Alkoholverbot auf Oktoberfestgelände - «WirtshausWiesn» als Ersatz

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Günter Werner hat seinen Hut zum Hutmacher gebracht - damit er festlich Fasanenfedern und frischen Hopfen darauf drapiert. Wie jedes Jahr für den Wiesnstart. Seit 60 Jahren hat der 77-Jährige aus Pullach bei München nach eigenen Worten keinen Tag auf dem Oktoberfest ausgelassen. Dieses Jahr ist alles anders. «Seinen» Tisch 180 im Schottenhamel-Zelt gibt es nicht. Nach der coronabedingten Absage der Wiesn wird Werner am Samstag - dem ursprünglich geplanten Feststart - bei Christian Schottenhamel am Nockherberg feiern. «Nach 60 Jahren dürfen wir unseren Wirt allein lassen», sagt Werner.

Wiesn-und Innenstadtwirte wollen mit ihrer «WirtshausWiesn» für vorsichtige Oktoberfeststimmung sorgen, vielerorts wird am Samstag traditionsgerecht um 12.00 Uhr ein Fass angezapft. Während sich der dafür normalerweise zuständige amtierende Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) enthält, will sein Vorgänger und Parteifreund Christian Ude im Bahnhofsviertel anzapfen - und Ex-Wiesnchef Josef Schmid (CSU) im Augustiner am Platzl. Bis 4. Oktober soll es in gut 50 Wirtshäusern - darunter das Hofbräuhaus - Hendl, Haxn und Wiesnbier geben.

Besser als «mit einem Kasten Bier auf der Theresienwiese» zu sitzen, wie Werner sagt - denn das war seine erste Idee. Weil er damit nicht allein war, hat die Stadt für Samstag auf der Theresienwiese ein Alkoholverbot verhängt - um «private Ersatzpartys zum ursprünglich geplanten Wiesnstart mit hohem Infektionsrisiko zu unterbinden.»

«Geht in das Wirtshaus Eurer Wahl, egal ob zuhause oder in München, geht nicht auf die Wiesn, feiert im Wirtshaus, das ist einfach besser», appellierte der Münchner Wirtschaftsreferent und städtische Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner im Bayerischen Rundfunk. Feierwillige hätten sich bereits auf der Theresienwiese verabredet. Die Stadt hat auf dem Gelände auch ein Alkoholverbot verhängt, wer beim Konsum oder Verkauf von Alkohol erwischt werde, müsse mit einem Bußgeld rechnen.

Wiesnbier fließt indes schon seit Wochen - meistens «dahoam»: Die Brauereien haben viele Millionen Liter gebraut - das Bier fand teils besseren Absatz als sonst. Passend gibt es den originalen Wiesn-Maßkrug - als «Koa Wiesn-Krug». Ebenfalls seit Wochen drehen auf verschiedenen Plätzen Karussells: Ein Riesenrad am Königsplatz, ein 90 Meter hohes Kettenkarussell am Olympiagelände, beim «Trachtival» am Ostbahnhof die Kult-Achterbahn «Wilde Maus». Es gibt Schießbuden, Trachtenstände, Zuckerwatte und Lebkuchenherzen - «Sommer in der Stadt» heißt das Alternativ-Programm.

Auf der Theresienwiese wollen am Samstag anstatt der Wiesnwirte unter anderem Klimaschützer einziehen - in Tracht, mit Windrädern, rollenden Gärten, regionalen Lebensmitteln - und Bier alkoholfrei. Man wolle zeigen, was Bayern noch sei. «Auch kleinbäuerliche Landwirtschaft ist Tradition - und trägt zum Klimaschutz bei», sagt ein Organisatorin.

Nervosität herrscht. Die Sieben-Tagen-Inzidenz pro 100 000 Einwohner lag am Freitag für die Landeshauptstadt laut Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) über dem kritischen Wert von 50.

Angesichts steigender Zahlen schauen die Wirte strikt auf die Vorgaben. «Wir sind ausreserviert - früher hätte ich dann 600 Leute im Haus gehabt, heute sind es vielleicht 300 - wir achten auf die Abstände, drinnen und draußen», sagt der Sprecher der Innenstadtwirte und Chef des Augustiner Klosterwirt, Gregor Lemke.

Für die «WirtshausWiesn» gelte wie für alle gastronomischen Betriebe die Regelungen der Staatsregierung zum Infektionsschutz, unterstrich OB Reiter. Dies gelte «unabhängig davon, ob Wiesnbier oder Wiesnschmankerl serviert werden».

Zur Vorsicht gehört laut Lemke auch Livemusik mit Akkordeon und Gitarre - und keine Blasmusik, zum Schutz vor Aerosolen. Nicht nur ihm, auch am Nockherberg und bei Wiesnwirtesprecher Peter Inselkammer im Ayinger am Platzl gibt es keine Plätze mehr. «Es ist eine rege Nachfrage da», sagt Inselkammer. Viele Stammgäste haben reserviert.

Das 30. Wiesnjahr wäre es etwa für Armin Jumel geworden. Der Friseur wird am Samstag am Nockherberg sein. «Wir freuen uns und sind dabei, wir wollen dem Wiesnfeeling so nah wie möglich kommen.» Der 50-Jährige hat im Schottenhamel-Festzelt sonst den Tisch Nummer 089 - die Münchner Vorwahl. Er hat ihn von seinem Vater «geerbt», der ihn vor Jahrzehnten bekommen hatte. 1990 starb der Vater, ausgerechnet auf dem Weg zur Wiesn. Seitdem sei er fast jeden Tag da gewesen - dem Vater zu Ehren, sagt Jumel. Auf seinem Reservierungsschild steht «Dohockadedodeoiweidohocka»: «Hier hocken die da, die immer da hocken.» Das wird jetzt am Nockherberg stehen - auch wenn es nicht ganz stimmt. Dieses Jahr wird er wohl nicht jeden Tag kommen.

Fast tausend Tage und damit mehr als zweieinhalb Jahre hat Günter Werner am Tisch 180 im Schottenhamel-Zelt verbracht. Ende der 1980er Jahre bekam er dort sogar einen eigenen Telefonanschluss. Auch er wird dieses Jahr ein paar Tage auslassen. Nur Mittwoch bis Samstag will er am Nockherberg sein. Dabei wird ihm erspart bleiben, was er nie mochte: Auf den Bänken feiernde Menschen, aus deren Krügen Bier auf die Sitzenden schwappt. Er will eine ruhige Veranstaltung - «kein Remmidemmi».


 

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