Vertrauen gewinnen ist in unruhigen Zeiten wichtiger denn je. Dank Globalisierung und Digitalisierung sind Menschen informierter als früher. Alles wird verglichen. Doch in Krisenzeiten überschlagen sich die Ereignisse und Informationen. Wem kann man noch glauben, wem vertrauen? Was ist echte Nachricht und was gefärbte Propaganda? Personalberater Albrecht von Bonin klärt auf.
Was ist das Wichtigste in einer Beziehung? Vertrauen. Im Privatleben, in der Geschäftswelt ebenso wie in der Politik und im Führungsalltag. Spätestens seit Beginn des Ukraine Kriegs hat der Westen auf die harte Tour lernen müssen, was das Wort von Politkern und Diplomaten wert ist. Die Getäuschten geben sich geschockt, sprechen von Vertrauensbruch. Dabei waren die Zeichen der Täuschung schon vor langer Zeit erkennbar – sie wurden nur nicht zur Kenntnis genommen. „Es wird schon nicht so schlimm werden“.
Über den Autor Albrecht von Bonin
Albrecht von Bonin ist einer der profiliertesten Personalberater in der Hospitality Industry. Die Suche und Auswahl von Spitzenkräften, der Einsatz von Interim Managern sowie Management Coaching für Führungskräfte und Unternehmer – das sind die Kernkompetenzen, mit denen VON BONIN und die avb Management Consulting echte Mehrwerte bietet.
Mit seinem Fachbeiträgen bei Linkedin, die auf der Erfahrung von 40 Jahren Beratungspraxis fußen, erreicht von Bonin seit Jahren viele tausend Leser. Jetzt gibt es seine Beiträge auch bei Tageskarte.
Szenenwechsel: Sprechen Sie mal mit Ihren erfahrensten Vertrieblern. Die wissen: Wer heutzutage beim Kundengespräch überzeugen will, muss mehr liefern als auswendig gelernte Werbeslogans, Parolen und günstige Preise. Für Führungskräfte und Politiker gilt ähnliches: Wer Mitmenschen für seine Sache gewinnen, Mitarbeiter zu Top-Leistungen motivieren will, obwohl z. B. COVID 19 oder die Ukraine Krise Ängste um den Arbeitsplatz, Inflation, mögliche Weltkriegsszenarien schüren, muss mehr anbieten als beschwichtigende Worte, Solidaritätsbekundungen oder eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds. Es geht um Vertrauen – die Basis einer jeden Beziehung.
Vertrauen ist keine Einbahnstraße
Hier geht es nicht um die rosarote Sicht auf das zwischenmenschliche Miteinander. Vielmehr reift die Erkenntnis, dass gerade in stürmischem Seegang Vertrauen ein besonders hohes Gut ist. Es schweißt Menschen zusammen und lässt sie selbst schwierigste Situationen leichter meistern, ja manchmal sogar über sich hinauswachsen.
Unsere Erfahrung hat uns gelehrt: Nichts ist schlimmer als jemandem nicht über den Weg trauen zu können. Misstrauen ist der Nährboden für Verunsicherung, Gerüchte, Mutmaßungen, Ängste oder sogar Verschwörungstheorien. Das gilt für Sie aus der Perspektive als Führungskraft – aber auch für die Sicht Ihrer Mitarbeiter, Kollegen, Kunden auf Sie. Doch können wir in diesen schwierigen Zeiten überhaupt noch jemandem vertrauen? Wie gewinnt man Vertrauen? Wie signalisiert man Verlässlichkeit? Wenn wir Vertrauen zum festen Bestandteil unseres Zusammenlebens, unserer Kultur, ja, auch unserer Führungskultur machen wollen, sollten wir auch wissen, wie wir Vertrauen schaffen können und wie Menschen zu erkennen sind, denen wir lieber nicht vertrauen sollten. Folgende Schritte können dabei helfen:
1. Klare Position beziehen
In erster Linie geht es um die eigene Klarheit. Die Frage ist nicht „Kannst du mir vertrauen?“, sondern „Auf was kannst du vertrauen, wenn du es mit mir zu tun hast?“. Es gilt, eindeutig Position auf folgende Fragen zu beziehen: „Wofür stehe ich? Wie will ich von anderen gesehen werden? Was lasse ich mit mir machen – und was nicht?“ Vorausgesetzt, Ihr Gegenüber (Nachbar, Mitarbeiter, Wähler, Kollege, Kunde) hat Ihnen aufmerksam zugehört, weiß es, woran man bei Ihnen ist. Womit man rechnen kann – und womit nicht. Im Führungsalltag bedeutet das, zu entscheiden: Was ist mein Kollege/Mitarbeiter für mich: Interessiert mich nur die Arbeit, der Output, den er/sie schafft – oder sehe ich auch den Menschen dahinter? Wie schaffe ich es, dass man mir als Führungspersönlichkeit vertraut?
Zurück zum Vertrieb: hier heißt das, zu entscheiden: Wer ist mein Kunde? Muss ich ihm etwas verkaufen, um meine hohen Ziele zu erreichen – oder ist er derjenige, dessen Probleme ich lösen will? Und wenn ich dazu keine Chance sehe, dann erkläre ich das offen. Der andere muss spüren, dass ich ihn ernst nehme und weiß, wovon ich spreche. „People don’t care what you know until they know that you care“ (Truman). Umgekehrt stelle ich mir aber auch die Frage: Wenn ich diesem Kunden etwas verkauft habe, wird er anstandslos die Rechnung dafür bezahlen? Kann ich mich auf seine Zahlungsfähigkeit bzw. -bereitschaft verlassen? Kann ich ihm vertrauen?
2. Das Positive herausfinden
Identifizieren Sie eine positive Eigenschaft an jedem Menschen, mit dem Sie regelmäßig zu tun haben. Das hilft Ihnen, auch in schwierigen Fällen oder Konflikten eine positive Haltung einzunehmen. Und das macht Sinn, denn: Je besser die Stimmung, desto größer ist auch die Basis für Vertrauen. Kleine Übung: Suchen Sie fünf positive Eigenschaften an Menschen, obwohl Sie sie nicht mögen!
3. Anerkennung und Wertschätzung zeigen
Überlegen Sie vor jedem Kontakt, jedem Treffen: Welches ehrliche und ernst gemeinte Kompliment kann ich dem anderen heute machen. Faustregel: Eine positive Bemerkung bei jedem Treffen. Doch Vorsicht: keine Schmeichelei! Schon in der Antike wusste man: „Nur wo Speichellecker sind, können Tyrannen entstehen“. Wir erleben das bei narzisstischen Chefs, bei Cholerikern, Autokraten, Mistkerlen in allen Lebensbereichen.
Ihre ehrlich gemeinte Wertschätzung sollte daher eher einem Verhalten gelten - nicht Äußerlichkeiten (nicht: schicke Frisur, geschmackvoller Anzug, prunkvolle Villa, neues Auto). Anerkennung für ein bestimmtes Verhalten ist leichter zu finden und hat eine größere Wirkung. „Echt stark, wie ruhig Sie im Konflikt mit XY geblieben sind!“, im Vertrieb beim Kunden „Respekt, wie erfolgreich Sie Ihren Betrieb führen“ oder in der Kommunalpolitik „Hut ab, wie schnell Sie hier den steigenden Inzidenzen vorgebeugt haben“. Wenn dagegen jemand eher auf Äußerlichkeiten positiv reagiert, ist Misstrauen geboten.
4. Verbindliche Aussagen treffen
„Wir müssen das, was wir denken, auch sagen. Wir müssen das, was wir sagen auch tun. Und wir müssen das, was wir tun, auch sein“ (Alfred Herrhausen). Dieser Leitsatz gilt besonders in stürmischen Zeiten für jeden von uns - ob Führungskraft, Politiker, Nachbar, Behörde etc. Versprechen Sie nur Dinge, die Sie auch zu 100 Prozent einhalten können. Kurz gesagt: Versprechen halten – oder Klappe halten. Gut ist: „Diese Information beschaffe ich Ihnen!“, noch besser ist: „Die Info bekommen Sie bis morgen, 14 Uhr!“. Wenn Sie dann verlässlich liefern, erlebt Ihr Gegenüber, dass Sie verbindlich sind. Sie sind ein verlässlicher Partner und zeigen: Was ich sage, das halte ich auch ein. Das gilt auch und besonders für die Vereinbarungen von Terminen, Zielen oder die Warnung vor Konsequenzen. Damit leben Sie das vor, was Sie von Ihrem Gegenüber auch erwarten. Verbindlichkeit. So entsteht Vertrauen.
5. Gemeinsamkeiten suchen
Zeigen Sie sich von Ihrer persönlichen Seite (mit offenem Visier). Lassen Sie es „menscheln“. Unterhalten Sie sich über das beruflich notwendige Maß hinaus, seien Sie ein aufmerksamer Zuhörer und betonen Gemeinsamkeiten zwischen sich und Ihrer Zielperson. Gemeinsamkeiten erzeugen eine starke Verbindung und – Vertrauen. Doch neigt Ihr Gegenüber eher dazu, Sie mit Monologen zu überschütten, sich für Sie persönlich nicht zu interessieren, sondern stattdessen nur über sich selbst, die eigenen Interessen und Befindlichkeiten zu sprechen, ist Vorsicht geboten. Hier wird Vertrauen zur Einbahnstraße.
6. Verständnis zeigen
Immer, wenn Sie der Meinung sind, die Situation Ihres Mitarbeiters, Kollegen oder Mitmenschen verstanden zu haben, sollten Sie das auch deutlich kommunizieren. Zum Beispiel durch Aussagen wie: „Ok, ich verstehe Sie. An Ihrer Stelle hätte ich das vermutlich auch so gemacht“. Hier geht es nur um die emotionale, nicht um die inhaltliche Ebene! Damit machen Sie klar, dass Sie die Sichtweise des anderen respektieren. Menschen wollen sich verstanden fühlen. Verständnis zu zeigen, heißt aber noch lange nicht, dass Sie zustimmen. Spätestens, wenn Sie auf der Sachebene Ihre Sichtweise schildern, wird sich herausstellen, ob ein vertrauensvolles Miteinander überhaupt möglich ist. Denn gelingt dies nicht, werden Sie in dieser „Beziehung“ stets der Gebende sein müssen, um Ihr Gegenüber zufrieden zu stellen. Wenn Sie nicht masochistisch veranlagt sind, dürfte das keine gute Grundlage für Vertrauen zum Gegenüber sein, oder?
Wie Sie sehen – all diese Schritte können Ihnen helfen, den Aufbau tragfähiger „Beziehungen“ zu gestalten. Sie können so aber auch erkennen, wann Sie jemandem besser nicht vertrauen sollten – vorausgesetzt, Sie interessieren sich wirklich für Ihr Gegenüber.
Autor
Albrecht von Bonin
avb Management Consulting
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VON BONIN + PARTNER Personalberatung
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