerreisegeschäft 2020 etwa eine halbe Million zusätzlicher Gäste aus Deutschland. Das Angebot insbesondere in der Türkei, Griechenland sowie auf den Balearen und Kanaren wurde ausgebaut: «Unsere Buchungsstatistik zeigt keine Buchungszurückhaltung, im Gegenteil.» Aktuell verzeichnet der Tourismusriese gestiegene Nachfrage sowohl für die Winter- als auch für die wichtige Sommersaison. «Pauschalreisen sind nach wie vor die sicherste und bequemste Art zu reisen», wirbt das Unternehmen.

Ein ähnliches Bild zeichnen Wettbewerber. «Erfreulicherweise sind unsere Kunden gerade in Buchungslaune - sowohl der Sommer 2020 als auch die laufende Wintersaison 2019/20 sind stark nachfragt», heißt es bei Schauinsland-Reisen. «Die Buchungen liegen in beiden Fällen zweistellig über dem Vorjahresniveau.»

DER Touristik berichtet von einem «satten zweistelligen» Umsatzplus für beliebte Sonnen-Ziele im Winter wie die Kanaren, Ägypten oder die Türkei. Für den Sommer 2020 erwartet die Tochter des Rewe-Konzerns ebenfalls eine positive Entwicklung.

Zunächst sorgte der Zusammenbruch der deutschen Thomas Cook infolge der Pleite der britischen Mutter allerdings für Verunsicherung bei Reiselustigen. In den Tagen direkt nach Bekanntwerden der Insolvenz am 25. September seien deutlich mehr Nachfragen von Gästen eingegangen, deren Urlaub kurz bevorstand, berichtet beispielsweise der Veranstalter FTI Deutschland. Mittlerweile habe sich die Situation aber weitgehend beruhigt. Die Buchungen für Sommer 2020 lägen derzeit deutlich zweistellig im Plus.

In einem sogenannten Schutzschirmverfahren ist der deutsche Ferienflieger Condor aus dem britischen Thomas-Cook-Konzern herausgelöst worden und fliegt nun die Gäste der einstigen Konkurrenz zu ihren Zielen. Die zunächst weggefallenen Buchungen seien nahezu komplett ausgeglichen worden. Die knapp 60 Flugzeuge werden für den touristischen Verkehr weiterhin gebraucht, ist Condor-Chef Ralf Teckentrup überzeugt. Trotz ungewisser Zukunft hat das Unternehmen bereits die Grundzüge des Winterflugplans 2020/21 für Buchungen freigegeben.

Ausgestattet mit einem staatlichen Überbrückungskredit von 380 Millionen Euro muss «Tecke» allerdings mit Hilfe eines Sachwalters bis zum Frühjahr neue Investoren gefunden haben. Eine Zerschlagung der Condor ist dabei nicht ausgeschlossen, denn das letzte Wort über den Zuschlag haben die Gläubiger - und die schauen vor allem auf den möglichen Erlös.

Während im Europaverkehr insbesondere die Billigflieger Easyjet und Ryanair/Lauda weiter ausbauen, ist auf der touristischen Langstrecke aus Deutschland das Angebot knapp. Die Tui reagiert bislang vorsichtig auf die Condor-Schwierigkeiten, will zum kommenden Jahr zunächst nur zwei eigene Langstreckenjets bei der Tuifly in die Luft bringen. Die Lufthansa arbeitet an einem Umbau ihres touristischen Fernprogramms, das bislang ohne kommerziellen Erfolg von der Tochter Eurowings betrieben wurde. Viele Veranstalter wünschen sich aber weiterhin ein von der Lufthansa unabhängiges Angebot.

Dass die Turbulenzen langfristig negative Auswirkungen auf das Pauschalreise-Geschäft haben, glaubt Alltours-Inhaber Willi Verhuven nicht. «Ich kann die Enttäuschung der Leute verstehen, die sich auf ihren Urlaub gefreut und ihn dann nicht bekommen haben», sagte er jüngst. «Aber die Menschen vergessen ja schnell. Ich denke, dass es dauerhaft keine Auswirkungen gibt.» Alltours rechnet im laufenden Geschäftsjahr 2019/2020 erstmals mit mehr als zwei Millionen Gästen - ein Plus von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gut drei Viertel des Zuwachses seien auf die Thomas-Cook-Pleite zurückzuführen.

Auch Branchenexperte Martin Lohmann hält einen langfristigen Imageschaden für eher unwahrscheinlich. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand deswegen jetzt mit dem Wohnmobil durch die Gegend fährt.» Möglicherweise bringe die Insolvenz aber die Branche ins Nachdenken. Sie hatte sich in der Vergangenheit mit Preiskämpfen selbst unter Druck gesetzt. «Das wäre nicht nötig, die Zahlungsbereitschaft für Reisen ist eigentlich hoch», sagt der Geschäftsführer des Kieler Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT).

Der Präsident des Branchenverbandes DRV, Norbert Fiebig, wagt derzeit zwar noch keine Prognose für das aktuelle Tourismusjahr. «Aber ich bin mir sicher, dass die Menschen auch weiterhin reisen wollen und werden.» Im abgelaufenen Touristikjahr (bis 31. Oktober 2019) stieg der Umsatz mit Pauschal- und Bausteinreisen nach ersten Berechnungen um zwei Prozent. Die Pauschalreise habe ihr Leistungsversprechen in der Vergangenheit immer gehalten, betont Fiebig. Thomas Cook sei in dieser Größenordnung bisher einmalig.

Die in Deutschland auf 110 Millionen Euro begrenzte Versicherungssumme reicht für die Megapleite jedenfalls nicht. Die Bundesregierung will betroffenen Pauschalurlaubern helfen. Der Staat will die Differenz zwischen dem, was von der Kundenversicherung erstattet wird und dem, was offen bleibt, übernehmen.

Von Friederike Marx und Christian Ebner, dpa


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Wohin 2026? Der «Lonely Planet» schlägt wieder angesagte Reiseziele vor. Deutschland geht dabei leer aus. Die Reiseexperten schauen lieber auf andere Länder und Städte in Europa - oder gleich andere Kontinente.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass sich die Prioritäten von Luxusreisenden grundlegend verschoben haben. Qualität, kuratierte Erlebnisse und ein hohes Maß an Genuss stehen im Vordergrund, während die Bedeutung von Statussymbolen und Markennamen rapide sinkt.

Der Deutsche Tourismuspreis biegt auf die Zielgerade ein: Mit der Bekanntgabe der fünf Finalisten beginnt nun auch die Online-Abstimmung für den ADAC-Publikumspreis. Das Voting läuft bis zum 5. November.

Die türkischen Behörden haben auf der Halbinsel Bodrum das luxuriöse Fünf-Sterne-Hotel „The Plaza Bodrum“ beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eingeleitet, die sich unter anderem auf die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Wucher und Geldwäsche konzentriert.

Bad Hindelang im Allgäu und Schiltach im Kinzigtal wurden von der Welttourismusorganisation UN Tourism, einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen, als „Best Tourism Village“ ausgezeichnet.

Priceline hat seinen aktuellen Bericht zu den Reisetrends 2026 unter dem Titel "Where to Next?" veröffentlicht. Die Analyse, die auf einer Kombination aus firmeneigenen Daten und einer umfassenden Reisenden-Umfrage basiert, beleuchtet signifikante Verschiebungen im Reiseverhalten, bei denen vor allem Spontanität und die Suche nach neuen wie auch nostalgischen Erfahrungen im Zentrum stehen.

Die Luftfahrtbranche beklagt sich seit langem über stark gestiegene Standortkosten. Dadurch fielen immer mehr Verbindungen weg. An Vorschlägen für Entlastungen - auch aus der Koalition - mangelt es nicht.

Die jüngste ADAC Tourismusstudie beleuchtet die Haltung deutscher Reisender zur touristischen Überlastung und deren Management. Sie zeigt eine hohe Problemwahrnehmung, aber auch die Grenzen der Akzeptanz bei Maßnahmen, die das Reisebudget betreffen.

Der jährliche Trendreport „Unpack ’26: The Trends in Travel“ der Expedia Group wurde veröffentlicht. Die Studie, die auf internen Daten und einer weltweiten Befragung von 24.000 Reisenden basiert, liefert Einblicke in das künftige Reiseverhalten und identifiziert relevante Trends.

Erstmals seit 20 Jahren ist der Reisepass der Vereinigten Staaten nicht mehr unter den zehn mächtigsten Pässen der Welt. Im aktuellen Henley Passport Index fällt der US-Pass auf den 12. Platz und teilt sich diesen mit Malaysia.