Inflation gesunken: Welche Rolle spielt die Mehrwertsteuersenkung?

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Die Mehrwertsteuersenkung soll auch den Konsum in der Corona-Krise ankurbeln. Zumindest in Teilen scheint der seit Anfang Juli geltende niedrigere Steuersatz bei den Verbrauchern anzukommen. So stellte das Statistische Bundesamt am Donnerstag fest, dass die Mehrwertsteuersenkung den Preisauftrieb im Juli insgesamt gedämpft habe. Folgen sieht die Wiesbadener Behörde unter anderem bei den Preisen für Energie und Nahrungsmitteln. Der Besuch beim Friseur oder im Restaurant wurde trotz der Verringerung der Mehrwertsteuer dagegen teurer.

Die Wiesbadener Behörde betonte aber auch, es sei nur schwer nachweisbar, in welchem Umfang die niedrigeren Steuersätze weitergegeben wurden. Die Preisentwicklung hänge von vielen Faktoren ab. Rein rechnerisch würde sich bei einer sofortigen und vollständigen Weitergabe im Juli eine um 1,6 Prozentpunkte niedrigere Inflationsrate ergeben. Auch der Handelsverband HDE hatte jüngst darauf hingewiesen, dass die Höhe der Mehrwertsteuer nur ein Faktor unter vielen sei. «Wenn beispielsweise Weltmarktpreise für Rohstoffe steigen oder fallen, so hat auch das großen Einfluss auf die Endverbraucherpreise.»

Weitergabe freiwillig

Die Bundesregierung hatte die Mehrwertsteuer vom 1. Juli an für ein halbes Jahr gesenkt: von 19 auf 16 Prozent beim vollen Satz beziehungsweise von 7 auf 5 Prozent beim reduzierten Satz. Händlern und Dienstleistern steht es frei, ob und wie sie die niedrigeren Steuersätze an die Verbraucher weitergeben.

Die Jahresinflationsrate rutschte im Juli erstmals seit gut vier Jahren wieder unter die Nulllinie. Die Verbraucherpreise gaben gemessen am Vorjahresmonat um 0,1 Prozent nach. Das Statistische Bundesamt bestätigte vorläufige Daten. Zum letzten Mal war die Jahresinflation im April 2016 negativ gewesen (minus 0,1 Prozent).

Auswirkungen der Mehrwertsteuersenkung vermuten die Statistiker bei den Energiekosten. Die Preise für Haushaltsenergie und Kraftstoffe sanken gegenüber dem Vorjahresmonat um 6,7 Prozent, trotz wieder anziehender Ölpreise auf dem Weltmarkt. Zugleich schwächte sich der Preisauftrieb bei Nahrungsmitteln deutlich ab von 4,4 Prozent im Juni auf nun 1,2 Prozent. Ohne Energieprodukte und Nahrungsmittel hätte die Inflationsrate den Angaben zufolge bei plus 0,7 Prozent gelegen.

Friseure und Restaurants teurer

Für Dienstleistungen mussten Verbraucher 1,2 Prozent mehr zahlen als im Vorjahresmonat. Hier wirke sich die Mehrwertsteuersenkung kaum aus. Der Friseurbesuch und Körperpflege verteuerten sich innerhalb eines Jahres um 4,9 Prozent. Auch der Besuch von Restaurants, Cafés und der Straßenverkauf wurden teuer (plus 1,6 Prozent). Zugleich schlugen höhere Kaltmieten (plus 1,4 Prozent) durch, die nicht von den niedrigeren Steuersätzen betroffen waren. Höhere Mieten machen sich besonders stark bemerkbar, weil private Haushalte dafür einen großen Teil ihrer Konsumausgaben aufwenden.

Im Vergleich zum Vormonat Juni sanken die Verbraucherpreise insgesamt um 0,5 Prozent. «Günstiger als im Juni 2020 waren im Juli 2020 zahlreiche Güter infolge der Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung», erklärten die Statistiker. So verbilligten sich Nahrungsmittel insgesamt um 2,7 Prozent, bei Obst und Gemüse gab es zudem saisonbedingte Preisrückgänge. Auch für Bekleidung und Schuhe mussten Verbraucher weniger als im Vormonat zahlen. Sie profitierten dabei vor allem von Preisnachlässen für Sommerartikel.

"Überleben sichern"

Nach Einschätzung von Volkswirten der BayernLB spricht Vieles dafür, dass die Steuersenkung nur unvollständig an die Verbraucher weitergegeben wird. «So dürften vor allem die in der Krise stark gebeutelten Branchen die Senkung des Steuersatzes eher zur Vergrößerung ihrer Marge nutzen, um ihr Überleben zu sichern,» schrieben die Experten jüngst.

Einen Einfluss auf die Preise hat zudem die Nachfrage. Eine Ifo-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Unternehmen, die in der Corona-Krise unter geringer Nachfrage litten, häufig die Preise senkten. Umgekehrt erhöhten Firmen ihre Preise, die aus der Krise als Gewinner hervorgingen. «Diese Preispolitik zieht sich durch alle Sektoren. Sie ist jedoch im Groß- und Einzelhandel am stärksten ausgeprägt», erläuterte Ifo-Forscher Sebastian Link jüngst.

Schiebt die Mehrwertsteuersenkung die Nachfrage an? Nach Auffassung der Konsumforscher des Nürnberger Unternehmens GfK hat sie erhebliche Kaufanreize zur Folge. «Die Anschaffungsneigung ist sehr stark angestiegen», sagte GfK-Konsumforscher Rolf Bürkl bei der Vorstellung der Konsumklima-Studie für den Monat Juli. Die Verbraucher beabsichtigten offenbar, «geplante größere Anschaffungen vorzuziehen, was dem Konsum in diesem Jahr hilft», sagte Bürkl. (dpa)


 

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