Fehlende Klassenfahrten: Jugendherbergen mit zwei Drittel weniger Gästen wegen Corona

| Hotellerie Hotellerie

Abgesagte Klassenfahrten, gähnende Leere im Lockdown und dramatischer Einbruch der Übernachtungszahlen: Die Corona-Pandemie 2020 hat dem Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) nach eigener Einschätzung eines seiner schwierigsten Jahre in seiner 111-jährigen Geschichte beschert. Das zwischenzeitlich befürchtete Herbergssterben ist jedoch vorerst ausgeblieben, wie DJH-Hauptgeschäftsführer Julian Schmitz am Donnerstag in der Jahresbilanz erleichtert feststellen konnte. Sechs Häuser werden zwar für immer geschlossen bleiben - bei 438 Häusern bundesweit, darunter sieben wiedereröffnete und eine neue Herberge, ein verschmerzbarer Verlust, der laut Schmitz von Corona allenfalls «befeuert» aber nicht ausgelöst wurde.

Dabei war die Einkommenssituation im gemeinnützigen Verband 2020 dramatisch: Mit nur noch 3,6 Millionen Übernachtungen kamen zwei Drittel weniger Gäste in die Jugendherbergen als noch im Vorjahr. Vor allem die Kernklientel der Schüler- und Jugendgruppen blieb weitgehend weg. Doch Einbrüche gab es auf ganzer Linie: weniger Seminargäste, weniger Wanderer und Freizeitreisende, weniger internationale Gäste. Die herben Verluste konnte auch die im Vergleich dazu gute Nachfrage bei Familien im Sommer und Herbst keineswegs auffangen, bilanziert Schmitz.

Doch Untergangsstimmung wollen die Verantwortlichen im Bundesverband nicht verbreiten, von «verhaltenem Optimismus» ist in einer Online-Pressekonferenz gar die Rede. Es habe zu Anfang der Pandemie etwas gedauert, aber die Politik habe inzwischen die Relevanz der Jugendherbergen als Orte des gemeinsamen Miteinanders erkannt. Wie hoch die Beihilfen aus verschiedenen Töpfen von Bund und Ländern im vergangenen Jahr waren, sei noch nicht bezifferbar. «Es gibt einfach noch keine Schlussrechnung», so Schmitz. Das beste wirtschaftliche Hilfsinstrument sei die Kurzarbeit, die für die meisten der rund 4500 Hauptberuflichen im DJH eingeführt wurde.

Wo Gäste nicht empfangen werden konnten, boten Jugendherbergen auch im Sinne ihrer Gemeinwohlorientierung Anderen Hilfe an: In manchen kamen Obdachlose oder Geflüchtete unter, andere wurden zur Fieberambulanz, zur Quarantäne-Unterkunft für Pflegebedürftige oder zum Impfzentrum. Einsparungen wurden auch erreicht, indem einige Häuser nach dem ersten Lockdown zunächst dicht blieben: Zu Spitzenzeiten des Corona-Sommers seien etwa 300 Häuser in Betrieb gewesen. In dieser Zeit hätten viele Familien die Jugendherberge ganz neu als alternative Reise- und Freizeitdestination für sich entdeckt.

«Daran wollen wir nun anknüpfen», betonte Schmitz. Flexible Stornobedingungen und bewusst vage gehaltene Buchungsoptionen wie «Fahrten ins Blaue» ohne Standort-Festlegung sowie das Versprechen umfassender Hygienekonzepte sollen Besucher locken, sobald es wieder möglich ist.

Als deutliches Zeichen des Rückhalts für das Prinzip Jugendherberge wertet das DHJ die «mutmachende Entwicklung» bei den Mitgliederzahlen: Insgesamt habe es hier trotz Corona nur eine «kleine Delle» von minus 3,3 Prozent auf knapp 2,4 Millionen Mitglieder gegeben, erläuterte DJH-Vize-Geschäftsführer Oliver Peters. «Wir haben wirklich gemerkt, dass wir sehr treue Mitglieder haben», so Peters. Es habe so wenig Austritte gegeben wie mindestens in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr.

Bei allem Optimismus, den die DJH-Verantwortlichen in Detmold am Donnerstag verbreiten wollen, das Jahr 2021 beginnt ebenfalls schwierig: Im Lockdown gibt es erneut keinerlei Herbergsbetrieb und in ersten Bundesländern, darunter das bevölkerungsreichste Land NRW, sind Klassenfahrten bis zum Sommer schon in Frage gestellt. Und auch für andere touristische Reisen fehlt eine klare Öffnungsperspektive. Daher bauen die Jugendherbergen weiter auf staatliche Unterstützung: Können die Gäste weiterhin über einen längeren Zeitraum nicht kommen, werden Beihilfen weiter notwendig sein, um das Überleben der Jugendherbergen zu sichern, betonte Schmitz.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen für Oktober 2025 eine Steigerung der Übernachtungszahlen. Der kumulierte Wert des Jahres erreicht das Vorjahresniveau, getrieben durch den Inlandstourismus.

Die Berner Oberländer Tourismusgemeinde Grindelwald hat angesichts des Massenandrangs einen vorläufigen Stopp für neue Hotelprojekte beschlossen. Das Dorf, das sich zwischen Abhängigkeit vom Tourismus und den Problemen des Ansturms befindet, möchte den Overtourism eindämmen. Kritik koomt von Schweiz Tourismus.

In Sankt Lorenzen, unweit von Bruneck in den Dolomiten, beginnt für ein tausend Jahre altes Bauwerk ein neues Kapitel.Das Castel Badia eröffnet nach umfassender Restaurierung als Boutique-Hideaway. Das Schloss bietet 29 Zimmer und Suiten sowie ein separates Chalet für Gäste.

Die Hotellerie in Dubai führt ein neues, stadtweites Verfahren für den Check-in ein. Dabei können Gäste die Rezeption umgehen und alle Formalitäten vorab digital erledigen. Biometrische Daten werden hierzu nur erfasst. Das System soll Wiederholungsbesucher, etwa per Gesichtserkennung, zuordnen und die digitale Transformation des Emirats vorantreiben.

Steigende Betriebskosten, ein anhaltender Personalmangel und der wachsende Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) bestimmen die Herausforderungen für die Hotellerie im kommenden Jahr. Das Team der GetAway Group hat zentrale Trends für das Vertriebsjahr 2026 vorgestellt.

Choice Hotels International forciert seine Wachstumsstrategie in der Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA) und kündigt den Markteintritt auf dem afrikanischen Kontinent an. Die ersten drei Hotels sollen Anfang 2026 in Kenia eröffnet werden.

Der deutsche Tourismus blickt auf einen starken Sommer 2025 zurück. Im Gegensatz zum wachsenden Camping- und Ferienwohnungssektor kämpfte die Hotellerie jedoch mit leichten Rückgängen, Preisdruck und hohen Betriebsrisiken, wie der aktuelle dwif-Fakten-Kompass aufzeigt.

Die Hostel-Kette a&o Hostels übernimmt Schulz Hotels aus Berlin. Die Akquisition ist Teil einer 500 Millionen Euro umfassenden Wachstumsstrategie, die durch Investoren unterstützt wird und das Managementteam der Berliner mit einschließt. Ziel ist die weitere Stärkung der Marktposition und die Beschleunigung der Expansion in Europa.

Die Radisson Hotel Group hat ihre Marke Prize by Radisson mit der Eröffnung von zwei Standorten in Bergen in Norwegen eingeführt. Mit dieser Expansion erhöht die Gruppe ihre Präsenz in der UNESCO-Welterbe-Stadt auf insgesamt fünf Häuser.

Die diesjährige Sommersaison gehört zu den stärksten Saisons in der Geschichte des Deutschland-Tourismus. Camping und Ferienwohnungen legten zu, die Hotellerie lag hingegen knapp unter dem Vorjahreswert.