Erfolgreiches Recruiting braucht Vertrauen in der Kommunikation

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Die Zeiten sind definitiv vorbei, in denen Arbeitgeber mittels Inseraten, TV-Spots oder Social Media Marketing die Menschen „da draußen“, sprich Bewerber, für sich gewinnen können. Erfolgreiches Recruiting braucht vor allem Vertrauen in der Kommunikation. Doch wie erreicht man das?

„So viel vorweg: Das Jahr 2023 war einfach nichts für uns“, klagte der mittelständische Unternehmer. Er und sein HR-Team hätten sich redlich bemüht, aber sie seien trotzdem nicht warm geworden mit diesem Jahr. 2023 sei eigentlich die Zeit gewesen, in der sein Unternehmen durch starkes Wachstum viele Fach- und Führungskräfte einstellen wollte. Aber der Markt sei extrem „trocken“ und die wenigen Bewerber, mit denen man in Kontakt kam, konnten letztlich nicht eingestellt werden. Wenig Verbindlichkeit, Verlässlichkeit, unverhältnismäßig hohe Gehaltsforderungen, Wünsche wie Home-Office, 4-Tage-Woche prägten die Gespräche. Und zu guter Letzt, als man sich dann doch in wesentlichen Punkten einig war und der Vertrag unterschrieben werden sollte – Stille - Ghosting, kein Lebenszeichen mehr, die Kandidaten waren wie vom Erdboden verschluckt. Telefonate und E-Mails blieben unbeantwortet. Die investierte Zeit war für die Katz. Die Positionen blieben unbesetzt.

So oder ähnlich hören wir Klagen von vielen Arbeitgebern. Doch niemand macht sich selbstkritisch Gedanken darüber, was vielleicht im eigenen Rekrutierungsprozess optimiert werden müsste, um sich besser auf den veränderten Personalmarkt einzustellen.

Die Menschen suchen heute im Internet nach Informationen oder hören sich im Bekanntenkreis um, bevor sie sich irgendwo bewerben. Auch wenn Bewerbern und Job Suchern immer wieder geraten wird, sich selbst ein persönliches Urteil zu bilden statt „vom Hören-Sagen“ zu entscheiden, wird Urteilen und Meinungen von Kollegen und zweifelhaften Einträgen bei KUNUNU & Co wesentlich mehr Glauben geschenkt als den Botschaften des Unternehmens. Im Internet können sich Arbeitgeber, egal welcher Größe, nicht verstecken. Nette Imagefilmchen, Hochglanzbroschüren und vollmundige Versprechen á la „Wir sind ein tolles Team“ erzielen nicht mehr die erwünschte Wirkung, da die tatsächlichen und vielfach im Netz beschriebenen Erfahrungen vieler Menschen mit Unternehmen X und dessen verbreiteter „heißer Luft“ dagegenstehen. „Unser Employer Branding hat versagt“, gestehen ehrliche Personaler ein.


Über den Autor Albrecht von Bonin

Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.

Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.


Was können Arbeitgeber tun?

Einige Realisten unter den Personalern behaupten: „Nirgends wird so viel gelogen wie im Bewerbungsprozess – und zwar auf beiden Seiten“. Und gerade deshalb müssen Arbeitgeber alles dafür tun, im Recruiting als glaubwürdige Kommunikationspartner wahrgenommen zu werden. Eine auf Vertrauen aufgebaute Kommunikation hat Vorbildfunktion und ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Das hat etwas mit aufrichtigem Interesse, Wertschätzung, Empathie, Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz zu tun. Potenzielle Mitarbeiter möchten wissen, bei wem sie künftig arbeiten werden. Sie möchten auf Augenhöhe kommunizieren. Sie suchen nach wertvollen Inhalten, hassen platte „Werbe“- Aussagen und unverbindliche Lippenbekenntnisse.

Aus zahlreichen Interviews mit Kandidaten habe ich die aus meiner Sicht wichtigsten Elemente der Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Bewerber in sechs Punkten zusammengefasst.

1. Vertrauen geben

Viele Arbeitgeber verfahren im Recruiting Prozess immer noch nach dem alten Prinzip „Der Bewerber ist so lange schuldig, bis er seine Unschuld bewiesen hat“. „Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht irgendwo das Haar in der Suppe finden!“ Selbst bei Gericht gilt genau das umgekehrte Prinzip. Warum sollte es also im Bewerbungsprozess funktionieren? Wie will man damit gute Leute fürs Unternehmen gewinnen? Abgesehen davon: Das ist keine gute Basis für vertrauensvolle Kommunikation. Wenn Sie Vertrauen erwarten, müssen Sie zuerst Vertrauen geben. Hört sich einfach an. Aber gerade das ist oft der schwierigste Punkt. Sie müssen etwas von sich preisgeben, ehrlich sein und darauf vertrauen, dass dies nicht missbraucht wird. Gleichzeitig ist es das gute Recht eines Arbeitgebers dieses Vertrauen auch vom Bewerber einzufordern.

2. Transparenz leben

Ein großes Wort, das sich viele Unternehmen gerne auf die Fahne schreiben. Doch wirkliche Transparenz hört nicht auf mit schwülstigen Pressemitteilungen oder Social Media Beiträgen zu „faszinierenden“ Arbeitsbedingungen. Home-Office, 4-Tage-Woche und „Wir haben uns alle lieb“- Botschaften lassen sich allzu schnell als leere Versprechen entlarven, wenn die Realität im Betrieb eine andere Sprache spricht. Transparent zu sein bedeutet offen zu sein. Es heißt nicht, dass Sie als erstes all Ihre Schwächen offenlegen. Es heißt auch nicht, vertrauliche Informationen preiszugeben. Es bedeutet aber z.B. akute Probleme und Herausforderungen klar anzusprechen und nicht zu vertuschen. Vor allem bedeutet es, die anstehenden Aufgaben des Bewerbers präzise und ehrlich zu besprechen, ohne sie zu beschönigen.

3. Glaubwürdig sein

Die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter gehören zusammen wie Pech und Schwefel. Befindet sich z. B. eine Person – ein Personalchef, eine Führungskraft oder ein anderer Interviewer - im Einklang mit sich selbst und dem Unternehmen, wirkt sie authentisch. Denken, Fühlen, Sagen und Tun stimmen überein. Das überträgt sich auf den gesamten Betrieb und darauf, wie er vom Bewerber bzw. im Personalmarkt öffentlich wahrgenommen wird. Authentizität ist ein wichtiger Baustein für Vertrauen. Wenn ein Arbeitgeber als authentisch wahrgenommen wird, sind Bewerber schneller bereit zu vertrauen. Aufgesetztes und falsches Gehabe riechen Kandidaten meilenweit gegen den Wind. Enttäuschungen sind dadurch vorprogrammiert.

4. Versprechen einhalten

Versprechen müssen eingehalten werden. Das gilt für beide Parteien – Arbeitgeber und Bewerber – Versprechen einhalten, das haben wir schon als Kind gelernt und bringen es auch unseren Kindern bei. Es sollte also eigentlich auch in der unternehmerischen Kommunikation selbstverständlich sein. Das gilt nicht nur für konkrete Aussagen zum weiteren Entscheidungsprozess, sondern auch für verlässliche Zusagen über mögliche Entwicklungsperspektiven im Unternehmen oder Weiterbildungsmaßnahmen. Wenn Sie ein Versprechen nicht einhalten, verlieren Sie an Glaubwürdigkeit. Es wird Ihnen dann nicht mehr das Vertrauen entgegengebracht, dass man sich auf Ihre Aussagen verlassen kann.

5. Ehrlich sein

Kommunikation, die Vertrauen schafft, ist auf offenen Austausch ausgerichtet. Das A und O einer vertrauensvollen Kommunikation ist Ehrlichkeit. So wie Sie von Ihrem Gegenüber ehrliche Antworten über seine berufliche Entwicklung, Erfahrung, Qualifikation, Arbeitsweise, Führungskompetenz und Motivation erwarten, so geben auch Sie ehrliche Antworten über das, was ihn in seiner neuen Aufgabe erwartet. „Wir suchen echte Spitzensportler!“ Es schafft mehr Vertrauen, wenn Sie sagen, welche anspruchsvollen Herausforderungen zu lösen sind oder dass Sie eine erfragte Information zu diesem Zeitpunkt nicht weitergeben können, als wenn Sie mit Ausreden und Halbwahrheiten herumeiern. Ebenso sollten Sie dem Bewerber signalisieren, dass Sie von ihm ehrliche und realistische Aussagen erwarten – und nicht die Prahlerei „Chef, kann ich alles, mach‘ ich alles mit links“.

6. Persönlich sein

Bewerber klagen allzu oft über die automatisierte schriftliche Kommunikation vieler Arbeitgeber. Wer vorher im Employer Branding vollmundig von wertschätzender Unternehmenskultur geschwelgt hat, sollte sich bewusst sein, dass jegliche automatisierte Bewerberkorrespondenz dieses Eigenlob mit Füssen tritt. Bei allem Verständnis für effiziente Arbeitsprozesse im HR-Management – wie würden Sie selbst reagieren, wenn Sie ein solches Schreiben erhalten? Gewiss kennen Sie diese aus Textbausteinen zusammengesetzten Benachrichtigungen – ob Verzögerung des Entscheidungsprozesses oder Absagen, die dem Bewerber auf keinen Fall das Gefühl geben, als Mensch ernst genommen zu werden - von Vertrauen in das Unternehmen ganz zu schweigen. Denken Sie bei aller Standardisierung und Digitalisierung von Arbeitsabläufen immer daran, dass Sie es mit Menschen zu tun haben. Und Menschen freuen sich, wenn sie als solche, sprich möglichst individuell und fair, behandelt werden. Denn auch das spricht sich im Bewerbermarkt herum.

Wir sind uns sicher einig, dass das Verhalten vieler Bewerber oft auch sehr zu wünschen übriglässt. Darüber kann man lamentieren, sich ärgern, schimpfen, enttäuscht sein – aber es sollte keine Rechtfertigung dafür sein, als Arbeitgeber mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Im Gegenteil: Wenn Ihr Unternehmen in der Kommunikation mit Bewerbern echtes Vertrauen aufbaut, werden Sie damit als gutes Beispiel eine Sogwirkung im Personalmarkt erzielen. Das spricht sich herum. Das Ergebnis: Die starken Bewerber werden das zu schätzen wissen.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Wohl (fast) jeder kennt diese Situation: Man zieht seine Lieblings-Jeans an und stellt mit Erschrecken fest, dass der Knopf kaum noch zugeht. Was jetzt? Wieder eine Diät durchziehen? Und dann mit dem Jo-Jo-Effekt kämpfen?

Beschäftigte in Deutschland sind einer neuen Umfrage zufolge zunehmend bereit, den Job zu wechseln. So stimmten nur rund 53 Prozent der Befragten der Aussage vollständig zu, sie beabsichtigten, in einem Jahr noch bei derselben Firma beschäftigt zu sein. 2018 lag dieser Anteil bei rund 78 Prozent.

Die Menschen in Deutschland wollen mehr pflanzliche Alternativen zu tierischen Produkten konsumieren und setzen beim Thema kultiviertes Fleisch auf Wahlfreiheit. Das zeigt eine neue Umfrage in Deutschland.

Kann man das wirklich so schreiben? Ist es zu förmlich, zu locker, womöglich gar unverständlich? Geschäftliche Kommunikation geht nicht jedem leicht von der Hand.  Mit diesen Tipps formulieren Sie präzise.

Abschalten und die Arbeitswelt hinter sich lassen: Das steht allen Beschäftigten zu. Aber was, wenn sie dennoch ständig in ihrer Freizeit kontaktiert werden?

Die Aufgaben sind interessant, die Mitarbeiter sympathisch, der Chef fair - eigentlich passt alles im aktuellen Job. Nur das Gehalt könnte höher sein. Sind Scheinbewerbungen da ein cleverer Schachzug?

Viele Beschäftigte freuen sich nach der Arbeit auf den Feierabend, aufs Wochenende oder auf den Urlaub. Doch immer wieder kommt es vor, dass sie dabei vom Joballtag eingeholt werden, weil Anrufe oder Mails aus der Firma kommen. Was gilt da eigentlich rechtlich?

In dieser Woche streiken GDL und Ver.di. Davon ist nicht nur der Fernverkehr betroffen. Auch die S-Bahn in Berlin wird von dem Betroffen sein. Die Messe informiert, wie Gäste trotzdem auf die ITB kommen.

Läuft ein befristeter Vertrag aus, ist es für Beschäftigte wichtig, möglichst bald im Anschluss eine neue Anstellung zu finden. Aber wann haben sie eigentlich Zeit für Bewerbungsgespräche?

Wie wichtig das Thema ZUHÖREN beim Führen von Mitarbeiter, in Meetings, aber auch im Umgang mit Gästen, Kunden und Lieferanten ist, zeigt sich besonders deutlich bei Führungskräften und im Vertrieb. Doch es scheint, als fehle oft das aufrichtige Interesse am Gegenüber. Ein Gastbeitrag von Albrecht von Bonin.