Betriebsschließung: Gastwirt gewinnt Corona-Klage gegen Versicherung

| Gastronomie Gastronomie

Nach einer bundesweiten Corona-Klagewelle gegen zahlungsunwillige Versicherungen hat das Münchner Landgericht erstmals einem klagenden Gastwirt die geforderte Millionensumme zugesprochen. Laut Urteil muss die beklagte Versicherungskammer die Kosten von 30 Tagen coronabedingter Betriebsschließung an den Pächter des Münchner Augustinerkellers zahlen - exakt 1,014 Millionen Euro. In ganz Deutschland sind an den Gerichten bereits hunderte ähnlicher Klagen gegen mehrere Versicherungen anhängig, inklusive des Marktführers Allianz.

Folge der Münchner Entscheidung könnte nach Einschätzung des siegreichen Wirts eine zweite Klagewelle sein: Viele Wirte hätten nicht das Geld, um sich einen Prozess zu leisten, sagte Christian Vogler, der Pächter des über die Münchner Stadtgrenzen hinaus bekannten Augustinerkellers. «Für die haben wir jetzt Vorarbeit geleistet.» Viele Gastronomen seien in ihrer Existenz bedroht. «Jetzt ist endlich mal ein Richter da, der sagt: Es ist Unrecht, was ihr da macht.»

Doch ist die Entscheidung nicht rechtskräftig, die unterlegene Versicherungskammer will sich nicht geschlagen geben: «Wir werden uns nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe sorgfältig mit diesen auseinandersetzen und die Möglichkeiten der Berufung nutzen», teilte das Unternehmen mit.

In dem Urteil geht es um eine Police, in der die Betriebsschließung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ausdrücklich gedeckt ist. Der Chef des Augustinerkellers hatte den Vertrag überhaupt erst am 5. März unterschrieben, weil er sich gegen eine coronabedingte Schließung absichern wollte.

Die Versicherungskammer will dennoch nicht zahlen, weil der Schutz nach Auffassung des Unternehmens nur für Krankheiten und Erreger gilt, die in dem Vertrag ausdrücklich genannt sind - Covid-19 zählt nicht dazu.

Das sieht das Gericht ganz anders: Schließungen nach Infektionsschutzgesetz seien in dem Vertrag abgesichert, sagte die Vorsitzende Richterin Susanne Laufenberg. Ob Covid-19 ausdrücklich erwähnt ist oder nicht, spielt laut Urteil keine Rolle. Die Bringschuld für allgemeinverständliche Verträge liegt demnach beim Versicherer: «Wir sind der Meinung, dass man von einem Versicherungsnehmer nicht erwarten kann, dass ihm das Infektionsschutzgesetz geläufig ist», sagte die Richterin dazu.

Der siegreiche Wirt beschuldigte anschließend die Chefetagen der Versicherer, eigene finanzielle Interessen über diejenigen der Kunden zu stellen: «Es ist wirklich eine Schweinerei, finde ich, dass man diese Leute (die Wirte) an die Wand fährt, um sich höhere Boni einzustreichen», sagte Vogler. Allianz-Chef Oliver Bäte und einige andere Spitzenmanager der Branche hingegen argumentieren, dass sie nur für ausdrücklich versicherte Schäden zahlen können, da das Geschäft ansonsten zu nicht mehr kalkulierbaren finanziellen Risiken führen würde.

Zum Münchener Urteil zum Thema Betriebsschließungsversicherung erklärt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin DEHOGA Bundesverband:  „Der DEHOGA Bundesverband begrüßt das Urteil des Landgerichts München. Der Sieg des Gastwirts ist mehr als ein mutmachendes Signal für viele Betriebe mit einer Betriebsschließungsversicherung. Von Beginn der Debatte an hat der DEHOGA Bundesverband die Rechtsauffassung vertreten, dass die Versicherungswirtschaft in der Leistungspflicht steht.

Im Übrigen gilt nach Versicherungsvertragsgesetz, dass die Anbieter stets ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse der Kunden handeln und insbesondere im Schadensfall bei der Erfüllung von Versicherungsverträgen mitwirken müssen. Die Listen in den Verträgen umfassen teilweise 80 Krankheiten und Krankheitserreger. Der Gastronom oder Hotelier ging mit Blick auf so umfassende Kataloge davon aus, dass auch das Corona-Virus erfasst ist. Es ist Aufgabe der Versicherer, für klare und transparente Regeln zu sorgen.“

Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern begrüßt das Urteil des Landgerichts München I, aufgrund dessen die Versicherung dem Kläger für die coronabedingte Schließung seines Betriebes die gesamte Versicherungssumme zahlen muss. DEHOGA Bayern-Landesgeschäftsführer Dr. Thomas Geppert: „Wir freuen uns, dass sich unser Mitglied Christian Vogler hier durchsetzen konnte. Wir sehen das Urteil als wegweisend an, folgt es doch unserer Auffassung, dass grundsätzlich Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung besteht. Auch wenn abzuwarten ist, ob dieses Urteil in den höheren Instanzen Bestand halten wird, so ist es doch ein für unsere Gastronomen enorm wichtiges Signal. Aus diesem Grund wäre zu begrüßen, wenn die Versicherungswirtschaft das Urteil zum Anlass nimmt, ihre teilweise harte und abweisende Haltung zu überdenken und die Ansprüche der Versicherungsnehmer nunmehr vollumfassend zu erfüllen.“

Der Unternehmer hat die Versicherung abgeschlossen, um geschützt zu sein. Wir freuen uns, mit unserem DEHOGA Bayern-Mitglied Christian Vogler. Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, vermittelt es dennoch Hoffnung für viele Tausende Unternehmer, die sich bislang von ihrer Versicherung mit einer Verweigerungshaltung konfrontiert sehen.

Auch die Allianz muss in München Niederlagen fürchten, da deren Versicherungsbedingungen ähnlich formuliert sind: Schließungen nach Infektionsschutzgesetz sind versichert, der Covid-19-Erreger ist aber nicht ausdrücklich genannt. Die Kammer hat in mehreren mündlichen Verhandlungen die Versicherungsbedingungen beider Unternehmen als «intransparent» kritisiert. (Tageskarte berichtete).

Doch bedeutet der Erfolg des prominenten Münchner Wirts keineswegs, dass alle verklagten Versicherungen vor Gericht unterliegen müssten, weder in München noch anderswo. Klar ist lediglich, dass sowohl die Versicherungskammer als auch die Allianz im heimischen München mit allen gleichlautenden Betriebsschließungspolicen schlechte Chancen haben. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft GDV betonte dementsprechend: «Es kommt im Einzelfall auf den genauen Wortlaut der Versicherungsbedingungen an.»

Auch wenn es noch Jahre dauern könnte, bis es rechtskräftige Urteile gibt, haben die Prozesse jetzt schon Folgen: Die Versicherer wollen ihre Policen verständlicher formulieren. «Wir müssen von vornherein noch klarer kommunizieren, was versichert ist und was nicht», sagte eine GDV-Sprecherin. «Ein Expertenkreis arbeitet an dieser Aufgabe und verfolgt das Ziel, die Arbeiten bis Jahresende abzuschließen.» (Mit Material der dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Eine neue Umfrage zeigt, welche Potenziale und Risiken virale Social-Media-Trends für Kleinunternehmen bergen. Insbesondere in der Gastronomie hadern Betriebe mit der Trendidentifikation und dem finanziellen Risiko, obwohl die Übernahme einen positiven Einfluss auf den Umsatz haben kann.

Der Guide Michelin erweitert sein Bewertungssystem und führt eine neue Auszeichnung für Weingüter ein. Nach den Sternen für Restaurants und den 2024 präsentierten Keys für Hotels sollen die neuen Trauben einen Maßstab für die besten Weingüter weltweit setzen.

Im Europa-Park wurde der Grundstein für ein neues Mitarbeiter-Restaurant mit integrierter Zentralküche gelegt. Das Bauvorhaben erstreckt sich über vier Stockwerke mit insgesamt 4.500 Quadratmetern Fläche und soll im August 2026 fertiggestellt werden.

Im Kindercafé in Lüneburg beschwert sich wohl niemand über laute Kinder. Im Gegenteil. Laut und lustig soll es zugehen. Solche Orte sind in Städten immer häufiger zu finden.

Nach sechs Jahren Abwesenheit kehrt Jamie's Italian mit einem neuen strategischen Partner und einem überarbeiteten Konzept in die britische Gastronomieszene zurück. Die Neueröffnung soll im Frühjahr 2026 in London stattfinden.

Der Landkreis Harz treibt die touristische Entwicklung des Brockenplateaus voran und setzt dabei auf ein neues Gastronomiekonzept: Die Restaurantkette Timberjacks soll das kulinarische Angebot auf dem höchsten Gipfel Norddeutschlands übernehmen. Auch das Hotel soll ausgebaut werden. Die Eröffnung ist für das Jahr 2027 geplant.

Aktuelle Daten von OpenTable beleuchten die Entwicklungen der deutschen Gastronomiebranche im kommenden Jahr. Im Mittelpunkt stehen der Wunsch nach gemeinsamen Erlebnissen, die Bereitschaft für Spontanität und ein anhaltendes Wachstum bei speziellen Anlässen.

Der Harzer Kreistag hat einstimmig über die Vergabe der Bewirtschaftung von Hotel und Gastronomie auf dem Brocken entschieden. Demnach ist Landrat Thomas Balcerowski (CDU) beauftragt, mit einem Göttinger Restaurantketten-Betreiber über einen Gewerbepachtvertrag zu verhandeln, teilte ein Landkreissprecher am Abend mit. 

Reserviert und dann einfach weg? Für Gastronomen sind unentschuldigte "No-Shows" mehr als nur eine Lappalie – sie bedeuten massive Umsatzeinbußen und weniger Trinkgeld für das Personal. Eine Umfrage zeigt, wie weit verbreitet das Problem ist und welche drastischen Maßnahmen Gastwirte jetzt ergreifen.

Steigende Kosten, erhöhte Komplexität und ein sich wandelndes Gästeverhalten setzen deutsche Cafés zunehmend unter Druck. Ein neuer Business-Guide von SumUp zeigt die notwendigen Strukturen für wirtschaftliche Stabilität im Jahr 2026.