Neueröffnung in der Krise: Berliner Weinlobbyist Serhat Aktas im Interview

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Gesucht, gefunden und eröffnet. Zwei Jahre lang hat der Berliner Sommelier Serhat Aktas nach einer geeigneten Location gesucht. In Schöneberg ist er fündig geworden und hat mitten in der Corona-Krise seine Weinbar eröffnet.

Tageskarte: Lieber Herr Aktas: Zwei Jahre Standortsuche. Der Weinlobbyist muss wirklich eine besondere Location sein.

Serhat Aktas: Das ist in der Tat so. Sicher kann man, gerade heute, auch schneller fündig werden, aber anfangs habe ich mehr den Berliner Immobilienmarkt beobachtet und abgecheckt. Die letzten zwölf Monate wiederum war ich sehr intensiv und entschlossen auf der Suche nach einer geeigneten Location. Am Ende ist natürlich die Lage und die Höhe der Miete ausschlaggebend. Nun habe ich in Berlin-Schöneberg meine kleine Oase gefunden und vor kurzem meine Bistro&Weinbar „Der Weinlobbyist“ eröffnet. Was aber diese Location ganz besonders macht, zumindest für mich, ist, dass sehr viel Handarbeit von mir drinsteckt. Ich habe den allergrößten Teil selber mit angepackt oder gar selber gestaltet und gebaut.

Tageskarte: Wie viele Gäste passen denn in die „kleine Oase“?

Serhat Aktas: Das Bistro bietet aktuell, coronabedingt, 22 Sitzplätze an, aber bis zu 46 Sitzplätze sind prinzipiell möglich. Für die warmen Sommertage finden sich im idyllischen Hofgarten, auch coronabedingt, 30 Sitzplätze, mit einem Potenzial mit bis zu 45 Plätzen. Für Veranstaltungen und Events ist der separate „Salon“ für bis zu 30 Personen vorgesehen. Dort sollen in Zukunft viele Weinveranstaltungen stattfinden.

Tageskarte: Wird beim Weinlobbyisten nur fröhlich getrunken?

Serhat Aktas: Natürlich nicht. Es gibt auch ein Speisenkonzept, das auf Häppchen „Tapas“ basiert, daher auch die Bezeichnung „Bistro“. Wir bieten den Gästen aber nicht nur für eine Weinbar klassische Tapas wie Käse und Schinken, sondern auch selbst zubereitete Speisen wie Flammkuchen, Rindertatar, Tomaten-Brot-Salat, Garnelen und Lachs. Das Konzept ist wie beim Spanier „Sharing“. Alles in die Mitte und man nimmt sich das, was man will. 

Seine Laufbahn begann Serhat Aktas mit der klassischen Ausbildung zum Restaurantfachmann im Restaurant Aigner am Gendarmenmarkt, die er 2012 erfolgreich bestand. Während seiner Ausbildung nahm er 2011 an den Berliner Jugendmeisterschaften, einem Wettbewerb der IHK und Dehoga, teil, in dem er den 1. Platz belegte. Unter den Siegerpreisen war unter anderem ein Schnuppergutschein für einen Lehrgang Sommelier der Deutschen Wein- und Sommelierschule in Berlin, den Serhat auch nach seiner Lehre einlöste. In diesem Lehrgang infizierte er sich mit dem Weinvirus. 2015 begann er die Weiterbildung zum Sommelier und absolviert sie 2016 erfolgreich. Zu seinen Stationen gehören Adressen wie das Restaurant Tucher am Brandenburger Tor, Supervisor im 5-Sterne Hotel Zoo Berlin, Sommelier in der Lavida Weinbar und im Restaurant Savu, das heute mit einem Stern ausgezeichnet ist. Jetzt agiert Serhat als selbstständiger Sommelier. Er moderiert Veranstaltungen, Seminare und Tastings, organisiert Events und schreibt auch gelegentlich über den Wein. Aktuell studiert Serhat in Geisenheim den Weinakademiker.

Tageskarte: Im Fokus steht aber natürlich der Wein. Gibt es da einen Fokus? 

Serhat Aktas: Da ich eine deutsch-österreichische Weinbar habe, findet man bei mir dementsprechend nur Weine aus diesen beiden Ländern. Ich selber bin ein großer Riesling und Grüner Veltliner Fan und daher fällt es mir sehr leicht, diese Weine mit Herzblut zu verkaufen. Viel Wert lege ich auf die gereiften Weine. Glücklicherweise holen die befreundete Winzer für mich einiges aus Ihren Schatzkammern raus. Aktuell geht die Jahrgangstiefe bis 1994 runter. Der Wunsch und das Ziel ist es, noch tiefer zu gehen.

Tageskarte: Zurzeit gibt es kaum ein anderes Thema als Corona. Wie hat sich die Pandemie auf die Gründung ausgewirkt?

Serhat Aktas: Stark! Den Mietvertrag habe ich Anfang Februar unterschrieben. Zu der Zeit war in Deutschland noch keine Rede von Corona. Das war so ein Ding irgendwo im fernen Osten! Mit viel Enthusiasmus legte ich los und wollte Ende März fertig werden. Relativ schnell funkte jedoch Corona dazwischen und dann ging alles schief, was schief gehen konnte. Anfangs war das sehr frustrierend, gleich zu Beginn mit so einem großen Problem konfrontiert zu werden. Da auch die Ämter zu gemacht haben und die Mitarbeiter in Kurzarbeit oder Zwangsurlaub geschickt wurden, war es für mich ein großer Kampf alle nötigen Genehmigungen zu holen. Aber Aufgeben kam für mich nicht in Frage!

Tageskarte: Seit einigen Wochen ist nun geöffnet. Wie lief der erste Abend genau ab?

Serhat Aktas: Erst möchte ich erwähnen: ich habe die Türen ganz leise, quasi für die Nachbarschaft, aufgemacht. Ein paar Winzer meines Vertrauens angerufen, ein paar Weine bestellt, ein bisschen Käse, Schinken und Oliven besorgt und gestartet. Der Rest kam dann täglich dazu.

Am ersten Tag habe ich eigentlich mit keinem Tisch gerechnet. Am frühen Nachmittag kam ein junges Pärchen rein. Sie sagten, dass sie seit Februar, seitdem sie meinen Zettel an der Tür gelesen haben, dass hier ein Weinlokal entsteht, total gespannt auf die Eröffnung gewartet haben. Diese Sätze machen einem Wirt mega glücklich! Das Pärchen hat ein paar Gläser Wein getrunken, ein bisschen Käse-Schinken gegessen und ist dann glücklich rausgegangen.

Am Abend hatte ich unerwartet vier Tische. Drei davon kamen durch die Empfehlung des Pärchens! Das Pärchen hat wohl ein paar Bilder von meiner Weinbar geschossen, in einer Schöneberger Facebookgruppe gepostet und mich empfohlen! Was Besseres kann Dir am ersten Tag nicht passieren! Zumindest in so einer Situation. Die beiden sind jetzt meine Stammgäste. Kommen mind. einmal in der Woche und gönnen sich beim Weinlobbyisten leckere Weine.

Tageskarte: Wie sind Sie zu dem Namen gekommen?

Anfangs wollte ich meinen Laden „der Weinbotschafter“ nennen. Das Wort Botschafter war mir aber zu geläufig. Durch etwas überlegen und rumspinnen kam ich dann vom Botschafter auf Interessenvertreter und dann auf den Lobbyisten. Ich dachte mir: der Sommelier ist doch eine Art Interessenvertreter der Winzer gegenüber dem Gast. Das Interesse der Winzer ist ja, dass ihre Weine verkauft werden. Ich verkaife sie. Als ich bemerkte, dass sich im Umkreis von 100 Metern von der Weinbar die Bürgerbüros der vier großen Parteien CDU, SPD, Linke und den Grünen befinden, habe ich mich endgültig für „Weinlobbyist“ entschieden. Ein wenig Humor muss eben sein.

Tageskarte: Der Lobbyist ist ja ein Interessenvertreter. Fehlt dem Wein denn eine Lobby?

Serhat Aktas: Ja, ich denke schon. Vor wenigen Tagen habe ich einen Entwurf des neuen Weingesetzes gelesen. Zugegeben, diese Gesetzesänderung scheint ein guter Weg in die richtige Richtung zu sein. Aber man nimmt trotzdem den Einfluss „Lobby“ der großen Kellereien und Genossenschaften deutlich wahr. Scheinbar brauchen die kleinen und mittelgroßen Weingüter/ Winzer einen Lobbyisten in Berlin. Und da komme ich ins Spiel.

Nein, natürlich ist das ein Spaß, weil ich ja kein Lobbyist in dem Sinne bin! Aber ich kann zumindest die Interessen der Winzer, also ihre Weine an den Verbraucher bringen.


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