Zwei Drittel der Unternehmen kämpfen mit Fachkräftemangel

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Der Fachkräftemangel in Deutschland ist laut einer Umfrage für zunehmend viele Unternehmen ein Problem. Zwei Drittel - 66 Prozent - der befragten Entscheider aus unterschiedlich großen Unternehmen kämpfen mit Fachkräfteengpässen. Nur 29 Prozent sehen sich davon aktuell nicht betroffen. Das geht aus einer Befragung des Forschungsunternehmens Civey im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hervor, an der sich von August bis Oktober rund 7500 Entscheiderinnen und Entscheider beteiligt hatten. «Es ist eine Riesenbaustelle, auch für eine neue Bundesregierung», sagte der Migrationsexperte der Stiftung, Matthias Mayer, am Donnerstag.

Im Vergleich zur Umfrage 2020 - damals hatten 55 Prozent Engpässe und 38 Prozent keinen Mangel angegeben - bedeute das Ergebnis eine Verschärfung. Die derzeit beschriebene Lücke falle auch größer aus, als ihn die Unternehmen vor Jahresfrist erwartet hätten, hieß es in Gütersloh. Dabei unterscheide sich die Lage je nach Branche, Region, Berufsbild und Qualifikation. Es fehlten vor allem Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung - hier berichteten 48 Prozent der Befragten von Engpässen. Für Akademiker gaben das nur 27 Prozent der Unternehmen an.

Der Pflegebereich und der gesamte Gesundheitssektor sind laut Erhebung besonders vom Fachkräftemangel betroffen. Ärztepräsident Klaus Reinhardt hatte kürzlich sogar vor einem Personalkollaps im Gesundheitswesen gewarnt. Mehr als die Hälfte der befragten Entscheider beklagt aber auch im Handel Personalnot. Der Blick auf die Bundesländer zeigt: Das Problem besteht überall, etwas stärker in Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen aus. Eine weniger deutlich ausgeprägte Lücke macht die die Umfrage für Berlin, Bremen und das Saarland aus.

«Der Fachkräftemangel wird immer mehr ein strukturelles Problem», schilderte Alexander Burstedde vom Institut der deutschen Wirtschaft die Situation. Im Handwerk, in technischen Berufen, im sozialen Bereich, bei Gesundheit und Erziehung sei die Lücke erheblich. Auf dem Höhepunkt der Pandemie habe Personalnot keine größere Rolle gespielt. «Kaum ebbt die Pandemie ab, ist der Mangel wieder voll da.» Der Fachkräftereferent erläuterte: «Wenn in einem kleineren Unternehmen mit 20 Personen eine zentrale Maschine nicht mehr bedient werden kann, wird man den Betrieb im schlimmsten Fall schließen müssen.» Das arbeitgebernahe IW geht von 390 000 fehlenden Fachkräften aus, wie es für September gemeldet hatte. Damit sei der Mangel größer als vor Pandemieausbruch im März 2020.

Eine Trendwende zeichnet sich nicht ab: 67 Prozent der befragten Unternehmensentscheider befürchten, dass sie auch 2022 über weniger Fachkräfte als benötigt verfügen werden. Tatsächlich sind die Aussichten nicht rosig, wie die Stiftung analysiert: «Der demografische Wandel lässt das einheimische Fachkräftepotenzial in den kommenden Jahren drastisch schrumpfen.» Mayer nannte die Lage «beunruhigend».

Schon seit Längerem kommen aus der Wirtschaft Rufe nach mehr und gezielter Einwanderung von Fachkräften. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, hatte im August gesagt, Deutschland brauche 400 000 Zuwanderer pro Jahr, um den zunehmenden Fachkräftemangel auszugleichen. Die Befragung zeigt nun aber: Fachkräftezuwanderung spielt für Unternehmen «nur eine untergeordnete Rolle». Lediglich 16 Prozent setzen aktuell auf die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland. Größere Firmen beschäftigen diese etwas häufiger als kleine und mittlere Betriebe. Mayer ergänzte, in der Corona-Krise sei es hier zwar nicht zu einem Einbruch gekommen, eine gewisse pandemiebedingte Zurückhaltung sei aber möglich.

Wie lässt sich gegensteuern? Mayer mahnte Anstrengungen an, um das inländische Arbeitskräfteangebot bestmöglich zu mobilisieren und bestimmte Berufe wieder attraktiver zu machen. Viele Unternehmen bauten auch auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wichtige Hebel bei der Fachkräftezuwanderung sind nach seiner Einschätzung: Bürokratische Hürden weiter abbauen, ausländische Abschlüsse leichter anerkennen, die Vermittlung von Personal ausbauen. Auch wenn einiges verbessert worden sei, bleibe es bei vielen Hindernissen. Lichtblick: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz von März 2020 scheine erste Früchte zu tragen. Es soll qualifizierten Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten den Weg nach Deutschland ebnen.

Burstedde zufolge muss der Blick unbedingt über die EU hinaus geweitet werden: Um Leute zu gewinnen, «die was können», sollten die Aufnahmebedingungen besser werden. Wenn man ein Jahr auf ein Visum warten müsse, als Informatiker erst Deutsch lerne solle, obwohl Englisch gängige Fachsprache sei oder in anderen Länder mehr verdiene, sei das Locken schwierig. «Wir sind da nicht so attraktiv und müssen noch eine Schippe drauflegen.» (dpa)


 

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