In der Hotellerie bahnt sich eine rechtliche Debatte mit möglichen weitreichenden Konsequenzen an. Wer sich als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied eines Hotels oder Hotelunternehmens nicht an der Sammelklage gegen Booking.com beteiligt, könnte sich, nach Ansicht des Juristen Peter Hense, strafbar machen. Im Raum stünde dann der Verdacht auf Untreue nach Paragraph 266 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) – ein Vorwurf, der bei genauer Betrachtung schwer wiegt.
Sammelklage gegen Booking.com - Wie Hotels teilnehmen können
25 europäische Hotelverbände machen gegen Booking.com und gegen, ihrer Meinung nach, überhöhte Provisionen der Buchungsplattform mobil. Hoteliers werden eingeladen, sich risikofrei an einer Sammelklage gegen den Online-Giganten zu beteiligen. Tageskarte erklärt, was Hotels tun müssen, um sich eventuelle Ansprüche zu sichern.
Rechtsanwalt Hense, Partner bei Spirit Legal, weist in einem Social-Media-Post darauf hin, dass es sich bei den Forderungen, die sich aus der, von den Verbänden vermuteten kartellrechtswidrigen Provisionspolitik von Booking.com seit dem Jahr 2006, ergeben könnten, um werthaltige Vermögenspositionen handele. Diese seien strafrechtlich geschützt und unterlägen der Fürsorgepflicht der Geschäftsleitung.
„Unternehmerinnen und Unternehmer sind verpflichtet, Geld, das buchstäblich auf der Straße liegt, nicht liegenzulassen“, formuliert Hense zugespitzt.
Tausende europäische wollen gegen gegen Booking.com klagen
Mehr als 10.000 Hotels in Europa haben sich einer Sammelklage gegen Booking.com angeschlossen. Sie fordern Schadensersatz für jahrelang erzwungene Preisbindungsklauseln, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Herbst 2024 für kartellrechtswidrig erklärt hatte.
Die sogenannte Bestpreisklausel verhinderte, dass Hotels ihre Zimmer auf anderen Vertriebskanälen, wie ihrer eigenen Webseite, günstiger anbieten konnten als auf der Plattform von Booking.com. Ziel dieser Regelung war es, die direkten Buchungen der Gäste bei den Hotels zu unterbinden, die auch über Booking.com auf die Häuser aufmerksam wurden. Die Richter des EuGH stellten in ihrem Urteil fest, dass Plattformen auch ohne solche Vorgaben wirtschaftlich bestehen können.
Forderung nach Schadensersatz für zwei Jahrzehnte
Die Kläger verlangen Schadensersatz für den Zeitraum von 2004 bis 2024. Alexandros Vassilikos, Präsident der europäischen Hotelallianz Hotrec, betont, dass europäische Hoteliers lange unter unfairen Bedingungen und überhöhten Kosten gelitten hätten. Die Sammelklage sei daher eine klare Botschaft, dass missbräuchliche Praktiken im digitalen Markt von der Hotellerie nicht hingenommen würden.
Die Klage wird vor einem niederländischen Gericht verhandelt, da sich der Hauptsitz von Booking.com in Amsterdam befindet. Koordiniert wird das Vorgehen von der Hotel Claims Alliance. Unterstützt wird die Klage von Hotrec sowie von mehr als 30 nationalen Hotelverbänden, darunter auch dem Hotelverband Deutschland (IHA). Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer des IHA, bezeichnet den Zuspruch als „überwältigend“. Aufgrund der großen Resonanz wurde die Anmeldefrist bis zum 29. August verlängert.
Jurist: Geschäftsführung von Hotels und Hotelgesellschaften in der Pflicht
Für die Geschäftsführungen von Hotelbetrieben ergebe sich daraus eine klare Handlungsverpflichtung, so Hense: Wer auf eine Geltendmachung der Ansprüche verzichtet, riskiert eine persönliche Haftung – und im schlimmsten Fall strafrechtliche Konsequenzen. Denn gemäß Paragraph 266 StGB könne bereits das bewusste Unterlassen einer gebotenen Maßnahme zur Vermögensmehrung des Unternehmens den Tatbestand der Untreue erfüllen.
Besonders brisant: Die Höhe der potenziellen Rückforderungen könnte je nach Unternehmensgröße und Buchungshistorie erheblich ausfallen – was die Bedeutung der Entscheidung zusätzlich verstärkt.
Für Hotelunternehmen bedeutet das, laut Hense, dass der Anschluss an die IHA-Klage ist nicht nur eine ökonomische Option, sondern auch eine Sorgfaltspflicht sei. Wer untätig bleibe, setze sich dem Vorwurf aus, das Unternehmensvermögen nicht ausreichend geschützt zu haben – ein Risiko, das in Zeiten wachsender Compliance-Anforderungen kaum tragbar erscheine.
Die teilnehmenden Hotels trügen, laut Hense, weder Kosten noch Kostenrisiken. Diese würden vollständig von einem Prozessfinanzierer getragen, der nur im Erfolgsfall eine Gewinnbeteiligung erhalte.
Alexandra Wolframm, Leiterin Regierungsbeziehungen/Public Affairs für Deutschland, Österreich und die Schweiz von Booking.com sieht das anders und schreibt auf LinkedIn: „Die Aussagen von Herrn Hense sind aus meiner Sicht irreführend. Niemand ist gezwungen, Geschäftsentscheidungen zur Vermögensmehrung oder -minderung zu treffen, ausgenommen vielleicht den Fall, dass es sich um betriebsvernichtende Entscheidungen handelt, wovon hier keine Rede sein kann - und auch nur dann, wenn der/die Geschäftsführenden nicht Gesellschafter sind. Ganz offensichtlich der - recht aggressive- Versuch, Hotels in eine (aussichtslose) Klage zu treiben.“
Rechtsanwalt Hense kommetierte in scharfem Ton zurück: „Ich habe keine Aktien an der Klage, aber ich halte sie für aussichtsreich. Der Grund ist simpel: Ihr Unternehmen hat in diesem Bereich so oft gelogen und vor Gericht so oft verloren, dass man gar nicht genug Finger und Zehen hat, um das alles abzuzählen. Ihre Auffassung oben widerspricht der objektiven Rechtslage – aber das wissen Sie ja. Kommentar zu § 266 StGB aufschlagen, kurzen Blick reinwerfen, hui - so viel Rechtsprechung, schnell wieder zu. Aber Ihre seltsame Position wider besseres Wissen ist kein Problem für mich, das ist schließlich Ihr Job: auch unsinnige Positionen zu vertreten. Sie adressieren ja auch nicht mich. Ihre Absicht ist offensichtlich: Sie wollen Hoteliers durch das Kleinreden rechtlicher Themen für dumm verkaufen. Sie setzen darauf, dass man Ihnen – Head of something something- beim reichen Booking-Konzern – eher glaubt als mir. Das ist allerdings nichts Neues. Ihre Vorgänger:innen haben das auch schon versucht, und am Ende sind sie damit genauso gescheitert. Die Hotellerie mag freundlich sein, aber sie ist nicht so blöde, wie Sie sie gerne hätten.“













