Grünkohl-Taxi für «Kohlfahrt at Home»

| Gastronomie Gastronomie

Kohlfahrten fallen aus, auch Grünkohlessen mit Freunden im Restaurant geht nicht, und erstmals seit rund 30 Jahren wird 2021 keine neue Grünkohlmajestät gekrönt. Aber trotz Corona - es ist kohlmäßig in Niedersachsen nicht alles verloren.

Dann eben «Kohlfahrt at Home», dachte sich Marco Tienz, der als Veranstalter schon seit März 2020 im Lockdown sitzt. Seit vier Wochen rollt sein «Grünkohl-Taxi» rund um Delmenhorst und weiter. Die Idee: «Ihr geht spazieren, und wenn ihr um 17 Uhr durch seid, komme ich zu Euch und bringe das warme Grünkohl-Essen», sagte der 47-Jährige. Und es klappt. Das Wintergemüse wird im Norden und Nordwesten hoch geschätzt. Niedersachsen ist schließlich Grünkohl-Anbaugebiet Nr 1.

Das «Grünkohl-Taxi» liefert das Gericht mit Grünkohl, Kartoffeln, Pinkel, Schinkenwurst, Kasslernacken und Senf heiß nach Delmenhorst, Stuhr, Ganderkesee, Brinkum und wenn mindestens vier Essen zu je 15 Euro zusammenkommen, dann auch nach Bremen. «Ein Versuch aus dem Lockdown rauszukommen», so Tienz, der mit der Fleischerei Hemmerling zusammenarbeitet. Und da ihn Freunde aus Stuttgart und Köln neckten, dass er doch schließlich rund um die Uhr («24/7») Bestellungen annehme und sie auch Grünkohl wollten, gibt es nun ein neues Angebot: Norddeutsche Grünkohl-Gerichte per Postversand und zwar bundesweit.

«Das geht», sagt Tienz. Die Fleischerei verpacke für den Versand das vorgekochte Gericht vakuumdicht. Auch die Temperaturen stimmen in den kalten Grünkohl-Wintermonaten Dezember, Januar, Februar. «Zwei Gerichte passen in ein Paket.» Ein eingeschränkter Außerhausverkauf ist in der Gastronomie grundsätzlich möglich. Es gebe auch kreative Angebote wie eben Lieferservice, sagt der Sprecher der niedersächsischen Landwirtschaftskammer, Wolfgang Ehrecke. Ob der befürchtete Absatzrückgang beim Grünkohl durch solche Angebote und einer erhöhten Nachfrage in Privathaushalten kompensiert wird, ist fraglich.

Für Niedersachsen keine unwichtige Frage: 2019 bauten laut Statistischem Bundesamt 209 niedersächsische Betriebe auf insgesamt 429 Hektar Grünkohl an. Die Erntemenge lag bei 7571 Tonnen. Damit war Niedersachsen im bundesweiten Vergleich Spitzenreiter, dicht gefolgt von Nordrhein-Westfalen (7288 Tonnen). Bundesweit haben 1180 Betriebe auf rund 1010 Hektar 16 652 Tonnen Grünkohl geerntet. Kohl ist gesund: Neben dem hohen Anteil an Vitamin C enthält er viele Mineralstoffe. «Insbesondere sein Calcium- und Eisengehalt sind beachtenswert», so die Landwirtschaftskammer.

Gesunde Ernährung steht nicht unbedingt im Mittelpunkt der Kohltouren. Im Kern geht's darum, mit Freunden, Bekannten, Kollegen durch Stadt oder Botanik zu ziehen und sich vom mitgeführten Bollerwagen mit meist alkoholischen Getränken verschiedenster Art zu bedienen und zum Abschluss Grünkohl zu essen. Die «Kohlgänger» sind oft mit Schnapsglas um den Hals anzutreffen und vergnügen sich bei Spielen wie Teebeutelweitwurf, Liedergurgeln oder Boßeln. Die Kohltoursaison - gerne als «Karneval des Nordens» bezeichnet - fällt 2021 aus.

Auch für den Grünkohl-Adel ist es kein allzu gutes Jahr. Die Wahl eines neuen Oldenburger Grünkohl-Königs beziehungsweise einer neuen Kohl-Königin fällt coronabedingt aus. Seit 1956 gab das nur zweimal: 1962 (Hochwasserkatastrophe) und 1991 (Golfkrieg). Bei der Krönung, dem traditionellen «Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten» in der Landesvertretung Niedersachsens in Berlin, wird normalerweise reichlich aufgetischt: Für die rund 270 geladenen Gäste gab es das letzte Mal 200 Kilogramm Grünkohl und rund 240 Kilo Pinkel, Kasseler, Speck und Kochmettwurst. Da wären viele Grünkohl-Taxis nötig.

Doch trotz Absagen und Lockdwowns gibt die «Kohltourhauptstadt Oldenburg» nicht alles verloren. Sie setzt aufs Digitale. Zum 150. Jubiläum der Kohlfahrten legte sie die Instagram Challenge «Nich‘ lang schnacken, Foto auspacken! Wir feiern #150jahrekohlfahrt» auf. Gesucht werden die coolsten Kohlfahrt-Fotos aus vergangenen Jahrzehnten. Vom 15. bis 31. Januar sollen über den Instagram-Kanal «@echt.oldenburg» Bilder von früheren Kohlfahrten unter dem Schlagwort #150jahrekohlfahrt gepostet werden. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Das Le Faubourg in der City West feiert sein Jubiläum mit einem modernisierten Brasserie Konzept, besonderen Menüangeboten und einer Bilanz seiner Rolle als Förderer junger Kochtalente.

Nach einer sechsmonatigen Umbauphase hat L’Osteria den Standort ihres ersten Restaurants in Nürnberg unter dem neuen Namen „L’Osteria Numero Uno“ wiedereröffnet. Auf die Gäste wartet ein neues Konzept, welches sich vornehmlich auf das Außerhaus-Geschäft sowie Pizza konzentriert.

Die Berliner Kaffeekette LAP Coffee steht im Zentrum von Kontroversen und ist Opfer gezielter Farbattacken geworden. In den letzten Tagen kam es zu koordinierten Angriffen auf mehrere Filialen in verschiedenen Berliner Stadtteilen. Gründer Ralph Hage rechnete jetzt den Gewinn pro Tasse vor.

Starbucks hat den Verkauf der Mehrheit ihres Geschäfts in China an die Investmentfirma Boyu Capital bekannt gegeben. Die Transaktion erfolgt im Rahmen der Gründung eines Joint Ventures zum Betrieb der Starbucks-Filialen in der Volksrepublik. Boyu erwirbt seine Beteiligung basierend auf einem Unternehmenswert von rund vier Milliarden US-Dollar.

Yum! Brands hat offiziell eine Überprüfung strategischer Optionen für seine Pizzakette Pizza Hut eingeleitet. Mögliche Ergebnisse sind ein vollständiger Verkauf, ein Joint Venture oder die Veräußerung einer Beteiligung.

Die neue Ausgabe des Wirtshausführer Österreich sieht eine positive Entwicklung in der heimischen Wirtshausszene. Im Fokus stehen Nachhaltigkeit und innovative Konzepte junger Wirte.

Das Restaurant Sphere Tim Raue im Berliner Fernsehturm ist vom Schlemmer Atlas als „Neueröffnung des Jahres 2025“ prämiert worden. Die Auszeichnung wurde im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung im Schloss Fleesensee übergeben.

Nach mehrjähriger Schließung kehrt eines der bekanntesten Münchner Restaurants in die Gastronomielandschaft zurück: Der Palais Keller im Hotel Bayerischer Hof öffnet am 2. Dezember 2025 wieder seine Türen.

Das GästeHaus Klaus Erfort hat das Insolvenzverfahren beendet. Das Zwei-Sterne-Restaurant in Saarbrücken blickt nach Abschluss des Schutzschirmverfahrens mit einer stabilen wirtschaftlichen Basis und klaren Perspektive in die Zukunft.

Wenn Angela Matarrese Pasta macht, bleibt die Nudelmaschine unberührt. Seit fast 35 Jahren kocht sie in einem Restaurant in Berlin-Schöneberg. Am 10. November wird das Leben der 90-Jährigen mit einem Preis bedacht.