Man muss nicht straffällig geworden sein, wenn man in Fürstenau in den Knast wandert. Denn: Je Nacht werden 45 beziehungsweise bei mehreren Übernachtungen 37 Euro pro Person fällig, wenn man im ehemaligen Amtsgefängnis im Landkreis Osnabrück schlafen möchte. Die engen Zellen bieten wenig Komfort. Das muss aber kein Hindernis sein: Seit Pfingsten 2019 haben dort Wanderer und Mitglieder von Kegelvereinen übernachtet - und ein Paar, das dort seine Hochzeitsnacht verbracht hat.
Das Fürstenauer Amtsgefängnis wurde 1720 erbaut. In den engen Zellen saßen viele Verurteilte, ein Mörder und ein Pferdedieb, der 1883 auf dem Fürstenauer Hamberg hingerichtet wurde. Das erzählt Günter Sponheuer vom Verein Arbeitskreis Archäologie und Stadtgeschichte, der sich seit 2015 um die Restaurierung des ehemaligen Gefängnisses bemüht. Sechs Zellen sind als Gästezimmer hergerichtet, zwei Zellen im ursprünglichen Zustand belassen worden, um sie für Stadtführungen zu nutzen, sagt der Vereinsvorsitzende Werner Pries. Darunter sind die Zelle des Mörders und der ehemalige Duschraum. Sie vermitteln einen Eindruck davon, wie karg das Leben der Inhaftierten in der Vergangenheit war.
Aber auch die renovierten Zellen geben einen Einblick in die harte Existenz von Gefangenen im 18. und 19. Jahrhundert. Sie lebten eingesperrt hinter 90 Zentimeter dicken Mauern, Tageslicht gab es wenig, eine Heizung auch nicht, und die Holztüren sehen ausbruchssicher aus. 27 Türen gab es im Amtsgefängnis, sagt Pries. Aber: «Hier ist niemand ausgebrochen», sagt er süffisant.
Seit Pfingsten sind die Zellen für Gäste buchbar. 140 Übernachtungen habe es seitdem gegeben - «und das ohne Werbung», sagt Pries. Dabei wird den Gästen des Amtsgefängnisses sogar schwarz-weiß gestreifte Häftlingskleidung ausgehändigt. Die sollen sie während ihres Aufenthalts tragen. «Und die meisten machen das auch», meint Sponheuer. Der Verein plant zudem, Gäste künftig am Draisinenbahnhof abzuholen, um sie an Ketten gefesselt in einer offenen Karre durch die Stadt zum Hotel zu fahren. Auch die Installation eines Prangers oder eines Schandpfahls sei angedacht, erzählt Pries.
Kein Zufall: Seit einiger Zeit denken sich Hotels Erlebniswelten aus, die sie ihren Gästen bieten. Wer möchte, kann in einem Heuhotel übernachten, in einem Leuchtturm oder einer mongolischen Jurte. Diesen Trend gebe es immer noch, weil dem Gast auf diese Weise vermittelt werden könne, etwas zu bekommen, was er anderswo nicht finde, erklärt Rainer Balke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Niedersachsen: «Das befeuert in vielen Fällen das Geschäft, gerade in Zeiten, in denen große Teile unserer Gesellschaft ziemlich gesättigt sind.»
Es müssen nicht einmal immer besondere Orte sein. «Mal geht es um besondere Ruhe, mal geht es um Genüsse, mal geht es um Abenteuer», sagt Balke. Das ungewöhnlichste Hotel, von dem er gehört hat, sind Iglus in den Alpen, in denen Schlafgäste im Winter bei Dauerfrost sogar Frühstück bekommen. «Das wäre nichts für mich. Bewundert habe ich die Neugier der Gäste, die dafür Übernachtungsentgelt gezahlt haben», meint der Dehoga-Chef. Eine Konkurrenz für ganz normale Hotels seien diese Erlebnishotels in Anbetracht überschaubarer Kapazitäten aber nicht.
Das Fürstenauer Amtsgefängnis bietet aber nicht nur Abenteuerlustigen, sondern auch denjenigen Gästen einen Platz, die nur einen Platz zum Schlafen und ein Frühstück suchen, erklärt Pries. Die 90 mal 200 Zentimeter großen Betten böten in den kargen Zellen immerhin ein Mindestmaß an Komfort. Er habe selbst mal in einer Zelle übernachtet: «Es war himmlisch ruhig.»
Allerdings habe er einmal einen Gast sogar abweisen müssen, erinnert sich Pries. Ein Mann aus Süddeutschland habe angerufen und gefragt, ob er wirklich eingesperrt und als Insasse behandelt werden könne, der nur zu gewissen Zeiten aus der Gefängniszelle heraus dürfe. «Das können wir nicht machen. Das wäre ja Freiheitsberaubung», betont Pries. (dpa)