In einem richtungsweisenden Urteil hat die Zivilkammer 61 des Landgerichts Berlin II festgestellt, dass die Booking.com BV sowie deren deutsche Tochtergesellschaft gegenüber zahlreichen Beherbergungsbetrieben schadensersatzpflichtig sind. Grund für die Entscheidung ist die jahrelange Verwendung von unzulässigen Bestpreisklauseln. Das Gericht gab der Feststellungsklage von insgesamt 1.099 Klägern statt. Die Entscheidung betrifft Verstöße, die bis in das Jahr 2013 zurückreichen.
Einschränkung der Preisgestaltungsfreiheit durch Vertragsklauseln
Der Kern des Rechtsstreits dreht sich um die vertragliche Gestaltung, welche die Buchungsplattform ihren Partnern auferlegte. Bis zum Sommer 2015 nutzte das Unternehmen sogenannte weite Bestpreisklauseln. Diese verpflichteten die Hoteliers dazu, auf dem Portal die weltweit günstigsten Preise und Konditionen anzubieten. Ab Juli 2015 stellte die Plattform auf enge Bestpreisklauseln um, die es den Betrieben untersagten, im direkten Online-Vertrieb günstigere Preise als auf der Vermittlungsseite anzubieten.
Das Gericht folgte der Argumentation, dass beide Varianten der Klauseln den Wettbewerb beschränkten. Durch die Vorgaben wurde den Betreibern die Möglichkeit genommen, die im Eigenvertrieb eingesparten Vermittlungsprovisionen in Form von niedrigeren Preisen an die Gäste weiterzugeben. Diese Provisionen belaufen sich im Durchschnitt auf 10 bis 15 Prozent des Zimmerpreises. Zudem erschwerten die Klauseln die Vermarktung von kurzfristigen Restkapazitäten, da Preisnachlässe im Direktvertrieb stets auch eine Preissenkung auf dem Portal nach sich ziehen mussten, was wiederum die Gewinnspanne der Betriebe reduzierte.
Zulässigkeit der Feststellungsklage und Nachlaufeffekte
Obwohl eine Feststellungsklage normalerweise unzulässig ist, wenn der Schaden bereits konkret beziffert werden kann, machte die Kammer hier eine Ausnahme. Die Richter begründeten dies damit, dass die Auswirkungen der Klauseln eine Marktabschottung und eine Konzentration auf wenige Anbieter begünstigt hätten. Diese strukturellen Veränderungen am Markt wirken nach Ansicht des Gerichts über den Zeitraum der aktiven Verwendung der Klauseln hinaus fort. Da diese Nachlaufeffekte eine andauernde Schädigung möglich erscheinen lassen, sei die Klage in dieser Form rechtmäßig.
Das Urteil stellt jedoch lediglich die grundsätzliche Pflicht zum Schadensersatz fest. In welcher Höhe den einzelnen Betrieben tatsächlich ein finanzieller Nachteil entstanden ist und ob dieser zweifelsfrei auf die Bestpreisklauseln zurückzuführen ist, war nicht Gegenstand dieses Verfahrens und muss gegebenenfalls in weiteren Schritten geklärt werden.
„Booking.com ist damit mit seiner Argumentation, die Paritätsklauseln stellten ein legitimes Wettbewerbsinstrument dar, auf ganzer Linie gescheitert“, kommentiert Otto Lindner, Vorsitzender des Hotelverbands Deutschland (IHA).
„Dieses wegweisende Urteil des Landgerichts Berlin verleiht auch der parallelen Sammelklage (www.mybookingclaim.com), die von mehr als 15.000 europäischen Hotels beim Bezirksgericht Amsterdam erhoben werden wird und für die das Verfahren der deutschen Hotels als Blaupause dient, zusätzlichen Rückenwind“, ergänzt IHA-Hauptgeschäftsführer Markus Luthe.
Booking.com sieht das anders und sagt: „Wir begrüßen, dass das Gericht in Berlin wesentliche Aspekte unseres Falles bestätigt und einige der Forderungen heute abgewiesen hat. Wir vertreten weiterhin die Ansicht, dass unsere frühere Verwendung von Paritätsklauseln, die wir in Deutschland seit 2016 nicht mehr anwenden, nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen hat und dass sie Reisenden und Partnern zugute kam, indem sie den Wettbewerb gefördert hat. “
Teilweise Abweisung der Forderungen
Nicht in allen Punkten folgten die Richter den Anträgen der Klägerseite. Das Begehren, die Unzulässigkeit der erhaltenen Buchungsprovisionen festzustellen und eine Erstattung zu fordern, wurde abgewiesen. Das Gericht bewertete diesen Teil der Klage als unzulässig, da es sich bei bereits geleisteten Zahlungen um einen abgeschlossenen Sachverhalt handelt, der eine bezifferte Leistungsklage erfordert hätte.
Zudem wurde die Klage für 189 Beteiligte aus formalen Gründen abgewiesen. In 70 Fällen fehlte der Nachweis einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung, während bei 118 Klägern keine Betroffenheit durch den Kartellverstoß festgestellt werden konnte. Ein weiterer Fall scheiterte aus anderen Gründen. Das Urteil mit dem Aktenzeichen 61 O 60/24 Kart ist noch nicht rechtskräftig; den Parteien steht der Weg der Berufung zum Kammergericht offen.











